Eine Flagge der NATO vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel

Stand: 15.10.2025 07:17 Uhr

Beim heutigen Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel dürfte ein Thema wieder im Mittelpunkt stehen: Die aus US-Sicht zu niedrigen Rüstungsausgaben der Europäer. Auch Vereinbarungen zur Ukraine-Unterstützung bergen Zündstoff.


Helga Schmidt

Wenn Amerikas Verteidigungsminister nach Brüssel ins NATO-Hauptquartier kommt, ist er immer ein besonderer Gast. Er kommt aus dem mächtigsten Mitgliedsland und ist für die meisten immer noch der wichtigste Alliierte. Das hat sich unter Donald Trump nicht wesentlich geändert. Geändert hat sich, dass der US-Verteidigungsminister jetzt Kriegsminister genannt werden möchte.

Nicht nur darin unterscheidet Pete Hegseth sich von seinen Vorgängern. Offensiv bis aggressiv wirkt sein Auftreten gegenüber den Partnern, kompromisslos seine Sprache. Das hat die Stimmung verändert. Die Europäer rechnen damit, dass Hegseth auch beim heutigen Treffen wieder eine Menge Druck machen wird.

Spanien zieht Trumps Ärger auf sich

Das Pochen auf Umsetzung der Beschlüsse vom letzten NATO-Gipfel in Den Haag ist da noch einer der weniger dramatischen Konfliktpunkte. 3,5 Prozent der Wirtschaftskraft für direkte Rüstungsausgaben plus 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur, das hatte man vereinbart. Die Europäer seien auch auf dem Weg dahin, bekräftigte NATO-Generalsekretär Mark Rutte kurz vor dem Treffen. Allerdings in unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Am weitesten entfernt vom Rüstungsziel ist Spanien, Ministerpräsident Sanchez stellt sich quer. Schon in Den Haag hatte er nur pro forma zugestimmt und danach mehrfach erklärt, dass er die gewünschte Aufrüstung nicht mitmachen wird. Was ihm vor einer Woche eine persönliche Drohung aus Washington einbrachte: „Vielleicht sollte man die aus der NATO werfen“, sinnierte Donald Trump. In der Haut des spanischen Verteidigungsministers möchte jetzt beim Treffen in Brüssel niemand stecken, heißt es bei der NATO.

Ein Angebot, das die Europäer ablehnen

Auch die Frage nach der Zukunft der Militärhilfe für die Ukraine enthält einigen Zündstoff, auch da kann Hegseth sich auf getroffene Vereinbarungen berufen. Die USA hatten zugesagt, weiter Waffen für die Ukraine zur Verfügung zu stellen – aber nur, wenn die Europäer sie bezahlen.

Einkaufen bei US-Rüstungskonzernen, das gefällt allerdings nicht allen europäischen Regierungen. Unpopulär ist der Gedanke vor allem in Frankreich, aber auch andere große EU-Länder halten sich zurück. Nicht mal Großbritannien, sonst enger Partner für Washington in Verteidigungsfragen, hat bisher beim Angebot „buy american“ zugegriffen.

Wenig Interesse an US-Waffen

Dabei hatte US-Präsident Trump im Juli zusammen mit NATO-Generalsekretär Rutte ein eigenes Programm für die neue Lastenteilung aufgelegt, die „Priorisierte Anforderungsliste für die Ukraine“ (PURL). Auf der Liste stehen Waffen aus amerikanischer Produktion, die Europäer sollten sie für die Ukraine kaufen. Bisher ist die Gruppe der Interessenten überschaubar.

Deutschland und die Niederlande haben jeweils Waffen im Wert von 500 Millionen Dollar gekauft, die skandinavischen Länder haben sich zusammengetan und für rund 500 Millionen bestellt. Andere Alliierte halten sich zurück. Sie können davon ausgehen, so heißt es bei der NATO, dass der Pentagon-Chef sie an die Vereinbarung mit dem Namen PURL (Prioritized Ukraine Requirements List) erinnern wird.

Schwäche im Luftraum offenbart

Weniger Konflikte werden beim Thema Drohnenabwehr erwartet. Hier sind sich die meisten Alliierten einig, dass es Nachholbedarf gibt. Das Bündnis sah nicht besonders gut aus bei den Luftraumverletzungen durch russische Drohnen in den vergangenen Wochen. „Wir lernen immer etwas aus Fehlern“, konstatierte der Oberkommandierende der alliierten Truppen in Europa, US Airforce General Alexus Gynkewich, schon nach den ersten Drohnenflügen über Polen.

Viel zu aufwändig, viel zu teuer, so lautete eine der Lehren, die man zog. Zum Teil mussten große Kampfflugzeuge mit teuren Raketen gegen relativ schlichte und kostengünstige russische Drohnen eingesetzt werden, das soll sich ändern.

Unterstützung kommt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie schlägt den EU-Regierungen vor, zusammen eine Drohnenmauer zu errichten. Das Ziel: ein europäisches System für eine schnelle und wirksame Abwehr russischer Drohnen. Konkretes werden die Verteidigungsminister aus den EU-Ländern am Abend erfahren – dann aber nicht mehr im NATO-Hauptquartier, sondern im Ratsgebäude im Brüsseler Europaviertel.

Helga Schmidt, ARD Brüssel, tagesschau, 14.10.2025 18:00 Uhr