Die französische Regierung unter Premierminister Sébastien Lecornu hat am Donnerstag in Paris einen Misstrauensantrag überstanden. Dieser erhielt 271 Stimmen. Die Mehrheit von 289 Stimmen für den Erfolg des Misstrauensantrags wurde damit verfehlt, die Regierung bleibt im Amt. Zwar sollte noch über einen zweiten Misstrauensantrag abgestimmt werden, dieser hatte aber keine Aussicht auf Erfolg.

Den ersten Misstrauensantrag hatte die Linkspartei La France Insoumise (LFI) eingereicht. „Sie haben in den vergangenen acht Jahren die Wirtschaft unseres Landes ruiniert“, kritisierte die LFI-Abgeordnete Aurélie Trouvé an den Regierungschef gerichtet. „Ihr Haushalt wird das Desaster noch verschlimmern“, sagte sie. Viele der Abgeordnetensitze in der Nationalversammlung waren am Donnerstag – anders als bei der Regierungserklärung Lecornus – leer geblieben. Die vom Premierminister angekündigte „Aussetzung” der Rentenreform sei „eine Täuschung, ein Betrug“, sagte die linke Abgeordnete. Sie appellierte an die Sozialisten, sich nicht in das Manöver einspannen zu lassen.

Seine Partei verstehe „die Gefühle und Überlegungen der linken Fraktionen, der Regierung das Misstrauen auszusprechen“, erwiderte der sozialistische Abgeordnete Laurent Baumel. Die Sozialisten seien auch über „das erschütternde Schauspiel eines Präsidenten verärgert, der sich hartnäckig weigert, das Ergebnis der Parlamentswahlen anzuerkennen“. Dennoch habe sich seine Partei entschieden, der Regierung Lecornu einen Aufschub zu gewähren. „Der Fortbestand Ihrer Regierung hängt davon ab, dass die Rentenreform ausgesetzt wird“, sagte der Sozialist. Er forderte „neue Zugeständnisse“ zugunsten sozialer Gerechtigkeit bei der Haushaltsplanung. Es gebe keinen Duldungspakt. „Wir geben nichts auf“, sagte Baumel für die Sozialistische Partei.

Le Pen: System am Ende seiner Kräfte

Ähnlich vorsichtig rechtfertigte der Republikaner Jean-Didier Berger (LR) den Willen seiner Fraktion, die Regierung zu stützen. Auffällig war, dass sowohl die Sozialisten als auch die Republikaner Hinterbänkler in die Debatte zu den Misstrauensabstimmungen entsandten. Als im vergangenen Dezember der damalige Premierminister Michel Barnier gestürzt wurde, waren die Fraktionschefs an das Rednerpult getreten.

Berger sagte, seit den Parlamentswahlen im Juni/Juli 2024 gebe es keine klare Mehrheit in der Nationalversammlung. „Die Franzosen verlangen von uns, dass wir uns einigen“, sagte der LR-Abgeordnete und forderte, „wir müssen Demut zeigen“. Viele andere europäische Länder hätten eine ähnliche Ausgangssituation und könnten stabile Regierungen bilden. „Die Glaubwürdigkeit Frankreichs steht auf dem Spiel“, sagte der Republikaner. Berger kritisierte zugleich den Haushaltsentwurf der Regierung Lecornu. Es seien viel zu wenig Kürzungen bei den Staatsausgaben und zu viele Steuererhöhungen geplant.

Der zweite Misstrauensantrag ging auf die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) zurück. Die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen sagte bei der Debatte, dass ihre Fraktion auch dem Antrag der Linkspartei zustimme. „Dieser Haushalt ist der letzte Akt eines politischen Systems, das am Ende seiner Kräfte ist“, sagte die Vorsitzende der RN-Fraktion in der Nationalversammlung.

Lecornu: Macron hat Le Pen zwei Mal geschlagen

Die 123 Abgeordneten ihrer Fraktion waren fast vollständig anwesend und vermittelten durch Zwischenrufe einen Eindruck von Stärke. Das einzige Ziel der Regierung sei es, vorgezogene Wahlen zu vermeiden, sagte Le Pen. Das werde nicht funktionieren. „Sie werden mit gesenktem Kopf an die Urnen zurückkehren“, sagte sie an den Premierminister gerichtet. Le Pen bezeichnete den Haushaltsentwurf als „sozial unzumutbar“. „Sie wollen die Schwächsten für Ihre Feigheit und Ihre Versäumnisse bezahlen lassen“, sagte sie. Die Fraktionsvorsitzende hatte zuvor die Idee eines Bündnisses mit der bürgerlichen Rechten zurückgewiesen. Ihr Wahlkreis liege in einer früheren kommunistischen Hochburg, in der Parteiführungen seien zwei ehemalige Mitglieder der Linkspartei. Sie glaube nicht daran, dass eine „Union der rechten Kräfte“ möglich sei.

In einem kurzen Redebeitrag wies Premierminister Lecornu die Vorwürfe zurück. An Le Pen gerichtet bekundete er, niemand habe bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit errungen. Zudem habe Le Pen zwei Mal, 2017 und 2022, gegen Präsident Macron verloren. Die Regierung habe keine Angst vor den Wählern. Er rief alle politischen Kräfte auf, nicht den Haushalt „zur Geisel“ zu nehmen.