Der Eingang zum Lager von Flink führt direkt in die Vergangenheit: „Wir liefern deinen Einkauf in 10 Minuten!“ sind die Fensterscheiben an der Stuttgarter Schwabstraße plakatiert. So warb der Lebensmittel-Lieferdienst in den Coronajahren. Schon damals funktionierte das Versprechen in den meisten Fällen nicht und war ein Verlustgeschäft – trotz vieler zahlender Kunden. Jetzt stellt sich der größte verbliebene Schnelllieferdienst neu auf. Und gibt Einblick in das Innerste seines Dienstes.

Das ist ungewöhnlich. Schnelllieferdienste scheuten lange die Öffentlichkeit, weil sie wegen umstrittener Arbeitsbedingungen in Verruf gerieten. „Das Image ist nicht gut“, räumt Flinks Gebietsleiter Albert Danckert an diesem Montagmorgen ein. Deshalb wolle man zeigen, wie Flink sich verändert hat.

Gut eine halbe Stunde dauerte eine Lieferung im Schnitt

Da ist die Geschwindigkeit. Statt einer genauen Zahl spricht das Unternehmen mittlerweile von einer Lieferung „in Minuten“. Etwas mehr als eine halbe Stunde dauert die Lieferung im Stuttgarter Kessel aktuell im Schnitt, sagt Danckert. In den Liefer-Randgebieten wie Botnang, der Waldau oder Kaltental müssen Kunden auch mal bis zu zwei Stunden warten. Weiter entfernte Stadtteile wie Möhringen oder Untertürkheim werden nicht versorgt.

Danckert führt durch das Lager, wo die Lieferungen starten. Es wirkt wie ein kleiner Supermarkt, den man auf chaotisch wirkende Weise in schmale Regalreihen gequetscht hat und der rund 3000 Artikel fasst. Sie sind oft nach schierer Größe geordnet, nach Kühl- und Frischebereichen und Drogerie- und Haushaltswaren. Ein bisschen entspricht es Amazons „chaotischer Lagerhaltung“, wo ein digitales System die Standorte der Artikel erfasst. Eine Software leitet die „Picker“, die Waren einräumen und für die Lieferung zusammenstellen, auf dem kürzesten Wege durch die Reihen.

Mit Einkaufswagen und Tüten wage ich den Selbstversuch. Der Scanner lotst mit der bebilderten Bestellung durch die schmalen Gänge zu den Regalmetern und ihren Nummern. Buchstaben verweisen auf die einzelnen Regalböden. Das geht überraschend intuitiv und leicht. Schnell sind die Artikel eingescannt und die Bestellung in zwei Tüten verpackt. Viel Gemüse, Brot und Milchprodukte sind darunter.

Längst liefert Flink mehr als Chips, Cola und Pasta, auch weil je nach Entfernung der Mindesteinkauf 10 bis 20 Euro beträgt. In Stuttgart liege der Einkauf im Schnitt bei 45 Euro, sagt Danckert. Am meisten bestellt werden Tomaten, Bananen, Avocados, Gurken und Milch. Neben Studenten ordern auch junge Familien oder Senioren, der Trend gehe zum Wocheneinkauf. „Wir wollen, dass der Einkauf mit Flink Alltag wird.“

Flink arbeitet dabei eng mit Rewe zusammen – einer der Hauptinvestoren des Unternehmens. Von Rewe bezieht Flink den Großteil der Waren, dazu kommen Getränkehändler und ein Metzger aus der Region. Damit sich die Lieferung lohnt, konzentriert sich Flink in Stuttgart großteils auf die bevölkerungsreiche wie flache Innenstadt. Mit einem zweiten Lager im Osten der Stadt will Flink ab Ende Oktober noch mehr Kunden erreichen.

Im Lager von Flink stellt eine Frau – Picker genannt – eine Bestellung zusammen. Foto: Daniel Gräfe

Danckert führt in die Garage mit den Flink-Rädern. Mit ihren pinken Fahrradtaschen fallen sie im Stuttgarter Kessel ebenso auf wie die pinke Kleidung ihrer „Rider“, wie die Ausfahrer heißen. 16 bis 18 Rider sind in den Hochzeiten wie etwa den Samstagabenden unterwegs, während vier bis fünf Beschäftigte die Bestellungen verpacken. Die Auslieferung ist, von einer Frau abgesehen, Männersache. Man könnte auch sagen, dass sie mehrheitlich in den Händen von Studenten aus Indien liegt. In der indischen Community ist die Arbeit bei Flink offenbar ein Dauerbrenner.

