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„Herzliche Grüße“ und „viel Erfolg“ – Dimitri Medwedew sammelt in Pjöngjang Freundlichkeiten und wohl handfeste Zusagen, um weiter kämpfen zu können.
Pjöngjang – „Kim übermittelte seinem ‚verehrten Kameraden‘ Wladimir Putin ‚herzliche Grüße‘ und wünschte der russischen Führung und dem russischen Volk ‚viel Erfolg‘“, schreibt Bryan Betts; für die NK News berichtet er von einer herzlichen Männerfreundschaft, die sich auch in den veröffentlichten Bildern ausdrückt: Demonstratives Lachen beim Glas Rotwein, Händeschütteln mit festem Druck und eine Umarmung, dass die Luft knapp wird. Wladimir Putins Adlatus macht einen Kratzfuß in Pjöngjang, damit im Ukraine-Krieg Russlands Kanonenrohe weiter glühen können: Zum 80. Jahrestag der Partei der Arbeit Koreas besuchte mit Dmitri Medwedew der Parteichef der Regierungspartei Einiges Russland und damit vermutlich der zweitstärkste Mann hinter Putin den Diktatoren Kim Jong-un.
Parade der Potentaten: Der nordkoreanische Führer Kim Jong Un (2. v. r.), der chinesische Premierminister Li Qiang (r.), der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams To Lam (3. v. l.) und der Vorsitzende der Regierungspartei Einiges Russland, Dmitri Medwedew (2. v. l.), während der Militärparade zur Feier des 80. Gründungsjubiläums der Arbeiterpartei Koreas auf dem Kim-Il-sung-Platz in Pjöngjang. © (KCNA VIA KNS/AFP)
Als eine „in Blut geschmiedete Allianz“ hat der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates die Partnerschaft Russlands zu Nordkorea bezeichnet – ein Euphemismus zweier Diktaturen, die der Mangel einander in die Arme treibt; und die einander ihrer militärischen Potenz versichern. Teil des Besuches war eine große Militärparade, während der Nordkorea seine neue Interkontinentalrakete Hwasong-20 präsentiert hat – eine Waffe, die theoretisch Ziele auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent bekämpfen kann. „Die offene Zurschaustellung der militärischen Zusammenarbeit symbolisiert die sich immer weiter verfestigende Allianz der beiden autokratisch geführten Länder“, schreibt aktuell Jannis Düngemann. Der Autor des Magazins Europäische Sicherheit & Technik (ESUT) erinnert gleichzeitig daran, dass Kim Jong-un Russlands Regime im Schwitzkasten hat.
Putin Adlatus Medwedew großspurig: „Die Freunde sind zusammen. Die Feinde werden nervös.“
Im Laufe des Ukraine-Krieges hat Russland nicht nur seine aktuell produzierte Munition verschossen. Auch die Altbestände der Sowjetunion haben sich gegen den unnachgiebigen Widerstand der Ukraine in Rauch aufgelöst. Laut Mihail Evans fehle Russland jegliche realistische Möglichkeit, diese Depots aus dem Kalten Krieg wieder zu füllen, so der Autor des serbischen Thinktanks „Center for International Relations and Sustainable Development“ (CIRSD). „Da die russische Kriegsführung auf Feuerüberlegenheit beruht, benötigt sie Tonnen von Munition. Und das einzige Land, das neben Russland eine derartige Menge liefern kann, ist Nordkorea“, zitiert Evans den Analysten Yang Uk.
Moskau sieht darin eine rein transaktionale Beziehung, in der es Munition, Raketen und Truppen erhält. Sie bezahlen die Nordkoreaner mit Lebensmitteln, Treibstoff und Waffentechnologie, und es ist ihnen völlig egal, was die Nordkoreaner tun.
Neben dem Militärexperten am „Asan Institute for Policy Studies“ in Seoul zitiert Evans eine anonyme Stimme aus den Vereinten Nationen – demnach ginge von Putin allein wenig Gefahr aus: „Ohne die Unterstützung von Kim Jong-un wäre Präsident Wladimir Putin nicht in der Lage, seinen Krieg in der Ukraine fortzusetzen.“ Allerdings beliefern sich beide Partner gegenseitig mit Rüstungsgütern, die ihnen fehlen. Kampfjets beispielsweise sind heiß begehrt in Nordkorea. Artilleriesysteme samt Munition wiederum braucht Wladimir Putin; Kampftruppen noch viel dringender. „Die Freunde sind zusammen. Die Feinde werden nervös“, habe Medwedew auf der russischen Plattform Max gepostet, berichtet der Spiegel.
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Obwohl von wahrer Freundschaft wohl keine Rede sein kann, könnte die Welt tatsächlich nervös werden – noch geistert durch die Medien eine Vermutung, mit der Mitte des Jahrs CNN aufgewartet hatte: dass Nordkorea zusätzlich zu den in den Kämpfen um Kursk eingesetzten Hilfstruppen in Höhe von rund 14.000 Mann zusätzlich 30.000 Nordkoreaner in den Ukraine-Krieg abkommandieren könnte, beziehungsweise bereits teilweise in die Gefechte befohlen worden habe. Bestätigungen allerdings sind ausgeblieben. „Nordkorea hat gute Gründe, die Entsendung von Truppen in die Ukraine zu vermeiden oder zu leugnen. Selbst als internationaler Paria möchte Nordkorea nicht als Verletzer der Souveränität anderer Länder gelten“, schreibt Khan Vu.
