Die Feuerwehrgewerkschaft sieht die Wiesbadener Berufsfeuerwehr in einer „existenziellen“ Krise. Symptome seien mehr als 55.000 unbezahlte Überstunden und mehr als 5000 Stunden bislang nicht gewährter Urlaub. Diese Zahlen dokumentierten das Ausmaß der Überlastung. Seit neun Monaten verweigerten die Verantwortlichen zudem die Verhandlungen zur Neuordnung der Arbeitszeit. Dabei sei die bisherige Dienstvereinbarung schon 2022 durch die Landeshauptstadt offiziell aufgekündigt worden.
Nach einer Aufstellung von Swen Kalowsky, dem Gewerkschaftsbeauftragten für Wiesbaden, gibt es bei der Feuerwehr Wiesbaden aktuell 60 unbesetzte Stellen und damit einen gravierenden Personalmangel. Immer mehr Kollegen stünden kurz vor der Entscheidung, die Feuerwehr zu verlassen, oder hätten diesen Schritt schon getan, „weil die Arbeitsbedingungen unerträglich geworden“ seien.
Werkstatt ist unterbesetzt
Die zentrale Dienstplanung könne wegen Personalmangel den Bedarf nicht mehr abdecken. „Überlastung, Erschöpfung und Stress sind die täglichen Begleiter unserer Feuerwehrleute“, heißt es in der Analyse der Gewerkschaft. Die Atemschutzgerätewerkstatt sei personell unterbesetzt, sodass eine zuverlässige Wartung der Atemschutzgeräte nicht mehr gewährleistet werden könne. Dies bedeute ein Sicherheitsrisiko.
Der jüngst von der Stadt Wiesbaden vorgestellte Plan, in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine neue Feuerwache 1 zu errichten, ist nach Einschätzung der Gewerkschaft nicht realisierbar, weil mit der Planung noch nicht begonnen wurde. „Unsere Einsatzkräfte müssen weiterhin in veralteten und teilweise maroden Gebäuden ihren Dienst verrichten“, so die Gewerkschaft. Wiesbadener Feuerwehrleute würden mit attraktiven, besser bezahlten Angeboten aus anderen Städten und Landkreisen abgeworben.
Feuerwehrgebäude mangelhaft gesicht
Das verschärfe den Fachkräftemangel weiter. Gleichzeitig müssten Aus- und Fortbildungen – vor allem bei den freiwilligen Feuerwehren in Wiesbaden – abgesagt werden. Die Gewerkschaft bemängelt zudem eine unzureichende Sicherung der Feuerwache 1. Das bedeute ein zusätzliches Risiko für die Einsatzbereitschaft und die Sicherheit.
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Die Gewerkschaft fordert, die 60 offenen Stellen umgehend zu besetzen, die Verhandlungen über eine neue Vereinbarung zur Dienstzeit abzuschließen, ein verlässliches Urlaubsmanagement zu etablieren, die Atemschutzgerätewerkstatt personell zu stärken und umgehend mit der Planung einer neuen Feuerwache zu beginnen. Die Gewerkschaft bittet die Bürger, sich mit ihrer Feuerwehr solidarisch zu zeigen. Die Sicherheit der Landeshauptstadt dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Ohne eine intakte, gut ausgestattete Feuerwehr sei die Gefahrenabwehr massiv gefährdet.
Werbung für Ausbildung zum Feuerwehrmann
Die Stadtverwaltung reagiert gelassen auf die schwerwiegenden Vorwürfe. Alle Sorgen und Kritikpunkte würden „aufmerksam zur Kenntnis“ genommen. Die von der Gewerkschaft angesprochenen Themen seien „seit Längerem bekannt“. Zahlreiche Schritte zur Verbesserung seien schon angestoßen worden oder in Vorbereitung. Die Arbeitsmarktlage sei aber schwierig – für viele Berufsfeuerwehren in ganz Deutschland. Qualifiziertes Personal sei nur schwer zu rekrutieren, weil der Fachkräftebedarf hoch sei.
Die Landeshauptstadt will daher junge Leute für die Ausbildung zum „Werkfeuerwehrmann“ gewinnen und langfristig an sich binden. Alle Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst unterlägen strengen rechtlichen Vorgaben und seien daher oft langwierig. Die Stadt sei bemüht, die Abläufe „so weit wie möglich zu beschleunigen“. Die Dienstzeitvereinbarung sei zwar gekündigt, aber unverändert gültig und gewährleiste einen „geordneten“ Betrieb. „Es ist vorgesehen, eine neue Vereinbarung zu treffen“, heißt es vage aus dem Rathaus, ohne einen Zeitplan zu nennen.
Stadt gibt Probleme zu
Die Stadt gibt zu, dass es wegen der „angespannten Personalsituation in Verbindung mit den täglich zu besetzenden Einsatzfunktionen“ beim Urlaubsmanagement und der Einlösung von Urlaubsansprüchen zu Problemen kommt. Ziel sei es, den Urlaubsanspruch der Einsatzkräfte zuverlässig sicherzustellen, ohne dabei die Einsatzbereitschaft zu gefährden.
Die Feuerwehrleitung, die in das Dezernat von Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) fällt, teilt die Einschätzung der Gewerkschaft, dass eine „angemessene finanzielle Anerkennung“ der Leistungen der Feuerwehrleute „dringend erforderlich“ ist, um im Konkurrenzkampf mit anderen Gebietskörperschaften zu bestehen. Konkrete Lösungen werden aber nicht genannt. Es gebe innerhalb der Verwaltungen einen „engen Austausch“, um nachhaltige Lösungen zu finden.
Auf dem besseren Schutz der Feuerwachen als Teil der kritischen Infrastruktur liege schon seit längerer Zeit „ein besonderer Fokus“. Ziel sei es, die Einsatz- und Handlungsfähigkeit der Feuerwehr Wiesbaden im Krisenfall dauerhaft sicherzustellen. Die Feuerwehr Wiesbaden befinde sich „in einer Phase des Wandels“ mit Herausforderungen für alle Mitarbeiter.