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Speisefische, Krabben und Muscheln aus Nord- und Ostsee sind mit den Umweltchemikalien PFAS belastet. Zu diesem Ergebnis kommt Greenpeace. Das Umweltbundesamt nennt die Ausbreitung von PFAS „sehr besorgniserregend“.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat Speisefische, Krabben und Muscheln auf die Umweltchemikalien PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) untersucht. Diese Stoffgruppe besteht aus mehreren tausend verschiedenen chemischen Verbindungen und gilt als sehr umweltgefährdend, einige Substanzen stehen zudem im Verdacht, Leberschäden oder Krebs auszulösen.
PFAS werden unter anderem zur Beschichtung von Verpackungen, Outdoorbekleidung oder Pfannen eingesetzt. Das größte Problem ist, dass diese Stoffe in der Umwelt praktisch nicht abgebaut werden und sich daher immer weiter anreichern.
Greenpeace nahm auf Fischmärkten und direkt bei Fischern an Nord- und Ostsee insgesamt 17 Proben. Darunter waren Speisefische wie Hering, Steinbutt oder Scholle, aber auch Nordseekrabben und Muscheln. Erworben wurden die Produkte an verschiedenen Orten entlang der gesamten norddeutschen Küste. Die Laboranalyse erfolgte laut Greenpeace nach wissenschaftlichen Standards und Normen. Der Untersuchungsbericht liegt dem SWR bereits vor.
PFAS-Funde in allen Proben
Laut den Laborergebnissen wurden in allen 17 untersuchten Proben PFAS gefunden, darunter auch die toxischen PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) oder PFOA (Perfluoroctansäure). Aus Sicht der Wissenschaftler ist besonders besorgniserregend, dass in 16 von 17 Proben ein „PFAS-Cocktail“ aus unterschiedlichen Schadstoffen nachgewiesen wurde.
So enthielten unter anderem Schollen (Hamburg), Steinbutt (Niendorf) und Krabben (Bremerhaven) sieben verschiedene PFAS-Substanzen. Bei drei Proben (Scholle, Hering, Steinbutt) wurden die EU-Grenzwerte überschritten, so dass diese Fische eigentlich nicht verkauft werden dürften. In den meisten Fällen wurden die Grenzwerte allerdings eingehalten. Bei Muscheln (Hamburg) waren die PFAS-Konzentrationen am niedrigsten.
Die Umweltorganisation weist in ihrem Bericht darauf hin, dass der regelmäßige Verzehr dieser Fische zu einem Gesundheitsproblem werden könne. Wer zweimal pro Woche oder noch häufiger diese Produkte esse, liege zum Teil um ein Vielfaches über den Konzentrationen, die laut der europäischen Umweltbehörde (EFSA) als noch unbedenklich gelten.
Forderung nach PFAS-Verbot
Greenpeace forderte als Konsequenz aus dieser Untersuchung erneut ein PFAS-Verbot. Schon vorhergehende Untersuchungen in Rhein und Meeresschaum hätten gezeigt, dass sich PFAS überall ausbreiten, so Julios Kontchou, Ökotoxikologe bei Greenpeace: „Hier sind die Lebensmittel- und Umweltbehörden gefordert. Es braucht dringend flächendeckende Tests und daraus abgeleitete Verzehrempfehlungen. Und es braucht endlich strengere Maßnahmen, um zumindest künftig die Freisetzung von PFAS zu stoppen.“
Die genaue Wirkung auf Mensch und Umwelt ist für viele PFAS noch unerforscht. In der Vergangenheit wurden toxische Wirkungen zum Teil erst nach und nach entdeckt. Wissenschaftlich belegt sind unter anderem Schädigungen am Immunsystem und der Leber sowie negative Wirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit. US-Behörden und die internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) haben PFOA bezüglich Nieren- und Hodenkarzinome als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.
Umweltbundesamt: Grund zu großer Besorgnis
Ein Sprecher des Umweltbundesamtes (UBA) teilte auf SWR-Anfrage mit, dass man auch in eigenen Untersuchungen PFAS-Belastungen in Fischen nachgewiesen habe, die zum Teil über den Grenzwerten lagen. Daher nehme man das Problem sehr ernst: „Die extreme Langlebigkeit von PFAS, die zu einer irreversiblen Umweltexposition und -akkumulation führt, ist ein Grund zu großer Besorgnis.
Das UBA hat daher in Zusammenarbeit mit anderen deutschen Behörden und Behörden der Niederlande, Dänemarks, Norwegens und Schwedens ein Dossier zur Einleitung eines Beschränkungsverfahrens für die gesamte Stoffgruppe der Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) ausgearbeitet.“ Dieses Verfahren laufe derzeit noch, so der UBA-Sprecher.
Erst vor wenigen Tagen war eine Untersuchung der internationalen NGO „Europäisches Umweltbüro“ veröffentlicht worden. Diese hatte das Blut von 24 EU-Spitzenpolitikern untersucht und demnach in allen Proben PFAS nachweisen können. Für die Umweltorganisationen ist das ein weiterer Beleg dafür, dass sich PFAS überall ausbreiten und anreichern.
Für die Aktion „banPFAS“ schlossen sich mittlerweile mehr als 100 Umweltverbände in ganz Europa zusammen. Sie fordern, PFAS zu verbieten – darunter auch Greenpeace.
Bundesregierung gegen striktes Verbot
Das Bundesumweltministerium teilt auf SWR-Anfrage mit, dass man die Gefahren durch PFAS ernst nehme, aber ein prinzipielles Verbot ablehne: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die PFAS-Belastung in der Umwelt […] weiter zunimmt und deshalb Handlungsbedarf besteht. Daher strebt sie vor diesem Hintergrund einen wirksamen und zugleich differenzierten Umgang mit PFAS auf europäischer Ebene an, um die weiteren PFAS-Emissionen in die Umwelt deutlich zu reduzieren.“
Wo es Alternativen gebe, sollten PFAS ersetzt werden. „Wo noch keine Alternativen existieren, sollen entsprechende Ausnahmen, Übergangsfristen und andere Maßnahmen dafür sorgen, dass die PFAS-Emissionen zwar wirksam gemindert werden, gleichzeitig aber wichtige Verwendungen trotzdem möglich bleiben.“ Dazu zählten unter anderem „Medizinprodukte“ oder auch „spezielle Schutzkleidung“.