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Angriffe auf Russlands Wirtschaft häufen sich. Für die Ukraine ist die Taktik essenziell – und wohl effektiver als Sanktionen. Putin gerät unter Zugzwang.
Kiew – Das Muster gleicht sich seit Monaten: Immer wieder nimmt die Ukraine im Krieg Ziele von Russlands Wirtschaft ins Visier. Mithilfe von gezielten Drohnenattacken gelingt es den Streitkräften von Wolodymyr Selenskyj, Öl-Raffinerien, Umspannwerke oder andere Einrichtungen der Energieinfrastruktur zu treffen. Das langfristige Ziel ist klar: Wladimir Putins Position im Ukraine-Krieg nachhaltig schwächen und den russischen Präsidenten dazu zwingen, über ein Ende des Konflikts zu verhandeln.
Immer wieder werden Wladimir Putins Öl-Raffinerien Ziel ukrainischer Angriffe, wie hier im Frühjahr 2023 bei Sewastopol auf der Krim. © Montage IPPEN.MEDIA / IMAGO / ITAR-TASS / ZUMA Press
Zuletzt war in dem Zusammenhang mit den Angriffen auf Russlands Wirtschaft bekannt geworden, dass die Vereinigten Staaten die Ukraine regelmäßig bei den Operationen unterstützen. Vermutet wird, dass US-Präsident Donald Trump enttäuscht über die ausbleibenden Erfolge nach dem Alaska-Gipfel mit Putin war. Durch ein geplantes Treffen in Budapest und einem Gipfel mit Selenskyj erhält die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg zudem gegenwärtig eine neue Dynamik. Im Raum steht die Lieferung von Tomahawk-Raketen. Doch auch ohne die Marschflugkörper bleibt die Erfolgsbilanz der Ukraine beeindruckend.
Attacken auf Russlands Wirtschaft treffen Putin – Effektiver als Sanktionen
Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow sieht in den gezielten Angriffen auf russische Ölraffinerien einen größeren wirtschaftlichen Schaden für Moskau als durch internationale Sanktionen. „Tatsächlich haben unsere Angriffe eine größere Wirkung erzielt als die Sanktionen. Das ist einfach eine mathematische Wahrheit. Wir haben der Russischen Föderation weitaus direkteren Schaden an ihren Gewinnen zugefügt als alle bisher verhängten Wirtschaftsmaßnahmen“, erklärte Budanow laut Suspilne am 16. Oktober beim Kiewer Internationalen Wirtschaftsforum im Zusammenhang mit den Angriffen auf Russlands Wirtschaft.
Besonders bemerkenswert ist nach Budanows Angaben der hohe Anteil heimischer Produktion bei diesen Operationen, die auf Russlands Wirtschaft zielen. „Wir arbeiten hauptsächlich mit unseren eigenen Mitteln – 99 Prozent davon sind unsere eigenen. Wir haben jetzt unsere eigene Produktion. Natürlich wollen wir immer mehr, aber sie existiert. Es ist unsere heimische Produktion, die es uns ermöglicht hat, unsere Kräfte und Mittel so einzusetzen, wie wir es für richtig halten. Und letztendlich bringt das Ergebnisse“, so der Geheimdienstchef.
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Gleichzeitig übte Budanow deutliche Kritik am bisherigen Sanktionsregime gegen Russland. „Das ist auch eine unangenehme Wahrheit, weil sie uns zu dem Schluss führt, dass es eindeutig nicht genug ist. Ich meine den Sanktionsdruck – er ist unzureichend. Und wenn die Dinge so weitergehen wie bisher, wird er nicht genug Einfluss haben, um die Weltanschauung der Russischen Föderation zu ändern“, betonte er.
Strategie im Ukraine-Krieg: Angriffe auf Russlands Wirtschaft erreichen noch kein kritisches Niveau
Die Taktik hinter den Angriffen auf Russlands Wirtschaft ist, dass Russland auf lange Sicht zermürbt werden soll: Steigende Preise sollen Unmut in der Bevölkerung sähen und die Stimmung gegen Putin drehen lassen. Der Militärgeheimdienstchef warnte allerdings vor übertriebenen Erwartungen bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen auf Russland. Das Land verfüge noch über ausreichend „Widerstandsfähigkeit“, um den Krieg „ziemlich lange“ fortzusetzen, und die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hätten noch kein kritisches Niveau erreicht.
Dennoch verwies Budanow auf ein grundlegendes Prinzip: „Kein langwieriger Krieg hat jemals der Wirtschaft eines Landes genützt“, weshalb die Annahme, dass Russland es zunehmend schwerer habe, „im Prinzip von Natur aus richtig“ sei.
Trotz Attacken auf Russlands Wirtschaft: Putin nimmt ukrainische Energieinfrastruktur ins Visier
Während die Ukraine militärische Erfolge gegen russische Infrastruktur verbucht und Russlands Wirtschaft weiter schwächt, kämpft das Land selbst weiterhin mit den Folgen anhaltender Angriffe auf die eigene Energieversorgung. Am Freitag verhängte der staatliche Netzbetreiber Ukrenerho erneut landesweite Notabschaltungen des Stroms. Für Industrieabnehmer gelten stundenweise Stromsperren von 7:00 bis 22:00 Uhr Ortszeit, nachdem die Beschränkungen für Privathaushalte am Vorabend um 23:00 Uhr wieder aufgehoben worden waren.
Die anhaltenden russischen Drohnen- und Raketenangriffe auf ukrainische Energieanlagen haben bereits dazu geführt, dass die Saison für städtische Fernheizsysteme verschoben werden musste. Bei den aktuell kühlen herbstlichen Temperaturen im einstelligen Bereich sind viele Stadtbewohner daher darauf angewiesen, ihre Wohnungen mit Klimaanlagen und anderen stromverbrauchenden Heizgeräten zu wärmen – eine zusätzliche Belastung für das bereits angespannte Stromnetz. (Quellen: Ukrainska Pravda, Suspilne, dpa) (fbu)