Daniel Maier ist einer der wenigen Deutschen und Rider im Teilzeitjob. 24 Stunden fährt der 39-Jährige Bestellungen aus. Nach der Schicht als Zeitungszusteller schwingt er sich einige Stunden täglich aufs Rad. Er bekommt den Mindestlohn: 12,82 Euro die Stunde. Dazu kommen im Schnitt zehn Euro Trinkgeld pro Tag.

Statt Briefe stellt Rider Daniel Maier nun Lebensmittel zu

Der gelernte Kinderpfleger arbeitete zuvor bei einem privaten Postdienstleister. „Ich wollte mehr mit Kunden zu tun haben, nicht nur Post zustellen“, sagt Maier, der sich als Daniel vorstellt – bei Flink duzen sich praktische alle Beschäftigten und teils auch die Kunden. In seinem neuen Job fühle er sich wohl. „Es gibt hier keine Konflikte. Man hat das Gefühl, dass man füreinander da ist.“ Das Verhältnis sei wohl auch deshalb recht gut, weil es mit dem Hub eine Anlaufstelle für alle Beschäftigten gebe – im Gegensatz zu anderen Lieferdiensten. „Hier kann man auch mal zwei, drei Minuten verschnaufen.“

Zuerst aber geht es zu den nächsten Kunden. Die Bestellungen kamen gerade herein und wurden verpackt. Maier verstaut die Tüten in den ausladenden Fahrradtaschen, die wohl zu den größten unter den Lieferdiensten zählen. Vier Taschen – Esscontainer genannt – zählen die meisten Räder. Einige große fassen sogar acht.

Ich folge Maier auf einem Flink-Rad. Der Motor zieht stark an, mit einem normalen E-Bike ist es kaum zu vergleichen. Bis zu 50 Kilogramm Gewicht transportiert das kleinere Rad. Der Anstieg der Weinsteige wäre damit trotz Motorkraft nur schwer zu schaffen.

Auch jetzt zeigt die Software auf der Handy-App die günstigste Route für die Lieferungen an. Der erste Kunde wohnt nur einige Hundert Meter entfernt. Ein Mann, der sich später als Ronald Russat vorstellt, öffnet die Tür. Ein freundlicher Familienvater, drei schwere Einkaufstüten nimmt er in Empfang.

Familienvater Ronald Russat macht mit Flink seinen Wocheneinkauf

Ein- bis zweimal die Woche kaufe er über Flink ein. Der Zeitersparnis wegen, wie Russat sagt – ein Kind sei zuhause, hier könne er die Zeit sinnvoller nutzen. Und er bestelle auch ein wenig aus Bequemlichkeit. „Mit Flink mache ich den alltäglichen Einkauf und gehe nur noch zum Wochenmarkt.“

Mit ihm hat Flink wohl den idealen Kunden gefunden – ein glücklicher Zufall für den Schnelllieferdienst an diesem Tag. Auch das Wetter spielt mit. Anstrengend, sagt Maier, sei es bei vor allem bei Regen und im Winter. Oder wenn es die abgelegenen Touren gebe.

In Erinnerung aber blieben die Momente, wo er viel Zustimmung und Dankbarkeit erfahre, etwas von alten oder gehbehinderten Menschen, sagt Maier. „Dann merke ich, dass meine Arbeit auch sinnhaft ist.“

Flink und seine Wettbewerber

Boomjahre
In den Coronajahren steckten Investoren auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten Hunderte Millionen Euro in das Geschäftsmodell um Flink und Gorillas, die mit Milliarden Euro bewertet wurden.

Marktbereinigung
Inzwischen sind Gorillas und Getir aus dem deutschen Markt verschwunden und Flink dominiert den Markt bei den Lebensmittel-Schnelllieferdiensten. Bedeutend langsamer liefern Rewe und Picnic Lebensmittel aus, die dafür wirtschaftlicher arbeiten. Ob Flink inzwischen schwarze Zahlen schreibt, wollte das Unternehmen nicht beantworten.

Lager
Rund 100 Lager beziehungsweise Verteilzentren – „Hubs“ genannt – unterhält Flink in den Großstädten bundesweit, in Millionenstädten wie Berlin oder München mehr als ein halbes Dutzend. Meist mit einem Hub hat sich Flink in den baden-württembergischen Städten Pforzheim, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg und Heidelberg aufgestellt.