
Kann man den Rundfunkbeitrag verweigern, weil einem das Programm nicht vielfältig genug ist? Dazu verkündet das Bundesverwaltungsgericht heute ein Urteil.
Bei der Verhandlung vor zwei Wochen war der große Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 220 Besucher und zahlreiche Medienvertreter verfolgten die Diskussion der Richter mit den Vertretern der Beteiligten – dem Bayerischen Rundfunk (BR) und einer Frau aus Bayern.
In dem Fall geht es um die Klage der Bayerin. Sie weigert sich, ihren Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Sie meint, ARD, ZDF und Deutschlandradio würden ihren Programmauftrag nicht erfüllen, weil sie zu einseitig und nicht ausgewogen genug berichteten. Wegen mangelnder Meinungsvielfalt sieht sie ein „generell strukturelles Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Deshalb hat sie gegen den Beitragsbescheid des BR vor dem Verwaltungsgericht geklagt.
BR verweist auf Perspektivenvielfalt
Der BR widerspricht dieser Kritik. „Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 festgestellt, dass das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Rundfunkbeitrag rechtfertigt. Der BR ist überzeugt, dass sich daran nichts geändert hat“, hieß es vor der Verhandlung von der Rundfunkanstalt. Die Sendungen und Formate stünden für Perspektivenvielfalt und eine breite Debattenkultur.
Es sei selbstverständlich, dass „der Sender sich der Diskussion stellt, ob er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt, intern wie extern“, betonte Sabine Mader, stellvertretende Juristische Direktorin am Rande der Revisionsverhandlung in Leipzig.
Kein Erfolg in den Vorinstanzen
In den ersten beiden Instanzen hatte die Klägerin keinen Erfolg. Dabei sind die Gerichte nicht in die inhaltliche Prüfung eingestiegen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag erfüllt. Sie haben die Klage aus einem anderen Grund abgewiesen. Das Verwaltungsgericht München und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) verwiesen auf die Rundfunkfreiheit der Sender und sagten im Kern: Die Kontrolle der Programmvielfalt sei nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Wenn die Klägerin Kritik am Programm habe, müsse sie sich damit an das zuständige Aufsichtsgremium wenden.
Das ist der Rundfunkrat, der aus Vertretern zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen besteht. Dort kann man sogenannte „Programmbeschwerden“ einreichen. „Daher ist die Klägerin – anders als sie meint – nicht rechtlos gestellt“, so der VGH. Die Klägerin sieht das anders.
Gericht will Grundsatzfragen klären
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Revision der Klägerin zugelassen, weil der Fall grundsätzliche Bedeutung habe. In dem Revisionsverfahren soll nun geklärt werden: Dürfen die Verwaltungsgerichte eine Klägerin auf die Programmbeschwerde beim Rundfunkrat verweisen? Oder müssen sie stattdessen selbst überprüfen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Programmauftrag erfüllt? Sind die Verwaltungsgerichte also ein geeigneter Adressat, um sich mit dem Argument „zu wenig Vielfalt“ gegen den Rundfunkbeitrag zu wehren? Und falls ja – wie hoch sind die rechtlichen Hürden für einen Erfolg solcher Klagen?
Diese Frage dürfte ein Knackpunkt im anstehenden Urteil werden, das haben die Äußerungen von der Richterbank im Laufe der Verhandlung gezeigt. Einerseits müssen die Sender ihren Auftrag der Vielfalt und Ausgewogenheit erfüllen. Andererseits ist die Kontrolle des Programms durch Gerichte ein sensibler Punkt, weil die Sender sich bei der Programmgestaltung auf ihr Grundrecht der Rundfunkfreiheit berufen können. Den Rundfunkbeitrag wird man am Ende wohl nicht schon dann zurückbehalten können, wenn jemandem einzelne Inhalte des Programms nicht gefallen. Sondern möglicherweise erst dann, wenn sämtliche Sender in Sachen Meinungsvielfalt strukturell und eklatant versagen.
Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft stellte in den Raum, dass es bei den Maßstäben um eine „hohe Latte“ gehen könnte. Außerdem muss das Gericht die Frage der Beweislast klären. Also ob zum Beispiel die Kläger die Pflicht hätten, den Sendern ein strukturelles Versagen nachzuweisen.
Kein Urteil zum Rundfunkbeitrag an sich
Das Gericht verkündet sein Urteil heute um 14 Uhr. Inhalt der Entscheidung wird nicht sein, ob der Rundfunkbeitrag an sich rechtmäßig ist und generell weiter gilt oder nicht. Die zentrale Weichenstellung wird sein, ob eine Kontrolle der Sender durch die Verwaltungsgerichte erlaubt wird oder nicht. Wenn nicht, bleibt alles wie bisher. Wenn ja, wäre das eine Art Türöffner für die Klägerin im konkreten Fall und mögliche andere Verfahren.
Das Bundesverwaltungsgericht würde dann sicher Leitlinien festlegen, welche Kriterien für eine erfolgreiche Klage erfüllt werden müssen. Entweder es entscheidet den konkreten Fall auf dieser Basis selbst. Möglicherweise würde es in diesem Szenario den Fall an die Vorinstanz zurückverweisen. Die müsste dann – anhand der möglichen Kriterien aus Leipzig – konkreter in die Prüfung einsteigen, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Programmauftrag in Sachen Meinungsvielfalt erfüllen oder nicht.

