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Wenn Sting nun 3.0 ist, was war dann eigentlich Sting 2.0? Sting 1.0 war The Police – aber was war Sting 2.0? Klar, das Dreier-Wortspiel orientiert sich an der Triobesetzung, mit der er nun im zweiten Jahr ihres Bestehens tourt. Dreipunktnull müsste seine Legitimation eigentlich durch eine Dreierarbeit nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Studio erfahren.

Sting und die Rückkehr zum Trio

Doch Sting wird sich kaum noch mit zwei anderen im Studio streiten, wie einst mit Stewart Copeland und Andy Summers – auch wenn zu 3.0 ein anderer alter Weggefährte gehört, Dominic Miller. Aber mit dem streitet er sich nie. Sting 3.0 ist, wie an diesem Konzertabend in Berlin, ein Backkatalog-Projekt.

Warum aber tut sich Sting, ein seit 1978 erfolgreicher und hunderte Millionen Dollar schwerer Musiker, 74 Jahre alt, ein Trio an? Trio verzeiht nicht, vor allem nicht auf der Bühne. Sting 3.0 lässt live viel Raum für Leere, Pausen, manchmal gar Stille. Kein Merkmal von anderen Bands mit nur drei Instrumenten, etwa U2.

Womöglich ist Sting 3.0 die beste Entscheidung, die er seit Jahren getroffen hat. Das Line-up ist eine Herausforderung, aber hier stehen drei Perfektionisten an ihren Instrumenten: Dominic Miller, der seine Fender kein einziges Mal innerhalb der 21 Songs wechselt und selbstbewusst das leiseste Instrument spielt; Schlagzeuger Chris Maas, der nicht so variabel spielt wie Police-Drummer Copeland – er schwebt nicht so sehr –, aber deutlich mehr Zutrauen gegenüber der Snare beweist; und Sting, der in den 1970er-Jahren nur deshalb die Gitarre verließ, weil der Bass ein größeres Instrument ist. Seine pulsierenden, melodischen Linien beherrscht er noch immer. „Herr Maas“ und „Herr Müller“ kündigt Sting seine Mitmusiker an, er spricht dabei tatsächlich passables Deutsch.

Analoge Energie statt Backing-Tapes

Viel wichtiger ist: Es gibt nur wenige Backing-Tape-Einspielungen: den HipHop-Beat aus „Englishman in New York“, den schon Manu Katché über sich ergehen ließ; eine Chor-Dopplung in „A Thousand Years“; Keyboards in „Never Coming Home“, einem sehnsüchtigen Lied von 2003, sehnsüchtig, weil es in seinen besten Momenten die Police-Klassiker „Bring on the Night“ und „When the World Is Running Down, You Make the Best of What’s Still Around“ vereint.

Dominic Miller kann die Dreamscapiness von Andy Summers, etwa in „Wrapped Around Your Finger“, theoretisch kopieren. Doch sein wahres Können zeigt sich in den Sting-Solostücken „If I Ever Lose My Faith in You“ und vor allem „Mad About You“. In „Faith“, jenem Lied mit der „Teufelsmusik“, dem Tritonus, verschwindet er mit seinen zarten Anschlägen fast in der Musik, die ursprünglich als Hymne gedacht war. Den Orchesterschmelz, die Tausendundeinenacht-Arabeske von „Mad“, macht er mit wenigen Handgriffen komplett obsolet.

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Ein Weltmusiker bleibt sich treu

Sting wird „Weltmusiker“ genannt, und als Weltmusiker mit großer Liebe zum nordafrikanischen Raum bleibt auch sein 1999er-Hit „Desert Rose“ ein Bestandteil seiner Setlist – ein Ethno-Dance-Song, damals mit Cheb Mami eingesungen. „Yallah“ ruft Sting nun, hier in Berlin, im Jahr 2025. Das ist gut und mutig. Man darf annehmen, dass Stings Publikum in etwa die Wählerschaft des letzten Bundestags widerspiegelt – schließlich hört Sting jeder. „Yallah“ dürfte nicht jedem gefallen haben.

Von der Konfrontation zum Frieden

Ob Sting gelegentlich noch die Konfrontation sucht? Als Police-Musiker zählte er „Walking on the Moon“ einst mit wütenden „One, Two, One Two Three!“ an – danach duellierten sich die drei Musiker, so langsam der Song auch ist, in dem sie so hart anspielten, wie es nur ging. Sting stieg spät zum Star auf, war schon 27, als der Durchbruch mit „Roxanne“ kam. Wenn er in „Walking on the Moon“ sang „Some may say, I’m wishing my days away“, steckte darin auch die Befürchtung, es nie zu etwas zu bringen.

Bald 50 Jahre später schwelgt er auf der Bühne in diesen Worten, und auch „Walking on the Moon“ ist inzwischen eine laid-back-Nummer geworden. Fast ein Sunshine Reggae. Positiv formuliert: Sting lässt uns teilhaben an seinem Frieden.

Ein Musiker zwischen Mond und Erde

Der Songtext ist dennoch großartig. Wer sang sechs Jahre nach Ende des Apollo-Programms noch vom Mond? Im Video spazierten Police durch das Kennedy Space Center. Sie ahnten wohl, dass es bald Space Shuttles geben würde.

Niemals wird jemand sagen, dass Sting der Paul McCartney seiner Generation ist. Warum eigentlich nicht?