Kim Jong-un durch Putin geopolitisch am Drücker: „Pjöngjang könnte noch abenteuerlustiger werden“
Für das Magazin The Interpreter des australischen Thinktanks „Lowi Institute“ geht der Autor davon aus, dass Kim weitere Truppen entsenden würde; ihm zufolge sei sich Kim bewusst, dass die Kosten einer solchen Entscheidung Immens seien und er versuche, diese möglichst gering zu halten – mit einem Maximum an Vorteilen für sich selbst. China wird genau beobachten, wie sich die bilateralen Beziehungen zu Lasten der Ukraine entwickelten. Mit Lieferungen von Munition, Waffen und jetzt auch Menschen wolle sich Kim Rückendeckung verschaffen für seinen Einfluss auf Südkorea, vermutet Sang Hun Seok laut Newsweek. Der Geopolitikanalyst am britischen Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) prognostiziere, „Pjöngjang könnte noch abenteuerlustiger werden, da es erwartet, dass die russische Unterstützung eine heftige Reaktion sowohl von Seoul als auch von Washington verhindern würde.“
Tom O‘Connor erinnert an die möglicherweise den Tatsachen entsprechende „mit Blut geschmiedete Allianz“ zwischen den beiden Ländern – laut dem Newsweek-Autor reicht sie nämlich bis in den Korea-Krieg zurück: „Das Volk der DVRK wird sich stets an die internationalistischen Heldentaten der Offiziere und Soldaten der Roten Armee erinnern, die im Kampf für die Befreiung Koreas ihr Blut vergossen haben“, habe der nordkoreanische Außenminister Choe Son Hui jüngst geantwortet auf einen Glückwunsch aus Russland; den habe dessen Außenminister Sergej Lawrow an seinen Amtskollegen von der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) geschickt, anlässlich des 80. Jahrestages des Endes der japanischen Besetzung Koreas, so O‘Connor. Die UdSSR hatte während des Korea-Krieges zwischen 1950 und 1953 zwar keine eigenen Truppen gestellt, lieferte jedoch das Know-how.
Kim wohl eher geduldet als geliebt: Den Russen ist „völlig egal, was die Nordkoreaner tun.“
Vor allem Russlands Status als Atommacht hätten den nordkoreanischen und chinesischen Streitkräften einen enormen Schub verliehen und schließlich die Pattsituation gegen die von den USA geführte Koalition mit Südkorea erzwungen, behauptet Newsweek. Möglicherweise divergieren die Ansichten aber auch; was von Seiten Nordkoreas als kommunistische Liebesbeziehung interpretiert wird, könnte von russischer Seite aus als Zweckehe betrachtet werden – diesen Verdacht nährt gegenüber Newsweek Victor Cha: „Moskau sieht darin eine rein transaktionale Beziehung, in der es Munition, Raketen und Truppen erhält“, sagt der Analyst des US-Thinktanks „Center for Strategic and International Studies (CSIS)“: „Sie bezahlen die Nordkoreaner mit Lebensmitteln, Treibstoff und Waffentechnologie, und es ist ihnen völlig egal, was die Nordkoreaner tun.“
Aufgrund dieser Annahme schätzt auch der Newsweek-Autor Tom O‘Connor das Bündnis zwischen den Diktatoren als kurzlebiger ein, als die innigen Umarmungen und vollmundigen Lobreden den Anschein erwecken. Nach dem Ende des Ukraine-Krieges sollte sich die Zusammenarbeit abkühlen. Bisher ist noch keine Rede davon, dass Putin der Welt gegenüber Kim den Rücken stärken würde, sollte der gegenüber Südkorea seine Begehrlichkeiten umsetzen. Ob in der Interkontinentalrakete Hwasong-20 auch russische Hochtechnologie stecke, und, wenn ja, ob das für ein erkleckliches Raketenarsenal reiche, sei fraglich, schreibt ESUT-Autor Jannis Düngemann. Weder Wladimir Putin noch Xi Jinping haben ein Interesse an einem nordkoreanischen Diktator mit überbordendem Selbstbewusstsein.
Carla Freeman und Naiyu Kuo sehen Chinas Staatschef Xi Jinping durch Kims Aktivitäten in der Ukraine in die Bredouille manövriert. „Wird China in der Lage sein, die Distanz zu dem Konflikt, die es zu wahren versucht hat, aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Moskau zu unterstützen?“, fragen die beiden Analysten des US-Thinktanks „United States Institute of Peace“. Kims ostentative Aggression gegenüber Südkorea könnte Victor Cha zufolge eine noch stärkere US-Militärpräsenz in der Region nach sich ziehen. Das widerspricht den chinesischen Interessen eklatant.
Dennoch, so Cha: „Bislang ist Chinas Reaktion auf Nordkoreas Unterstützung Russlands irgendwo zwischen Lähmung und Inkompetenz gefangen. Es mangelt ihm entweder an politischem Willen oder politischem Einfallsreichtum, um eine der beiden Parteien abzuschrecken.“ (Quellen: Center for International Relations and Sustainable Development, Lowi Institute, United States Institute of Peace, NK News, Europäische Sicherheit & Technik, Spiegel, CNN, The Interpreter, Newsweek) (hz)