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Frankreichs Kabinett beginnt seine Arbeit unter Hochspannung. Lecornu muss gleich zu Beginn entscheidende politische Krisen bewältigen.
Paris – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat überraschend Sébastien Lecornu erneut zum Premierminister ernannt, obwohl dieser erst kürzlich seinen Rücktritt erklärt hatte. Lecornu war nur einen Monat im Amt und hatte eine Rückkehr zunächst ausgeschlossen. Nun steht die neue französische Regierung vor einem schwierigen Start. Das am Sonntagabend ernannte Kabinett muss sich sofort mit dem Haushalt für das hoch verschuldete Land auseinandersetzen und gleichzeitig einem drohenden Misstrauensvotum der Opposition entgegentreten.
Gelingt Lecornu die politische Gratwanderung im zweiten Versuch? (Archivbild) © Stephanie Lecocq/Reuters Pool/AP/dpa
„Eine Übergangsregierung wird ernannt, um noch vor Jahresende einen Haushalt für Frankreich vorzulegen“, erklärte Lecornu. „Nur eines zählt: das Wohl des Landes.“ Ursprünglich sollte Lecornu den Haushaltsentwurf bereits am Montag im Parlament präsentieren. Doch da Macron am Montag am Gaza-Gipfel in Ägypten teilnahm, wurde die erste Kabinettssitzung auf Dienstag verschoben.
Haushaltsdruck und Schuldenkrise: Frankreichs neue Regierung steht vor gewaltigen Herausforderungen
Ohne fristgerechte Verabschiedung des Haushalts könnte Frankreich am Jahresende ohne genehmigten Etat dastehen, was zusätzlichen wirtschaftlichen Druck auf das Land ausüben würde. Frankreich hat mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU, nach Griechenland und Italien.
In der neuen Regierung gab es in vielen Schlüsselressorts keine Veränderungen. Außenminister Jean-Noël Barrot, Justizminister Gérald Darmanin und Wirtschafts- und Finanzminister Roland Lescure behalten ihre Posten. Die bisherige Arbeitsministerin Catherine Vautrin übernimmt das Verteidigungsministerium, während Laurent Nuñez neuer Innenminister wird. Trotz der erneuten Ernennung einer Regierung innerhalb einer Woche und der Rückkehr des zurückgetretenen Premiers ist die politische Krise in Frankreich noch lange nicht überwunden.
Marine Le Pen hat Frankreich-Wahl 2027 im Blick – trotz AusschlussFotostrecke ansehen„Eine Demütigung für die Franzosen“: Opposition reagiert mit Empörung auf Macrons Entscheidung
Die Linkspartei La France Insoumise (LFI) und das rechte Rassemblement National (RN) haben bereits einen Misstrauensantrag angekündigt. Jordan Bardella, Vorsitzender des Rassemblement National, äußerte auf der Plattform X, dass die Situation „ein schlechter Witz, eine demokratische Schande und eine Demütigung für die Franzosen“ sei. Auch aus der LFI kam scharfe Kritik: Die Entwicklungen seien eine „Komödie“ und ein „Stinkefinger“ für die Franzosen.
Marine Tondelier, Vorsitzende der Grünen, zeigte sich im Fernsehsender LCI fassungslos und sagte, sie fühle sich „wie vor den Kopf gestoßen“. Sie fügte hinzu: „Als wäre ich in einer Zeitschleife, was passiert in diesem Land? Alle sind dem Nervenzusammenbruch nahe. Die Franzosen verstehen das nicht mehr.“
Lecornu unter Druck: Macrons Premier steht vor entscheidender Abstimmung
Ob Lecornu die bevorstehende Abstimmung übersteht, bleibt ungewiss. Die Sozialisten wollen die neue Regierung nur unterstützen, wenn Lecornu weitreichende Zugeständnisse macht. Die Regierung behält ein Mitte-Rechts-Profil, obwohl das linke Lager einen deutlichen Kurswechsel gefordert hatte. Die Konservativen haben erklärt, sich nicht mehr an der Regierung zu beteiligen, aber sie bei Gesetzesvorhaben zu unterstützen.
Ein erfolgreicher Neustart Lecornus wird als Macrons letzte Chance gesehen, seiner bis 2027 laufenden zweiten Amtszeit neuen Schwung zu verleihen. In der jüngsten Krise ist er verstärkt in die Kritik geraten. Die Opposition fordert seinen Rücktritt, und auch in den eigenen Reihen wächst der Unmut. Neben dem Haushalt muss sich die Regierung in dieser Woche auch mit der umstrittenen Rentenreform auseinandersetzen. Macron hat auf Druck des linken Lagers eine Verzögerung von Teilen der 2023 durchgesetzten Reform in Aussicht gestellt, doch der Opposition reicht das nicht. Lecornu betonte: „Alle Debatten sind möglich, wenn sie einen realistischen Rahmen haben.“ (Quellen: dpa, Zeit, tagesschau, X) (jal)