Brüssel. Die Waffen, die die Ukraine jetzt braucht, gibt es in Europa nicht. Die Waffenarsenale sind leer, die Lager in den Kasernen ebenso. In den USA dagegen liegen Raketen, Luftverteidigungssysteme und Munition in ausreichender Zahl bereit, wie US-Vertreter ihren europäischen Kollegen unmissverständlich zu verstehen gegeben haben. Es seien Waffen, die den Ukrainern lange Zeit eine erfolgreiche Verteidigung ermöglichen und die einen Unterschied auf dem Schlachtfeld machen könnten. „Das wird die Russen an den Verhandlungstisch bringen“, erklärte US-Nato-Botschafter Matthew Whitaker. Doch diese Waffen kosten Milliarden, und das Geld dafür soll aus Europa kommen.

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An diesem Mittwoch beraten die Verteidigungsminister in Brüssel über neue Hilfspakete für Kiew – zunächst im Nato-Kreis, dann im sogenannten Ramstein-Format mit allen Ukraine-Partnern. Ziel ist es, weitere Milliarden für den Kauf amerikanischer Waffen über den sogenannten PURL-Mechanismus (Prioritized Ukraine Requirements List) zu mobilisieren. Kiew hat eine lange, streng geheime Liste ausgearbeitet, die von den USA und der Nato verwaltet und zu Paketen geschnürt wird: ein jedes mit Waffen für rund 500 Millionen Euro. „Die Ukraine braucht sie, will sie, und wir müssen dafür sorgen, dass sie weiterhin geliefert werden“, so US-Botschafter Whitaker.

Der Botschafter der Vereinigten Staaten bei der Nato, Matthew Whitaker, winkt bei seiner Ankunft zu einem Treffen der Nato-Außenminister im Nato-Hauptquartier.Selenskyj: 1 Milliarden Euro Militärhilfe pro Monat

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft, dass Europa jeden Monat eine Milliarde Dollar für den Kauf amerikanischer Waffen bereitstellt. Insgesamt haben sechs Nato-Staaten bislang vier PURL-Pakete im Gesamtwert von über zwei Milliarden Dollar finanziert: die Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden, Deutschland und Kanada. Das erste Paket wurde bereits ausgeliefert, das zweite ist unterwegs. Im Nato-Hauptquartier könnte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch das dritte Paket im Umfang von 500 Millionen Euro offiziell verkünden, das von Deutschland finanziert wird. Die Gespräche zu den enthaltenen Waffen, den genauen Kosten und dem Lieferzeitraum an die Ukraine befinden sich in der Endphase. Kanada hat das vierte Paket angekündigt, Nummer fünf kommt von Litauen, Lettland, Estland, Luxemburg, Belgien und Island.

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„Die Initiative funktioniert und leistet sehr aktive Hilfe“, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Mit diesem Mechanismus könne Kiew US-Waffen wie etwa Raketen für das Luftverteidigungssystem Patriot oder für den Raketenwerfer HIMARS kaufen.

Allerdings gibt es Finanzierungsschwierigkeiten: Schon ab Pakete Nummer 6 fehlt das Geld. Die Finanzierungslücke beträgt mindestens 3 Milliarden Euro. Für die Ukraine-Verbündeten ist das Instrument neu und in vielen Regierungen gibt es Widerstand, Waffen im großen Stil in den USA statt in Europa zu beschaffen. Frankreich etwa tut sich schwer mit dem Gedanken, amerikanische Waffen zu kaufen, statt die eigene Industrie zu stärken. Spanien und Italien verweisen auf Haushaltszwänge, Großbritannien hält sich bisher ebenfalls zurück. „Ich möchte diejenigen ermutigen, die sich noch nicht an den Hilfspaketen beteiligt haben, dies jetzt zu tun“, so US-Botschafter Whitaker. Dieser Krieg müsse ein Ende haben.

Europäisches Geld für die US-Rüstungsindustrie

In Brüssel weiß man, dass der Kauf in Amerika ein Dilemma ist: Jeder Euro, der über den Atlantik geht, fehlt beim Ausbau einer europäischen Verteidigungsindustrie. Doch die so dringend in der Ukraine benötigten Waffen sind in Europa nicht verfügbar und die europäische Rüstungsindustrie in den nächsten Jahren auch nicht in der Lage, diese zu produzieren. Dies liegt entweder an der erforderlichen langen Vorlaufzeit oder daran, dass die Technologie oder das Wissen über die Technologie in Europa schlichtweg fehlt. So sehen die Europäer keine andere Wahl, als zähneknirschend US-Waffen zu kaufen.

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Laut einer Analyse des Kiel Instituts für Weltwirtschaft ging die Militärhilfe für die Ukraine im Juli und August 2025 trotz der Einführung der Nato-Initiative PURL stark zurück. Sie lag 43 Prozent unter den Hilfslieferungen im ersten Halbjahr des Jahres. Forschungsdirektor Christoph Trebesch zeigte sich überrascht. Entscheidend werde jetzt sein, wie sich die Zahlen im Herbst entwickeln. Er betont: „Da die militärische Unterstützung der Ukraine zunehmend auf neuen Rüstungsbeschaffungen basiert – deren Umsetzung oft Monate oder Jahre dauert – ist die Nato-PURL-Initiative ein wichtiges Vehikel, um die Ukraine kurzfristig mit einsatzbereiten Waffen aus US-Beständen zu versorgen.“