Der Streit im Leonhardsviertel verschärft sich: Die Bezirksvorsteherin stellt sich vor die Uhu-Bar – Anwohner werfen ihr deshalb „Ungleichbehandlung“ vor. Es kommt zum Eklat.

Im Stuttgarter Leonhardsviertel prallen die Interessen von Anwohnern und Gastronomen heftig aufeinander. Wie festgefahren die Situation ist und wie sehr die Emotionen hochkochen, hat sich am Montagabend im Bezirksbeirat Stuttgart-Mitte gezeigt. Wirte erklären, sie fürchteten um ihre Existenz. Sie werfen der Stadtverwaltung „Ungleichbehandlung“ und „Untätigkeit“ im Umgang mit der Altstadt vor.

Als Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) das Thema in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung verlegt und weitere Wortmeldungen aus dem Publikum unterbindet, kommt es zum Eklat. Die Altstadt-Gastronomen Deniz Sever, Jusuf Oksaz und Bordellbetreiber John Heer verlassen wütend den Sitzungssaal. „So geht man also mit Bürgern um, wenn sie die Wahrheit aussprechen“, ruft einer aus dieser Gruppe beim Hinausgehen.

„Uhu-Bar wird vom Erfolg überrannt“

Kienzle stellt sich hinter die Betreiber der von Nachbarn heftig kritisierten Uhu-Bar, wie sie unserer Redaktion am Dienstag erklärt. Sie mahnt aber die Betreiber zugleich zur Disziplin. „In der Uhu-Bar trifft sich die junge kreative Szene, wie wir sie uns wünschen für das Viertel“, sagt die Bezirksvorstehern. Das Konzept sei gut. „Das Team wurde vom Erfolg überrannt“, erklärt die Grüne und stellt klar: „Nachts darf die Straße nicht blockiert werden, man muss sich an die Regeln halten, auch was den Lärm betrifft.“

Die Bezirksvorsteherin erinnert an ähnliche Auseinandersetzungen rund um den Hans-im-Glück-Brunnen. Dort sei es im Sommer ebenfalls lebhaft, ohne dass es eskaliere. „Das Ziel muss sein, städtisches Leben im Viertel zuzulassen, ohne dass es zum Ärgernis wird“, so Kienzle.

Dutzende Menschen in und vor der Bar

Anwohner und Geschäftsleute sehen das jedoch anders. Immer häufiger versammelten sich nachts Dutzende Menschen nicht nur in, sondern auch vor der Bar. Stühle und Stehtische stehen dann nicht nur auf dem Gehweg, sondern auch auf der Fahrbahn – die eigentlich für Autos, Rettungsfahrzeuge und Lieferdienste freibleiben müsste.

In manchen Nächten ist die Uhu-Bar geradezu belagert. Foto: privat

„Alles läuft aus dem Ruder“, heißt es in einem Beschwerdebrief der Anwohner an die Stadt. Während in allen Bars des Leonhardsviertels ein Tanzverbot bestehe, mache die Uhu-Bar regelmäßig ihre DJ-Abende, ohne dass die Stadt einschreite. Obendrein werde das Obergeschoss, also der ehemalige Laufhaus-Stock mit den Zimmern der Prostitutieren, für Veranstaltungen genutzt. „Für Gastronomie ist das obere Stockwerk nicht zugelassen“, erklärt Veronika Kienzle, „man braucht dafür eine Sondergenehmigung.“

Konkurrenz und Frust

Deniz Sever von der benachbarten Feinkostbar L’Hommage beobachtet regelmäßig, wie junge Leute mit Getränken vom Supermarkt vor der Uhu-Bar feiern – die leeren Flaschen blieben dann zurück. „Das ufert aus“, sagt sie.

Die „Ungleichbehandlung im Viertel“ sorge dafür, „dass unsere Existenz auf dem Spiel spielt“. Sehr traurig und nicht hinnehmbar sei es, dass sich zwei Fronten im Leonhardsviertel gebildet hätten.

Zwischen Aufbruch und Altlasten

Bezirksvorsteherin Kienzle dagegen sieht in der Entwicklung des Viertels Chancen. Sie lobt den Neustart des Kado (früher Puf) am Leonhardsplatz, das bereits am frühen Abend die Altstadt belebt, nicht erst zu später Nachtstunde, und nennt die Weinstube Fröhlich als Beispiel dafür, wie lebendige Gastronomie ohne Lärmbeschwerden funktionieren könne.

Langfristig will die Stadt das Leonhardsviertel umgestalten – mit Ziel, die Prostitution nach und nach zu verdrängen. Der vom Gemeinderat beschlossene Bebauungsplan dafür sei zwar rechtlich schwierig und ziehe sich hin, ist für Kienzle aber „notwendig“.

Das Leonhardsviertel bleibt damit ein Ort zwischen Aufbruch und Altlasten, zwischen Nachtleben und Nachtruhe. Die Stadt kündigt an, künftig genauer zu prüfen, ob sich alle an die Auflagen halten.