Seit zweieinhalb Jahren gibt es das Deutschlandticket. Es wird nicht überall gleich gut angenommen – und macht Defizite im Nahverkehr sichtbar.

Das Deutschlandticket hat Bus- und Bahnfahren einfach gemacht. Ein Angebot für 59 und künftig 63 Euro, das man nicht ablehnen kann? Das sehen in der Region Stuttgart bei Weitem nicht alle so, wie eine Auswertung der erstmals öffentlich verfügbaren Verkaufszahlen im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) zeigt. Auch sind die Unterschiede zwischen den Gemeinden teilweise gewaltig – und die Gründe dafür vielfältig.

Deutschlandweit wird ÖPNV „in Metropolregionen erfahrungsgemäß stärker genutzt“, sagt der VVS-Sprecher Niklas Hetfleisch: der vielfach dichte Fahrplan, Staus und Parkdruck gelten als wichtigste Gründe. Und doch gibt es in Stuttgart unter 1000 Einwohnern mehr als dreimal so viele Deutschlandticket-Inhaber wie in Köngen, Rudersberg oder Holzgerlingen.

Gut jeder dritte Einwohner Stuttgarts hat ein Deutschlandticket, wie die VVS-Zahlen zeigen. In den unmittelbar angrenzenden Nachbargemeinden sowie Ludwigsburg sind es 220 bis 250 Ticketinhaber je 1000 Einwohner, weiter draußen in der Region hat in der Regel nur jeder Fünfte ein Deutschlandticket. Die Karte zeigt das Muster – je dunkler eine Gemeinde eingefärbt ist, desto höher der Anteil der Menschen mit Deutschlandticket:

Im Umland sind die Menschen kaum weniger mobil als in der Großstadt. Sind Bus und Bahn dort so viel weniger attraktiv? Oder in Stuttgart so gut? Markus Friedrich ist Professor für Verkehrsplanung an der Universität Stuttgart und hebt die hohe Qualität des öffentlichen Verkehrs in Stuttgart hervor: „Nur wenige Großstädte in Deutschland bieten einen vergleichbar guten öffentlichen Nahverkehr.“

Und die Gemeinden draußen in der Region? „In den Kommunen entlang der S-Bahn– und Regionalbahnlinien haben viele Menschen ein Deutschlandticket“, sagt Friedrich. Besonders gut sei das an den S-Bahnlinien in Richtung Herrenberg und Ludwigsburg erkennbar. Diese Gemeinden sind in der Karte dunkler eingefärbt, weil dort mehr Menschen ein Deutschlandticket besitzen.

Wo der ÖPNV wenig attraktiv ist

Für einen weniger attraktiven ÖPNV spricht die helle Einfärbung von Gemeinden in der Karte. Vielfach gibt es dort keinen S-Bahn-Halt – wer nach Stuttgart pendelt, ist auf den Bus angewiesen.

Ein Beispiel ist die 11 000-Einwohner-Gemeinde Korb im Rems-Murr-Kreis: Anders als die Nachbarstädte Waiblingen, Schwaikheim oder Weinstadt hat Korb keinen S-Bahnhof, dorthin kommt man nur mit dem Bus– was sich in vergleichsweise wenigen verkauften Deutschlandtickets zeigt. Darauf angesprochen, verweist Bürgermeister Markus Motschenbacher auf den fehlenden S-Bahn-Anschluss und die verkehrsgünstige Lage nahe der B14 und der B29.

Rätsel um Alfdorf

Der Zusammenhang von Bahnhalt und verkauften Deutschlandtickets zeigt sich quasi durchweg entlang der S-Bahn- und Regionalzugstrecken. Mit einer Ausnahme: Die 7000-Einwohner-Gemeinde Alfdorf im Rems-Murr-Kreis. Alfdorf landet im Regionsranking der verkauften Deutschlandtickets je 1000 Einwohner auf dem dritten Platz. Woher kommt diese Ausnahme von der Regel?

In Alfdorf sind wegen des großen Gemeindegebiets mit vielen Teilorten schon Grundschulkinder auf Busse angewiesen. „Daher könnte ein Teil der Erklärung in den Schülern liegen, die alle ein Deutschlandticket benötigen“, sagt der Alfdorfer Bürgermeister Ronald Krötz. Der Alfdorfer Gemeinderat Manfred Fitz (Freie Wählervereinigung) fügt hinzu: „Wegen der weit verteilten Wohnorte nutzen viele Pendler das Auto, um zur nächsten Regionalbahnstation zu fahren“, sagt er. Das würde auch die trotz vieler Deutschlandtickets hohe Pkw-Dichte in der Gemeinde erklären: „Um fünf Uhr morgens fährt noch kein Bus.“

Tatsächlich gibt es in den meisten Gemeinden entweder viele Autos oder Deutschlandtickets je 1000 Einwohner. „Schaut man sich an, in welchen Kommunen der Autobesitz hoch ist, ergibt sich das das Gegenstück zum Besitz von Deutschlandtickets“, resümiert der Mobilitätsforscher Markus Friedrich. Dabei spiele auch eine Rolle, wie attraktiv es ist, das Auto zu nutzen – ob beim Fahren oder beim Parken.

Warum haben dann auch mittelgroße Städte wie Sindelfingen, die direkt an die S-Bahn angebunden sind, eher wenige Deutschlandticketinhaber? „Die Verbreitung des Deutschlandtickets hängt nicht allein von der ÖPNV-Anbindung ab“, betont der VVS-Sprecher Niklas Hetfleisch. „Die starke Bedeutung des Autoverkehrs beispielsweise in Sindelfingen beim Werk von Mercedes-Benz spielt auch eine Rolle.“ Ebenso bemerke man die Anbindung an große Straßen wie die A8, die B10 oder B27.

„Preiserhöhung des Deutschlandtickets hat Abos gekostet“

Unbestritten hat das Deutschlandticket die Nachfrage nach dem ÖPNV in der Region auch in 2024 gesteigert. Die Fahrgastzahlen liegen mittlerweile wieder auf Vor-Corona-Niveau. Gleichzeitig ist die Anzahl der Abos zum Jahreswechsel 2024/25 gesunken.

„Wir sehen das in erster Linie in der Preiserhöhung von 49 auf 58 Euro begründet“, sagt Hetfleisch. Er gehe daher davon aus, dass die erneute Preiserhöhung auf 63 Euro zum Jahreswechsel wieder Abos kosten wird. Grundsätzlich begrüße man beim VVS jedoch, dass es mit dem Deutschlandticket weitergeht.

Deutschlandticket-Verkäufe im VVS-Gebiet

Daten
Die für diese Analyse verwendeten Daten sind die monatlichen Verkaufszahlen des Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) auf Ebene der Kommunen zwischen Januar 2024 und zuletzt März 2025. Über die Angabe der Käuferinnen und Käufer beim Zahlungsvorgang kann der VVS die Verkäufe den jeweiligen Kommunen zuordnen. Die Leerstellen insbesondere in den Kreisen Göppingen und Rems-Murr erklärt der VVS mit nicht vollständigen oder nicht plausiblen Daten. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den zugelassenen Pkws auf Basis vom Kraftfahrtbundesamt wurde sich ausschnitthaft für die DeutschlandTicket-Verkaufszahlen von Januar 2025 entschieden.

Fehlende Daten
Für Kommunen, in denen wir keine Angaben zum Anteil der Deutschlandticket-Verkäufe machen, liegen dem VVS keine vollständigen oder plausiblen Werte vor.