Zwischen Anfang September und Anfang Oktober 2025 haben US-Streitkräfte in der Karibik mindestens vier Boote beschossen und versenkt, die laut US-Regierung Drogen von Venezuela in Richtung Norden schmuggelten. Dabei kamen mindestens 21 Menschen ums Leben. Beweise für die Ladung oder die Identität der Getöteten legte die US-Regierung bisher nicht vor.
Präsident Donald Trump erklärte, die USA befänden sich in einem „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ mit Drogenkartellen. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth sprach von einem Schlag gegen „venezolanische Terroristen“. Doch die Rechtsgrundlage ist umstritten.
Venezolanische Kartelle werden Terroristen
Die Angriffe sind Teil einer breiteren Neuausrichtung der US-Politik gegenüber Lateinamerika. Bereits Anfang 2025 hatte Trump mehrere Kartelle, darunter die venezolanische Bande „Tren de Aragua“, zu Terrororganisationen erklärt. Eine neue Einsatztruppe unter dem Regionalkommando SOUTHCOM soll den Drogenschmuggel eindämmen – notfalls mit Waffengewalt.
Beobachter sehen darin die Wiederbelebung der „Monroe-Doktrin“ aus dem 19. Jahrhundert, als die USA Lateinamerika als ihren Hinterhof betrachteten. Auch jetzt gehe es Washington darum, den wachsenden Einfluss Chinas in der Region zurückzudrängen, sagt etwa die Lateinamerika-Expertin Jana Lipman.
Eskalation im Machtkampf mit Caracas
Der Konflikt mit Venezuela schwelt seit Jahren. Die USA erkennen Präsident Maduro nicht an und beschuldigen ihn, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein. 2020 erhob das US-Justizministerium Anklage gegen ihn. Maduro weist die Vorwürfe zurück.
Doch warum eskaliert der Streit ausgerechnet jetzt? Laut vertraulichen Dokumenten, die der New York Times vorliegen, hatte Maduros Regierung Washington noch im Frühjahr weitreichende Zugeständnisse angeboten, um eine Annäherung zu erreichen – darunter Öldeals für US-Firmen und eine Abkehr von China und Russland. Doch US-Außenminister Marco Rubio, ein scharfer Maduro-Gegner, soll auf Konfrontation gedrängt haben.
Trump und die Grenzen des Völkerrechts
Mit den Bootsangriffen testet die US-Regierung nun offenbar die Grenzen des Völkerrechts aus. Venezuela hat den UN-Sicherheitsrat angerufen. Menschenrechtsorganisationen verurteilen die Attacken als illegale Hinrichtungen.
Unklar ist, ob Washington auch Ziele an Land ins Visier nimmt. Offiziell schließt die Regierung das nicht aus. Die militärische Präsenz in der Karibik wurde massiv verstärkt. Auf Stützpunkten in Puerto Rico sind inzwischen 5500 US-Soldaten stationiert, dazu kommen Kriegsschiffe und U-Boote.
Für die Anrainerstaaten ist das ein Alarmsignal. Fischer aus Trinidad und Tobago berichten bereits von Angst und Einkommensverlusten. Regionalpolitiker warnen vor einer Eskalation. „Das könnte außer Kontrolle geraten“, sagt Ralph Gonsalves, Regierungschef von St. Vincent und den Grenadinen.
Kritik in UN-Kongress an Angriffen vor Venezuela
Doch in den USA rumort es ebenfalls. Demokraten im Kongress verlangen Aufklärung über die Rechtsgrundlage der Angriffe und die Beweise gegen die Getöteten. Bisher hüllt sich die Regierung in Schweigen. Auch eine schlüssige Strategie für die „Rückkehr in die westliche Hemisphäre“, wie Trump es nennt, ist nicht erkennbar.
Stattdessen wachsen die Spannungen. Am Mittwoch teilte Kolumbiens Präsident Gustavo Petro mit, bei dem jüngsten US-Angriff seien auch Kolumbianer getötet worden. Damit gerät Washington auch mit einem engen Verbündeten in Konflikt. Beobachter fürchten, dass sich die Region weiter polarisiert – und die eigentlichen Probleme wie Armut und Korruption aus dem Blick geraten.
Zweifel an Wirksamkeit gegen Drogenschmuggel
Experten bezweifeln zudem, dass Trumps Vorgehen den Drogenschmuggel eindämmen wird. Die weitaus meisten Drogen gelangen über den Pazifik und Mexiko in die USA, nicht über Venezuela und die Karibik. Das hochgefährliche Opioid Fentanyl wird fast ausschließlich in Mexiko hergestellt – mit Chemikalien aus China.
„Das ist, als würde man mit einem Flammenwerfer ein Ei kochen“, sagt der Ex-Diplomat James Story über die Bootsangriffe. Selbst wenn einige Schmuggler ausgeschaltet würden, fänden die Kartelle neue Wege und Mittelsmänner.
Leidtragende: Venezuelas Bevölkerung
Derweil leidet die venezolanische Bevölkerung unter der Wirtschaftskrise und US-Sanktionen. Mehr als sechs Millionen Menschen sind bereits geflohen. Trumps Politik droht die Not weiter zu verschärfen – und die Fluchtbewegung anzuheizen.