Seit Beginn seiner Präsidentschaft kultiviert Wladimir Putin sein Image als vitaler, stets leistungsfähiger Staatschef. Seine sportlichen Aktivitäten werden in russischen Staatsmedien regelrecht inszeniert. So wurde er gern dabei gezeigt, wie er bei den Schaulauf-Eishockeyspielen mehrere Tore erzielt oder auf der Judomatte Siege erkämpft. Vielen sind noch die Bilder in Erinnerung geblieben, als Putin mit Muskelshirt oder nacktem Oberkörper auf einem Pferd durch die sibirische Landschaft reitet. „Der Präsident bleibt immer auf dem Höhepunkt der Konzentration, selbst wenn er nur wenige Stunden pro Nacht schläft“, versicherte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow neulich. Bereits 2022 erklärte der Kreml die Gesundheit Putins zur Frage der nationalen Sicherheit. Nach außen hin muss der Präsident den Eindruck einer perfekten Gesundheit erwecken. Selbst kleinste Anzeichen von Schwäche werden verschleiert. Im November 2022, beim „Tag der nationalen Einheit“, humpelte Putin deutlich. In der offiziellen TV-Übertragung waren diese Bilder herausgeschnitten.
Hirschgeweihe gegen das Altern
Zum 70. Geburtstag des Präsidenten veröffentlichte das unabhängige russische Exil-Medium Projekt eine Recherche, die zeigt, dass Putin auf Reisen immer von einem Team aus fünf Fachärzten begleitet wird. Dies geht aus Verträgen über Hotelunterbringungen hervor. Die investigativen Journalisten von Projekt fanden zudem heraus, dass Putin sich für alternative Heilmethoden interessiert. Dazu gehören regelmäßige Kuren im Altai, wo er Bäder mit Extrakten aus Maral-Hirschgeweihen nimmt. Diese sollen das Herz- und das Immunsystem stärken und eine verjüngende Wirkung haben. Die Gewinnung des Extrakts gilt als äußerst grausam: Die Tiere werden fixiert, so dass sie hilflos baumeln, und die noch jungen, gut durchbluteten und damit ausgesprochen schmerzempfindlichen Geweihe werden mit der Säge abgeschnitten.
Putin selbst bestätigte gegenüber Journalisten, mit Chinas Präsident Xi über das Thema Lebensverlängerung diskutiert zu haben. „Die Medizin wird die Zeit der aktiven Altersphase deutlich ausweiten“, sagte der Präsident auf einer Pressekonferenz.
Zwischen Anspruch und Realität: Ein deutlich höhere Lebenserwartung
Solche Aussagen passen zu Putins offizieller Politik. 2024 erklärte er „aktive Langlebigkeit und die Steigerung der Lebenserwartung“ zu einem zentralen staatlichen Ziel. Die praktischen Zielvorgaben fallen jedoch deutlich bescheidener aus: Bis 2030 soll die durchschnittliche Lebenserwartung von derzeit 73 Jahren (Männer 68, Frauen 78) auf 78 Jahre klettern. Zum Vergleich: In der EU liegt sie im Schnitt bei 81,7 Jahren.
Zu den wichtigsten Akteuren dabei gehört Putins enger Vertrauter Michail Kowaltschuk, Physiker und Leiter bedeutender Forschungsinstitute, wo u.a. an der Organproduktion aus Stammzellen gearbeitet wird. Auch Putins älteste Tochter, die Endokrinologin Maria Woronzowa, spielt eine zentrale Rolle. Sie hat Führungspositionen an der Moskauer Lomonossow-Universität, arbeitet im Nationalen medizinischen Zentrum für Endokrinologie und ist zugleich in mehreren Biotech-Unternehmen aktiv. Als Miteigentümerin der Firma „Nomeko“ sitzt sie im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das großangelegte Projekte in Biotechnologie und Nuklearmedizin verfolgt. Woronzowa gilt als inoffizielle Kuratorin einer milliardenschweren staatlichen Genetik-Initiative, deren offizieller Leiter wiederum Kowaltschuk ist. 2025 erhielt sie vom Russischen Wissenschaftsfonds einen 30-Millionen-Rubel-Zuschuss für die Erforschung der Zellerneuerung. Bereits 2017 hatte Putin die Genforschung zur Chefsache erklärt – mit dem Hinweis, Genetik könne eine ebenso revolutionäre Rolle spielen wie einst die „Atombombe“.
Putins Gesundheit als politisches Projekt
Die Jagd nach dem Jungbrunnen geht jedenfalls weiter: Erst Anfang September präsentierten Wissenschaftler an der Universität „Sirius“ im südrussischen Sotschi Putin persönlich eine neue Erdbeersorte mit besonders hohem Gehalt an Antioxidantien. Der leitende Wissenschaftler nannte sie „Verjüngungsbeere“.