
Der britische Ex-Premier Tony Blair soll in Donald Trumps Friedensgremium für den Nahen Osten eine tragende Rolle spielen. Tatsächlich ist er mit der Region eng verbunden – aber nicht nur im positiven Sinn.
Als US-Präsident Donald Trump sein Friedensgremium „Board of Peace“ ankündigte und dabei den Namen des britischen Ex-Premiers Tony Blair nannte, fing die BBC spontan Reaktionen von aktuellen Parlamentariern aus Blairs Labour-Party beim Parteitag ein. Das Bild – gemischt.
Eine Abgeordnete fühlte sich „beim Einsatz von Blair in Gaza an Kolonialismus erinnert“. Ein anderer betonte, Blair habe viel Nahost-Erfahrung, er könne ihm nur viel Glück wünschen.
Immer wieder für Vermittlung angeboten
Dass sich Tony Blair seit Jahren immer wieder bei US-Präsidenten – ganz gleich welch politischer Couleur – wegen einer Rolle im Nahen Osten anbietet, ist bekannt. Im August nahm er an einem Treffen mit Trump im Weißen Haus teil, um die Pläne für das Gebiet zu besprechen.
Laut Berichten des Economist und israelischer Medien könnte Blair die Leitung einer Organisation namens „Gaza International Transitional Authority“ übernehmen. Sie würde ein UN-Mandat anstreben, um für fünf Jahre die „höchste politische und rechtliche Autorität“ Gazas zu sein. Der Plan würde sich an den internationalen Verwaltungen orientieren, die den Übergang Osttimors und des Kosovos zur Eigenstaatlichkeit überwachten.
Nordirland-Abkommen erfolgreich verhandelt
Dass der inzwischen 72-jährige Blair sich für diese Aufgabe berufen fühlt, dürfte daran liegen, dass er sich seit seiner maßgeblichen Beteiligung am Karfreitagsabkommen in Nordirland als Friedensstifter betrachtet.
Damals wurde Blair mit Lorbeeren für sein diplomatisches Verhandlungsgeschick überhäuft, als er mit dem irischen Premier Bertie Ahern und US-Präsident Bill Clinton den Friedensprozess in Nordirland in trockene Tücher brachte. Und jetzt würde Blair unter US-Präsident Donald Trump offenbar gerne einen ähnlichen Erfolg wiederholen.
Nahost-Erfahrung hat Blair, denn nachdem er 2007 als Premierminister zurückgetreten war, wurde er direkt zum Sondergesandten für den Nahen Osten ernannt, im Auftrag des damaligen Nahost-Quartetts – bestehend aus den USA, EU, UN und Russland. Seine Aufgabe: Im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln.
Auch private Geschäftsinteressen
Doch Blair geriet zunehmend in die Kritik. Auch, weil er nebenbei über seine weltweit agierende Beratungsfirma Tony Blair Institute for Global Change private Geschäftsinteressen im Nahen Osten verfolgte.
Als Blair sich 2015 zurückzog, hatte er nicht viel erreicht. Doch BBC-Journalist James Landale, der als Diplomatie-Experte Tony Blairs Wirken seit Jahrzehnten beobachtet, sieht bei ihm durchaus viele Pluspunkte für die Aufgabe.
Er ist der einzige frühere westliche Regierungschef, der das Vertrauen der Amerikaner genießt, das Vertrauen der Golfstaaten, und der überhaupt eine Art von Beziehung zu den Palästinensern hat.
BBC-Journalist James Landale
Der BBC-Journalist schränkt ein, inwieweit die Palästinenser ihm vertrauen, sei unklar. Sie fühlten sich damals, als er Sonderbeauftragter war, benachteiligt. Aber Blair erfülle viele Kriterien für solch eine Aufgabe. Nach einem Sondierungstreffen am Wochenende in Jordanien scheint der Ex-Premier aber jetzt die Palästinensische Autonomiebehörde für sich gewonnen zu haben.
Hussein al-Scheich, palästinensischer Vizepräsident, erklärte, man wolle mit Trump und Blair zusammenarbeiten.
Vergangene Woche hatte der Justizminister der Palästinensischen Autonomiebehörde Blairs Beteiligung noch mit harschen Worten kritisiert: „Ist das der unabhängige palästinensische Staat, den wir anstreben? All diese jahrelangen Kämpfe – nur damit Herr Blair, der in London, Großbritannien und im Irak gescheitert ist, kommt und – bei allem Respekt für Herrn Blair – unser Vormund ist, als wären wir minderjährig?“
Beteiligung am Irak-Krieg
Die Beteiligung der Briten am Irak-Krieg an der Seite der USA ohne Mandat der Vereinten Nationen – das ist der wohl dunkelste Fleck in Blairs politischer Karriere. 2016 kam ein Untersuchungsausschuss zu dem Ergebnis, dass der Krieg überflüssig und vermeidbar gewesen sei.
Doch Blair beharrt bis heute, dass die Entscheidung dafür richtig war, angesichts der von den USA damals vorgelegten Indizien für Massenvernichtungswaffen im Irak. Diese wurden allerdings nie gefunden.
Zwar beendeten die Alliierten die Herrschaft von Machthaber Saddam Hussein, doch sie ließen ein Land im Chaos zurück. Blairs Vergangenheit mit dem Irak-Krieg dürfte für Trump im Augenblick nicht so wichtig sein, vermutet Diplomatie-Experte James Landale: Er ist überzeugt, dass der US-Präsident einen „Dealmaker“ suche, der ihm das Problem in Nahost löst.
Dabei betont Landale Blairs Geschick, mit strategischen Mehrdeutigkeiten umzugehen, die Verhandlungsparteien Raum lasse, die Dinge, die auf dem Tisch liegen, in ihrem Sinne zu interpretieren. Angesichts der vielen offenen Fragen und Leerstellen mit Blick auf den 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten könnte das sehr hilfreich sein.
Trumps leise Zweifel
Doch wie Donald Trump nun einmal ist, zeigte er am Montag beim Anflug auf Tel Aviv zum Auftritt in der israelischen Knesset doch auch leise Zweifel, ob Blair wirklich der Richtige sei. Er möge Tony, sagte er zu Journalisten. Er müsse aber doch noch mal prüfen, ob er für alle Beteiligten akzeptabel sei.
Sollte nun tatsächlich ein Brite wieder einen Verwaltungsposten in der Region übernehmen, lenkt das den Blick auf die besondere Vergangenheit, die Großbritannien und den Nahen Osten verbindet. 1922 erhielt die britische Regierung vom Völkerbund das Mandat, Palästina zu verwalten.
In der Balfour-Erklärung hatte London versprochen, den Juden aus aller Welt in der Region eine Heimat zu errichten. Als die jüdische Bevölkerung wuchs und die Spannungen zwischen jüdischer und arabischer Bevölkerung zunahmen, gaben die Briten 1947 ihr Mandat zurück an die Vereinten Nationen. 1948 wurde dann der Staat Israel gegründet.
