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Frühgeburt hat Folgen weit über Kindheit hinaus

Etwa 10 % aller Geburten weltweit sind Frühgeburten. In den USA leben schätzungsweise 8 Millionen Erwachsene, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren wurden. Trotz verbesserter Überlebensraten besteht weiterhin die Fehleinschätzung, dass die Folgen der Frühgeburt nach der Kindheit abklingen. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch ein lebenslang erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, psychische Probleme und eine reduzierte Knochengesundheit.

Untersuchung von ehemaligen Frühchen über 35 Jahre hinweg

Während europäische Kohorten vielfach untersucht wurden, fehlten bislang Langzeitdaten aus den USA. Die vorliegende Untersuchung schließt diese Lücke: Erfasst wurden psychische und physische Gesundheitsparameter einer Kohorte, die zwischen 1985 und 1989 geboren wurde und nun 35 Jahre alt ist. Ziel war, Zusammenhänge zwischen frühkindlichem medizinischem Risiko, psychosozialen Schutzfaktoren und sozioökonomischem Status mit späteren Gesundheitsverläufen zu analysieren.

Aktuelle Auswertung der RHODE-Kohorte

Die RHODE (Rhode Island Cohort of Adults Born Preterm)-Studie verfolgte 158 frühgeborene und 55 termingeborene Erwachsene prospektiv über zehn Erhebungswellen. Zu den Einschlusskriterien für die Frühgeborenen zählten ein Geburtsgewicht unter 1.850 g sowie verschiedene neonatale Diagnosen. Kinder mit schweren Fehlbildungen oder sehr geringer Überlebenswahrscheinlichkeit wurden ausgeschlossen.

Die erhobenen Parameter umfassten:

•    Psychische Gesundheit: ASEBA (Achenbach System of Empirically Based Assessment)-Skalen zu internalisierenden (z. B. Angst, Depression) und externalisierenden   Symptomen.

•    Physiologie: Blutdruck, Lipidprofil, Glukosestoffwechsel (HbA1c, Glukose, Insulinresistenz).

•    Körperzusammensetzung: DEXA-Scan zur Bestimmung von Fettverteilung und Knochenmineraldichte.

•    Medizinischer Risikoscore: Neonataler und kindlicher Gesundheitsstatus bis zum 12. Lebensjahr.
 

Zentrale Ergebnisse zu psychischer und physischer Gesundheit von Frühgeborenen

Teilnehmende mit höherem frühkindlichem medizinischem Risiko zeigten im Alter von 35 Jahren:

•    Psychische Gesundheit: Deutlicher Anstieg internalisierender Symptome.

•    Kardiovaskulär-metabolische Parameter: Erhöhter systolischer Blutdruck, höhere Triglyzeride, niedrigere HDL-Cholesterinwerte.

•    Körperzusammensetzung: Höheres abdominales Fettverhältnis und signifikant reduzierte Knochenmineraldichte.

Soziale Schutzfaktoren und der sozioökonomische Status in der Kindheit zeigten in dieser Kohorte keinen signifikanten Einfluss auf diese Parameter. Die Ergebnisse stimmen mit internationalen Studien überein, erweitern jedoch die Evidenzbasis um US-spezifische Daten.

Mögliche Frühgeburt auch bei erwachsenen Patienten abfragen

Die Daten belegen, dass die möglichen Langzeitfolgen einer Frühgeburt nicht vernachlässigt werden sollten. Viele Haus- und Fachärzte fragen in der Anamnese nicht nach einer möglichen Frühgeburt, was zu verpassten Präventionschancen führt. Eine lebenslange Nachsorge mit Fokus auf Herz-Kreislauf-Gesundheit, Stoffwechsel, psychische Stabilität und Osteoporoseprävention ist angezeigt.

Ausblick und Forschungsbedarf

Als Beobachtungsstudie erlaubt die Kohortenstudie keine Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge. Daher sind weitere Studien notwendig. Weiterhin sollten spezifische Screening-Empfehlungen für Erwachsene mit Frühgeburtsanamnese entwickelt werden.