Ein Mann aus Heilbronn wird seine erste Fahrt durch den Schwabtunnel wohl nicht so schnell vergessen. Mit seinem Mercedes Vito ist er am Mittwochvormittag am Schickhardt-Gymnasium links in die Schwabstraße eingebogen. Immer wieder wandert der Blick des ortsunkundigen Fahrers zwischen der Fahrbahn und dem Navigationsgerät hin und her. „Auf der Suche nach einem Architekturbüro in Stuttgart-West“, sagt er.

Der Vito-Fahrer übersieht das Schild, das an der Abzweigung auf das Überholverbot im Tunnel hinweist und zieht wenig später an einem Radfahrer vorbei. Selbst der laute Brummton, den das Überfahren der Markierungsnägel auf der durchgezogenen Linie erzeugt, hält ihn nicht ab. Wenige Meter nach Verlassen des Tunnels stoppen ihn Beamte der Verkehrspolizei. „Das hätte ich mir sparen können. Aber so lernt man das ganze Leben“, sagt der Mann, der sich einsichtig zeigt. Ihn erwartet ein Bußgeld von 70 Euro und ein Punkt.

Es ist die erste Kontrolle im Schwabtunnel, seit die Stadt Stuttgart im vergangenen September drei Sofortmaßnahmen ergriffen hat, um dort die Sicherheit von Radfahrern zu erhöhen. Neben den Markierungsnägeln wurden Fahrrad-Piktogramme auf dem Asphalt aufgetragen. Außerdem gilt Tempo 30. Die Zahl der Unfälle aufgrund verbotener Überholmanöver war dafür nicht ausschlaggebend. Seit Anfang 2019 ist es exakt zu einem Zusammenstoß gekommen. Am 1. Juni dieses Jahres wurde ein 36 Jahre alter Radfahrer vom Mercedes eines 80-Jährigen touchiert und leicht verletzt. Vielmehr waren massive Beschwerden von Radfahrern der Anlass. Sie hatten sich in dem Tunnel nicht sicher gefühlt. Verschiedene Interessenverbände wie der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) forderten daraufhin die Einrichtung einer Umweltspur in Richtung Stuttgart-West und somit die Sperrung der Fahrspur für den motorisierten Individualverkehr. Aus Sicht von Politikern wie dem FDP-Landtagsabgeordneten Friedrich Haag hält die Diskussion rund um den Schwabtunnel als gefährlicher Abschnitt indes den Fakten nicht stand.

Nach seinem verbotenen Überholmanöver wird der Heilbronner Autofahrer von der Polizei gestoppt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Am Mittwochvormittag missachteten innerhalb von zwei Stunden drei Autofahrer das Überholverbot. „Bei früheren Kontrollen waren es erfahrungsgemäß etwa fünf Verstöße pro Kontrolle“, sagt Polizistin Aurelia Hildebrandt, die seit der Gründung im Jahr 2015 dauerhaft bei der Fahrradstaffel im Einsatz ist. Obwohl die Kontrollen im selben Zeitraum stattfanden, sind die Zahlen nicht repräsentativ, schließlich handelt es sich um eine Stichprobe. „In der subjektiven Wahrnehmung hat sich die Situation verbessert. Ich hoffe, dass die Maßnahmen der Stadt etwas bringen“, sagt Hildebrandt. Kritische Situationen habe sie in den vergangenen Jahren nicht beobachten können. „Wenn überholt wurde, dann mit einem großen Bogen. Ich habe hier noch nie einen Unfall aufgenommen“, sagt die Beamtin.

Christian Stratmann, der von dem Heilbronner Mercedes-Fahrer überholt worden ist, fährt täglich mit seinem E-Bike durch den Schwabtunnel. „Der Großteil der Verkehrsteilnehmer bleibt hinter einem. Man wird nicht oft überholt, aber es kommt schon vor. Dann aber meist mit genug Abstand“, sagt der 25-Jährige, der sich selten bedrängt fühlt. Auch an Julia Heim ist am Mittwochvormittag ein Auto vorbeigefahren. Früher habe das Verbot niemand interessiert, jetzt habe sich die Situation schon verbessert. „Es bleibt aber ein schwieriger Abschnitt.“

Man werde auch an anderen Stellen in der Stadt verbotswidrig überholt, so die 37-Jährige. Aber im Schwabtunnel wirke alles ein bisschen enger. Sie habe dort schon einmal eine gefährliche Situation erlebt und kenne auch Radfahrer, bei denen es schon zu verbalen Auseinandersetzungen mit Autofahrern gekommen sei. Zugleich versteht sie auch ein Stück weit die andere Seite. „Bei dem Verkehr in Stuttgart sind viele Autofahrer hochgradig gestresst. Es ist eine Stadt, die für sie sehr anstrengend ist. Wie eine gute Lösung aussieht, weiß Julia Heim nicht. „Ich nehme aber wahr, dass die Stadt versucht, etwas zu verbessern.“