Die Stimmung ist gekippt: Europa sei nicht mehr ernstzunehmen, heißt es in Israel. Und höchstens noch gut, um etwas Geld beizusteuern. Das betrifft besonders Deutschland, das weiter versucht, mit seiner Moral zu punkten.
Er wird überall in Israel gefeiert, sein Konterfei ist omnipräsent: Donald Trump. Am Strand von Tel Aviv ist ein riesiges Trump-Profil zu erkennen. Daneben steht: „Thank you!“
Ausgerechnet er! Dabei war es der US-Präsident nicht allein. Vor allem die Golfstaaten dürften eine gewichtige Rolle bei der Aushandlung des Gaza-Friedensplans gespielt haben.
Eine Weltregion aber spielte keine Rolle: Europa. Der Pöbler und Populist Trump hat vollbracht, was die Softies aus Europa nicht ansatzweise vermochten. In meinen Gesprächen mit Regierungsvertretern in Israel und der arabischen Welt wird inzwischen ganz klar gesagt, dass Europa unbedeutend geworden ist. Und zwar schon seit mehreren Jahren.
Aber noch nie ist uns unsere Bedeutungslosigkeit so klar und offen vor Augen geführt worden wie jetzt, wenn im Nahen Osten vielleicht Weltgeschichte geschrieben wird und Europa nur zuschauen darf. Und für Deutschland – mit seiner besonderen Beziehung und Verpflichtung – gilt das besonders. Wer heute mit Israelis spricht, bemerkt schnell, dass sie Deutschland in der Regel nur aus dem Geschichtsunterricht kennen. Eine Zeit lang reisten junge Israelis in Scharen nach Berlin, vor allem um zu feiern. Selbst das ist vorbei. Heute will die israelische Jugend vor allem nach Dubai.
Zur Bedeutungslosigkeit kommt noch etwas anderes. Deutsche Politiker stellen unser Land gern als eine moralische Weltmacht dar: Klimaschutz geht über alles, der radikale Islam wird als liebenswerte Bereicherung missverstanden und „Degrowth“ gilt als Weg in die Zukunft. Nach den vergangenen zwei Jahren Nahostkrise kann man dazu nur feststellen: Mit unserer Moral ist es nicht weit her. Seit antisemitische, islamistische und linksradikale Mobs Seite an Seite durch die Straßen der großen europäischen Staaten zogen. Wer anderer Ansicht ist – oder gar jüdischen Glaubens – ist seines Lebens nicht sicher.
Ein arabischer Israeli sagte mir kürzlich, als er Bilder der „Freedom Flotilla“ sah, Greta Thunberg symbolisiere für ihn Europa: Nicht mehr ernstzunehmen. Und höchstens noch gut, um etwas Geld beizusteuern.
Es fügt sich in das zunehmende Gefühl einer grundsätzlichen Dysfunktionalität, die womöglich nicht nur vorübergehend, sondern grundsätzlich ist. Dahinter steht die große Systemfrage: Was, wenn unsere Demokratie nicht funktioniert? Wenn sie die Freiheiten, die sie verspricht – dass auch Minderheiten wie Juden in Europa sicher sind – nicht mehr einlösen kann? Wenn sie den Radikalen nachgibt? Wenn Probleme nicht mehr gelöst werden können?
Der Gaza-Krieg war nicht nur ein regionaler Einschnitt. Wir Europäer haben durch ihn eine Wirklichkeit gesehen, die uns zu denken geben muss.