Lange Zeit spielte der amerikanische Staat vornehmlich die Rolle des Schiedsrichters – nun wird er wieder zum Akteur. In den vergangenen Wochen ist die US-Regierung in das Kapital mehrerer als strategisch eingestufter Unternehmen eingestiegen und verabschiedet sich damit demonstrativ von der lange gepflegten Ideologie des liberalen Laissez-faire. Dieser bewusste Kurswechsel, getragen von geopolitischen und industriepolitischen Erwägungen, stößt an den Finanzmärkten bislang nicht auf Ablehnung – im Gegenteil.

Ein ideologischer Wendepunkt?

Die Vereinigten Staaten – lange als Hochburg des freien Marktes und des Minimalstaats betrachtet – haben jüngst substanzielle Beteiligungen an mehreren Unternehmen übernommen. Am prominentesten ist der Einstieg mit 10 % bei Intel, dem führenden US-Chiphersteller. Gleichzeitig treibt Washington den Rückgewinn von Kontrolle über kritische Lieferketten voran. Dazu zählen Beteiligungen an Unternehmen im Rohstoffsektor, um sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen:
MP Materials (Seltene Erden): 15 % Beteiligung durch das Pentagon
Lithium Americas (Lithium-Vorkommen in Nevada): 5 %
Trilogy Metals (Polymetalle in Alaska): 10 %

Weitere Gespräche laufen mit USA Rare Earth und Critical Metals. Im Stahlsektor wiederum hat Washington einem Verkauf von U.S. Steel an Nippon Steel nur unter der Bedingung zugestimmt, dass dem japanischen Käufer ein Vetorecht für US-Entscheidungen, Investitionen in Höhe von 11 Milliarden US-Dollar sowie eine staatliche Überwachung der Aktivitäten auferlegt werden.

Ein Bruch mit der Vergangenheit

Der aktive Einstieg des Staats als Aktionär markiert einen historischen Bruch. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die US-Regierung traditionell zurückgehalten, wenn es um direkte Beteiligungen an Unternehmen ging. Selbst in Krisen – etwa bei der Chrysler-Rettung in den 1980ern oder der Finanzkrise 2008 – griff man bevorzugt zu temporären Krediten, Bürgschaften oder vorübergehenden Verstaatlichungen. Nach der Stabilisierung zog sich der Staat zügig zurück.

Dieses Verhalten war Ausdruck eines tief verankerten Bekenntnisses zum Wirtschaftsliberalismus, das besonders unter Ronald Reagan zementiert wurde: Der Staat sollte regulieren, schützen oder lenken – aber nicht führen. Entsprechend selten waren direkte Kapitalbeteiligungen. Selbst bei der Verstaatlichung von General Motors oder AIG im Jahr 2009 handelte es sich um zeitlich begrenzte Notmaßnahmen.

Neue Realität, neue Doktrin

Doch die geopolitische Lage hat sich gewandelt. China und andere Schwellenländer dominieren heute den Markt für seltene Erden und strategische Metalle. Gleichzeitig eskalieren die Technologiekonflikte – etwa durch Exportbeschränkungen auf Hochleistungs-Chips.

Schon unter Donald Trump wurde der strategische Schwenk eingeleitet – mit Initiativen wie dem CHIPS Act, der die Halbleiterproduktion zurück in die USA holen soll, oder dem Defense Production Act, der es der Regierung erlaubt, in Krisenzeiten industrielle Kapazitäten gezielt in strategische Sektoren zu lenken.

Reaktion der Märkte: Zustimmung statt Skepsis

Die jüngsten Staatsbeteiligungen wurden von den Finanzmärkten mit Begeisterung aufgenommen:
Lithium Americas legte um 65 % zu
Trilogy Metals stieg um über 250 %
Intel hat sich seit August im Kurs verdoppelt

Diese Kursreaktionen deuten darauf hin, dass Investoren die staatliche Präsenz nicht als Kontrolle, sondern als Schutz verstehen – ein Garant für Stabilität und strategische Unterstützung.

Natürlich verändert ein politischer Großaktionär die Unternehmensstruktur. Beteiligte Firmen müssen sich künftig mit einem Anteilseigner auseinandersetzen, der mitunter Vetorechte besitzt oder nationale Interessen über die Renditeziele privater Investoren stellt.

Kurzfristig wirkt diese neue Realität beruhigend auf die Märkte. Langfristig jedoch könnte sie bestehende Prioritäten infrage stellen. Wie weit die Trump-Administration tatsächlich in das Unternehmensgeschehen eingreifen will, bleibt derzeit unklar. Zu viel staatlicher Einfluss birgt die Gefahr, private Kapitalgeber abzuschrecken – ein Effekt, den Europa in den vergangenen Jahrzehnten zu spüren bekam.

Kapitalismus im Wandel?

Ob sich die Vereinigten Staaten dauerhaft in Richtung eines „hybriden Kapitalismus“ bewegen, bleibt offen. Weitere Beteiligungen des Staats erscheinen durchaus wahrscheinlich – doch die langfristigen Folgen für Governance, Wettbewerb und Investitionsklima lassen sich heute schwer abschätzen. Sicher ist nur eines: Die US-Regierung will nicht mehr nur regulieren, sondern aktiv mitgestalten – und zum Mitarchitekten der industriellen und technologischen Zukunft des Landes werden.