Boris Johnson hat eine tragende Rolle im Ukrainekrieg gespielt. Er soll maßgeblich dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im Frühjahr 2022 platzten. So soll der damalige britische Premierminister kurz nach den Verhandlungen in Istanbul nach Kiew geflogen sein, um die Ukrainer weiter zum Kämpfen zu bewegen, obwohl die ukrainische Regierung bereits einem Waffenstillstand und dem Verzicht auf einen Nato-Beitritt zugestimmt hatte. „Als wir aus Istanbul zurückkamen, kam Boris Johnson nach Kiew und sagte, dass wir überhaupt nichts unterschreiben und einfach kämpfen sollten“, sagte Dawyd Arachamija, Fraktionsvorsitzender der Selenskyj-Partei Diener des Volkes, im November 2023 in einem TV-Interview.
Nun werden Vorwürfe laut, die ein Licht auf mögliche Interessen von Johnson im Ukrainekrieg werfen. Wie die britische Zeitung The Guardian berichtet, hat Johnson vor einem Jahr die größte Spende eines Unternehmers erhalten, die in Großbritannien jemals ein Politiker bekommen hat. Sie stammte von dem britischen Oligarchen Christopher Harborne, der sein Geld mit Kryptowährungen, Tankstellen und Wellness-Centern gemacht hat – aber auch durch die Beteiligung an drei Rüstungskonzernen. Harborne spendete Johnson eine Million Pfund, kurz nachdem dieser sein Amt als Premierminister im September 2022 niedergelegt hatte.
Britischer Rüstungskonzern stattet ukrainische Armee aus
Harborne begleitete Johnson im September 2023 zu einem hochkarätig besetzten Sicherheitsgipfel, dem Yalta European Strategic Form (Yes), in Kiew. Diese Information hat der Guardian aus vertraulichen E-Mails aus Johnsons Privatbüro erhalten. Die Zusammenarbeit der beiden wird deshalb brisant, weil Harbone der größte Anteilseigner des britischen Waffenherstellers QinetiQ ist, der die ukrainische Armee mit Robotern und Drohnen ausstattet. Dem Medienbericht zufolge nutzen die ukrainischen Streitkräfte die Banshee-Drohnen und Bombenentschärfungsroboter des Unternehmens. Im April 2025 kündigte das britische Verteidigungsministerium an, dass QinetiQ das ukrainische Militär bei der Herstellung von Ausrüstung mit 3D-Druckern unterstützen werde. Johnson war und ist einer der energischsten europäischen Politiker, die Waffenlieferungen an die Ukraine fordern. Hat der frühere Premier Geld von einem Rüstungshersteller genommen, um lukrative Aufträge in der Ukraine einzufädeln?
Johnson habe die Reise nach Kiew einen Monat später in einem Brief erwähnt, der mit seiner Unterschrift vom 23. Oktober 2023 versehen ist: „Ich schreibe, um Christopher Harborne zu unterstützen“, schreibt Johnson. „Er ist sowohl ein Freund als auch ein Unterstützer meines Amtes … Er begleitete mich kürzlich auf einer Reise in die Ukraine, und ich kenne ihn als leidenschaftlichen Gegner des Putin-Regimes.“
Einer veröffentlichten Teilnehmerliste zufolge mischten sich auf der Konferenz ukrainische Minister, Geheimdienstchefs und Militärchefs unter ausländische Diplomaten, Politiker, Industrielle und Führungskräfte. Auf Fotos ist Johnson unter anderem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sehen. Die Organisatoren des Yes-Treffens, an dem die beiden in Kiew teilnahmen, sagten, Harborne sei als „Berater des Büros von Boris Johnson“ registriert gewesen. Auf Nachfragen des Guardian reagierte Johnson bemerkenswert. Der Guardian verfolge eine „erbärmliche Nicht-Geschichte“, deren Informationen „scheinen größtenteils aus einer illegalen russischen Hacker-Affäre zu stammen. Sie sollten sich schämen.“ Johnson habe hinzugefügt: „Warum ändern Sie Ihren Namen nicht einfach in Prawda? Ihre Geschichten sind Blödsinn, und Sie machen Putins Arbeit.“
Spende an Johnson sollte „aktive Teilnahme an britischer Mainstream-Politik ermöglichen“
Harborne betreibt bereits seit Jahren politische Landschaftspflege. Wie der Guardian berichtet, spendete er zehn Millionen Pfund an Nigel Farages Brexit-Partei – heute Reform UK – und eine Million Pfund an die Konservativen, während Johnson den Austritt Großbritanniens aus der EU abschloss. Johnson scheine diese vorteilhaften Beziehungen während seiner Amtszeit in der Downing Street 10 gepflegt zu haben. Harborne habe den Landsitz des britischen Premiers Chequers während Johnsons Amtszeit mindestens zweimal aufgesucht. Einmal sei er mit dem Hubschrauber zum Premierministertreffen angereist. Das zweite Mal habe er im August 2022 an einem Barbecue für Tory-Großspender teilgenommen. Johnsons Amtszeit war wenige Tage später vorbei, doch seine Beziehung zu Harborne blieb bestehen, und die persönliche Spende von einer Million Pfund folgte.