Es war ein Abend voller größerer und kleinerer Geständnisse. Die 300 Gäste der ausverkauften „Berlin-Revue“ des Tagesspiegel-Newsletters „Checkpoint“ erlebten den Spitzenkandidaten der SPD, Steffen Krach, in Plauderlaune. „Hertha oder Union?“, fragte Checkpoint-Erfinder Lorenz Maroldt. Bei Krachs Antwort – „Hannover 96“ – ging ein Raunen durchs Publikum. „Da muss man authentisch sein“, konterte der gebürtige Hannoveraner.

Das Gespräch mit dem SPD-Politiker war der Höhepunkt eines vielfältigen Programms im Kabarett „Die Stachelschweine“. Zum Start brachte Tagesspiegel-Herausgeber Maroldt das Publikum auf Temperatur – mit seiner rasanten Bilder-Show voller Berliner Lokalabsurditäten, zusammengestellt aus „Kiekste“-Bildern, allesamt eingesendet von Checkpoint-Lesern.

An der Voliere das Schild „Vögel nicht futtern“, an der Hauswand das Graffiti „Wohlstand für Aale“, die verdreckte Matratze an der Straßenecke mit der Aufschrift „1200 Euro warm“ – der Saal tobte.

Der ganz normale Berliner Schilder-Wahnsinn.

© Lena Ganssmann

Den Stargast des Abends kündigte ein Videoeinspieler an, Fundort Instagram: Steffen Krach mit Cowboy-Hut und Stern auf der Lederweste läuft eine staubige Straße entlang – um gegen Miethaie vorzugehen. „Für jemanden, der aus Hannover kommt, ist Berlin also der Wilde Westen?“, fragte Anke Myrrhe, stellvertretende Chefredakteurin des Tagesspiegels. Krach wehrt ab. „Keine Sorge, ich werde hier nicht als Sheriff auflaufen.“

Das Video sei KI-generiert, sagt Krach. Wer dahinter stecke, wisse er nicht. „Aber ich musste darüber lachen, deshalb bin ich nicht dagegen vorgegangen“.

Sherrif, DJ oder Tennisass?

Krach hat 20 Jahre lang in Berlin gelebt und war unter Michael Müller sechs Jahre lang Staatssekretär für Wissenschaft. Seit 2021 ist er Präsident der Region Hannover. Nun kehrt Krach nach Berlin zurück und will bei der Abgeordnetenhauswahl 2026 der SPD zum Sieg verhelfen.

Im Tennis würde ich mir gute Chancen ausrechnen.

Steffen Krach (SPD) auf die Frage, wie er Kai Wegner (CDU) schlagen kann.

Ein Schwerpunkt seines Wahlkampfs soll die Wohnraumfrage werden. „Das wird als SPD durchaus eine Herausforderung“, gibt Krach zu, „weil wir über Jahrzehnte regiert und dabei nicht alles richtig gemacht haben.“ Alles verkehrt aber auch nicht – viele Menschen lebten sehr gerne in Berlin. „Ein paar Dinge regen aber auf: Reste von Drogen auf dem Spielplatz, Schmutz, das nervt einfach.“

Steffen Krach (SPD) im Checkpoint-Interview.

© Lena Ganssmann

Duell ums Rote Rathaus

Gespickt war das Interview mit Bildfundstücken: Krach mit einem Bier auf dem Schützenfest in Hannover. Krach in voller Eishockey-Montur mit Oliver Pocher. Krach am DJ-Mischpult, sein T-Shirt trägt die Aufschrift „Krach, Boom, Bang“. Das sei bei einer Uniparty der HU gewesen. Er habe Roxette aufgelegt, was das Publikum mit anerkennenden Pfiffen belohnt.

Der Saal der „Stachelschweine“ war bis auf den letzten Platz gefüllt.

© Lena Ganssmann

Doch dann ein Foto mit 96-Schal – und das Bekenntnis zu den Hannoveraner Fußballern. Zur Ehrenrettung schob Krach nach: „Im November spielt Hertha gegen Braunschweig. Ich hoffe auf ein schönes 7:0“.

Das letzte Foto zeigt Krach im Tennis-Dress. Eine Sportart, die auch der Regierende Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), oft spielt. Wie er den eigentlich schlagen wolle, fragt Anke Myrrhe. „Im Tennis?“, fragt Krach zurück. „Im Tennis würde ich mir gute Chancen ausrechnen.“ Und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Bei der Wahl aber auch.“

Eine Liebe trotzt der Mauer

Anschließend wurde es gefühlvoll: Tagesspiegel-Autor Robert Ide erzählte dem Publikum die wahre Berliner Liebesgeschichte von Helga und Wolfgang. Sie trafen sich 1957 im Kino Babylon „inmitten von Berlins zernarbter Mitte“, verliebten sich, bekamen zwei Kinder. Doch er lebte im Spandauer Westen, sie in Pankow. „Die DDR errichtet eine Sichtsperre. Ihnen bleiben nur Briefe.“ Erst seine Kehlkopfkrebs-Diagnose vereinte sie. Das Publikum applaudierte lang und laut.

Der Geschichte von Helga und Wolfang lauscht das Publikum andächtig und nachdenklich.

© Lena Ganssmann

Zwischendurch spielte die Checkpoint-Band eine Auswahl ihrer Songs.

Die Checkpoint-Band.

© Lena Ganssmann

Zum großen Finale wagte sich André Wendt ans Berlin-Rätsel. Neun Fragen standen zwischen dem Friedrichshainer und dem Titel des Berlinkenners des Monats. „Auf jeden Fall aufgeregt“ sei er – blieb dann aber cool.

Wendt wusste, dass nicht Berlins Behörden-Pingpong Teil des immateriellen Kulturerbes ist, sondern Techno. Und dass Labubus keine exklusiven Kinderwagen sind, sondern hässliche Plüschmonster. Fehlerfrei. Die goldene Siegerkrone war wohlverdient.

So verhallte nach zweieinhalb Stunden auch das letzte Lied der Checkpoint-Band: Team Checkpoint besetzte symbolisch die Stachelschweine. Das nächste Mal gelacht wird am 13. November und am 4. Dezember. Die Shows sind ausverkauft, doch im nächsten Jahr geht es weiter.