
Der niederländische Chiphersteller Nexperia hat eine prominente Rolle im Handelskonflikt zwischen China und den USA. Die Firma leidet unter Exportbeschränkungen – was zu Produktionsausfällen in der Autobranche führen könnte.
Die Autoindustrie schlägt Alarm wegen drohender Produktionsausfälle durch Lieferprobleme des niederländischen Chipherstellers Nexperia. Nach dem europäischen Autoverband ACEA warnte nun auch die US-Autolobby vor Störungen der Produktion. BMW stellt sich ebenfalls auf Probleme wegen der gegen Nexperia verhängten Ausfuhrbeschränkungen ein.
Die Firma aus den Niederlanden gehört dem chinesischen Konzern Wingtech. Mit weltweit rund 11.700 Beschäftigten ist sie der führende Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren. In Hamburg ist das größte Werk, in Deutschland hat das Unternehmen 2.500 Mitarbeitende. Mit seiner Produktion dort beliefert der Halbleiter-Hersteller nach NDR-Informationen rund zehn Prozent des weltweiten Marktes.
„Dominoeffekt auf andere Branchen“ befürchtet
Nexperia habe Autobauer und Zulieferer am 10. Oktober darüber informiert, dass es seine Lieferungen nicht mehr garantieren könne, erklärte der Verband ACEA. Ohne die Chips des niederländischen Unternehmens, die in elektronischen Steuergeräten von Fahrzeugen verbaut werden, drohten Produktionsstopps. Die Bestände reichten nur noch wenige Wochen. „Wir befinden uns plötzlich in dieser alarmierenden Lage“, erklärte ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries. „Wir brauchen wirklich schnelle und pragmatische Lösungen von allen beteiligten Ländern.“
In den USA drängte der Verband Alliance for Automotive Innovation, der unter anderem General Motors, Toyota, Ford und Volkswagen vertritt, auf eine schnelle Lösung. „Wenn die Lieferung von Auto-Chips nicht schnell wieder aufgenommen wird, wird dies die Autoproduktion in den USA und vielen anderen Ländern stören und einen Dominoeffekt auf andere Branchen haben“, sagte Verbandschef John Bozzella. Einigen Autobauern zufolge könnten US-Werke bereits im kommenden Monat betroffen sein.
In China und auch in den USA unter Druck
Hintergrund ist der Handelsstreit zwischen den USA und China, der von beiden Seiten zu Ausfuhrbeschränkungen für Nexperia führte. Die Chips werden nach China zur Verpackung und Weiterverarbeitung geliefert. Das chinesische Handelsministerium verbot jedoch Anfang Oktober den Export bestimmter Bauteile mit Nexperia-Chips. Das betrifft Wingtech zufolge 80 Prozent der Endprodukte. Der Schritt folgte als Reaktion auf eine Enteignung des Chipherstellers.
So steht der Konzern in den USA wegen angeblicher Gefahren für die nationale Sicherheit auf einer Sanktionsliste von Unternehmen, mit denen US-Firmen keine Geschäfte machen dürfen. Am Sonntag erklärte schließlich die niederländische Regierung, die Kontrolle bei Nexperia übernommen zu haben. Demnach gebe es Mängel in der Unternehmensführung, die eine „Gefahr für den Schutz wichtiger technologischer Kenntnisse und Fähigkeiten auf niederländischem und europäischem Boden“ darstellten. Regierungsangaben zufolge erfolgte das Ganze bereits im September.
Sie begründete dies mit der Sorge vor einer Weitergabe von Technologie an die chinesische Muttergesellschaft. Wie aus Gerichtsdokumenten hervorging, drängte die US-Regierung die Niederlande dazu. Auch der chinesische Firmenchef wurde per Gerichtsbeschluss abgesetzt. Nexperia erklärte am Dienstag, man sei mit Ausfuhrbeschränkungen sowohl aus den USA als auch aus China konfrontiert und suche Gespräche.
Bisher keine Ausfälle
Auch die Autobauer selbst stellen sich auf Lieferprobleme ein. Teile des Lieferantennetzwerks seien von den aktuellen Entwicklungen bei dem niederländischen Unternehmen betroffen, erklärte ein BMW-Sprecher. Die Fertigung in den Werken des Konzerns verlaufe jedoch weiterhin planmäßig. „Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten und bewerten die Lage fortlaufend, um potenzielle Versorgungsrisiken frühzeitig zu identifizieren und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“
Mercedes-Benz erklärte, das Unternehmen beobachte die Situation und sei mit relevanten Beteiligten in Kontakt. Volkswagen teilte mit, Nexperia sei kein direkter Lieferant. Aber Bauteile steckten in Komponenten, die VW von Zulieferern erhält. „Derzeit ist unsere Produktion unbeeinträchtigt.“ VW versuche im Austausch mit den Lieferanten Risiken zu identifizieren, um darauf zu reagieren. Betroffen von Lieferausfällen wären indes auch große Zulieferer wie Bosch, Aumovio oder Valeo.
ACEA teilte weiter mit, es gebe alternative Anbieter der Chips. Doch Zulassung und Aufbau der Produktion dürften mehrere Monate dauern. Die Autoindustrie hatte bereits während der Corona-Pandemie Produktionsausfälle, weil Halbleiter aus Asien bei hoher Nachfrage anderer Branchen Mangelware wurden. Auch Exportbeschränkungen für seltene Erden aus China behindern die Fertigung.