Unabhängige Fachleute im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats haben Deutschland für den Umgang mit propalästinensischen Demonstrationen kritisiert. „Wir sind alarmiert über die anhaltende Polizeigewalt und die offensichtliche Unterdrückung von Solidaritätsaktionen für Palästina durch Deutschland“, teilten sie in Genf mit. Die Bundesregierung solle das Menschenrecht auf friedliche Versammlungen „ohne Diskriminierung“ respektieren und gewährleisten. 

Die fünf Expertinnen und Experten warnten, gewaltfreie Proteste seien durch das Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt und dürften nicht bestraft oder kriminalisiert werden. Politische Kundgebungen dürften keinen inhaltlichen Einschränkungen unterliegen. Zu den Fachleuten gehört unter anderem die Kolumbianerin Gina Romero, UN-Sonderberichterstatterin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Die UN-Expertinnen und -Experten werfen den deutschen Behörden vor, Kundgebungen pauschal zu verbieten, Menschenrechtsverteidiger zu kriminalisieren und Teilnehmende willkürlich festzunehmen. Nach ihren Angaben sind Solidaritätsaktionen seit Oktober 2023 zunehmend eingeschränkt worden. Die Fachleute arbeiten im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats, sprechen aber nicht für das Gremium selbst. Sie haben keine Sanktionsmöglichkeiten.

Deutsche Behörden hatten in den vergangenen Monaten zahlreiche Demonstrationen untersagt. Zur Begründung verwiesen sie auf Vorfälle bei
früheren Kundgebungen, bei denen nach ihrer Darstellung antisemitische
oder volksverhetzende Parolen gefallen seien. Auch das Tragen palästinensischer Symbole wurde zum Teil pauschal untersagt. Gerichte bestätigten
einige Verbote mit Hinweis auf den Verlauf zurückliegender
Veranstaltungen, andere hoben sie wieder auf.

Kritik von EU-Menschenrechtskommissar

Auch Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt die in ihren Augen unverhältnismäßige Einschränkung palästinasolidarischer Kundgebungen kritisiert. Zivilgesellschaftliche Gruppen berichten seit Langem von übermäßiger Polizeigewalt. Im Juli kritisierte der Menschenrechtskommissar des Europarates, Michael O’Flaherty, das Vorgehen der deutschen Behörden in einem Brandbrief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).

In Deutschland protestieren seit Beginn des Gazakrieges zahlreiche Menschen gegen die israelischen Angriffe. Angesichts des anhaltenden Flächenbombardements und der Blockade von Hilfslieferungen wurde dabei zunehmend der Vorwurf erhoben, Israel begehe in Gaza einen Völkermord. Diese Einschätzung teilen inzwischen viele Menschenrechtsorganisationen, Völkerrechtler und Genozidforscher. Erst im vergangenen Monat kam eine Kommission des UN-Menschenrechtsrats zu dem Schluss, dass vier der fünf in der Völkermordkonvention von 1948 genannten Tatbestände erfüllt seien.

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