Friedenspreisträger Schlögel kann Friedensbewegung nicht ernstnehmen

Der diesjährige Friedenspreis-Träger des Deutschen Buchhandels, Karl Schlögel, wirft der hiesigen Friedensbewegung Blindheit vor. Er nehme den Pazifismus ernst, sagte der Osteuropa-Experte in einem Gespräch mit dem Berliner „Tagesspiegel“ am Dienstag. Aber eine pazifistische Bewegung, die von Frieden rede, die Aggression und den Aggressor aber nicht beim Namen nenne, die nicht unterscheide zwischen Angriff und Verteidigung, sei blind. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kommentiert Schlögel: „Ich kann sie nicht ernst nehmen.“

Er frage sich, in welcher Welt eine Friedensbewegung lebe, die nichts aus der Geschichte des Appeasement gegenüber Hitler 1938 gelernt hat, sagte der 77 Jahre alte Historiker und Essayist: „Die Leute, die auf Frieden mit Russland drängen, sollten sich einen Abend lang russische Medien anschauen. Der Grad von Verhetzung ist unvorstellbar, und ich rede gar nicht von altbackener sowjetischer Propaganda und Falschinformationen, sondern vom schrillen Ton der Entmenschlichung, der Brutalisierung der Bilder, der Nonchalance, mit der über den Einsatz von Atombomben diskutiert wird.“

Der Krieg werde von der Mehrheit in Russland hingenommen, mitgetragen, weil keine Alternative in Sicht sei. Es gebe wohl auch in Russland ein Gefühl, dass der Krieg zu Ende gehen müsse – aber zu russischen, zu Putins Bedingungen. „Also machen alle mit, in unterschiedlichen Graden der Unterstützung. Es ist nicht nur Putins Krieg.“ Und Putin wisse um das Risiko in den großen Städten, die daher ausgenommen seien von der Mobilisierung. Dort werde nicht zwangsrekrutiert.

Der Autor Karl Schlögel posiert in der Buchhandlung vor Regel