Auf dem Hofgut Kaltenberg scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Die Hopfenburg und Villa Kaltenberg erinnern an bedeutende Jahre in der Geschichte des Tettnanger Hopfenanbaus. Denkmalgeschützt und nach historischem Vorbild saniert, wird im Inneren der Villa an Zukunft gedacht – an Gebäude, die andernorts entstehen sollen.

Seit den 90er-Jahren hat das Architekturbüro „wassung bader architekten“ dort seine Räumlichkeiten. Die Geschichte des Büros ist weitaus länger: Seit 1975  prägen die Gebäude der Architekten aus Tettnang das Gesicht der Region.

Mit seinem Schaffen begann alles: Architekt Helge Wassung.Bild vergrößern

Mit seinem Schaffen begann alles: Architekt Helge Wassung. (Foto: wassung bader architekten)

Vor 50 Jahren beginnt es am Bärenplatz

Dafür legte Helge Wassung vor 50 Jahren den Grundstein: Am Bärenplatz, an der Stelle, wo heute noch die Osteria ist, begann Wassung mit seinem Büro.„Der Hang zur Kunst“, sagt Harald Bader, habe ihn zur Architektur geführt – und 1986 in das Büro von Helge Wassung. 1991 gründeten die Architekten eine Partnerschaft.

Ein erster Schritt in die Öffentlichkeit: eine Anzeige aus den Anfangsjahren.Bild vergrößern

Ein erster Schritt in die Öffentlichkeit: eine Anzeige aus den Anfangsjahren. (Foto: Anja Zürn)

Die Architektur war nicht nur ihr Beruf, sondern prägte auch die Familie: Wassungs Tochter Sylke stieg 2002 in das Unternehmen ein, führte die Partnerschaft mit Harald Bader fort. 2023 folgte Baders Sohn Jonas. „Es gibt die Anekdote, wie er im Kindergarten ein Haus zeichnen sollte. Die Erzieherin konnte es nicht verstehen, weil er einen Grundriss gezeichnet hat“, erzählt Harald Bader.

Ein Architekturbüro in dritter Generation

Heute leiten Sylke Wassung und Jonas Bader das Büro in dritter Generation, Harald Bader ist Seniorpartner. Das Team um sie herum ist in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen: Aus dem Ein-Mann-Büro am Bärenplatz wurde ein Team aus rund zwölf Architekten.

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Und hinter zahlreichen Gebäuden in der Region stecken die Architekten des Tettnanger Büros. Wobei manch Gebäude in Erinnerung bleibt: Sylke Wassung erinnert sich an eines ihrer ersten realisierten Projekte vor rund 25 Jahren: Ein Passivhaus in Tettnang, das eines der ersten in der Region gewesen sei. Geht sie heute daran vorbei, hat sie ein gutes Gefühl bei dessen Anblick: Die Bauherren seien sympathisch gewesen, das Projekt etwas Neues und Aufregendes. „Das war eine schöne Erfahrung.“

Auch Seniorchef Harald Bader erinnert sich an eines seiner ersten Projekte: Ein Haus, das um 1986 nahe dem Freibad gebaut wurde und dort noch immer steht. Es sei ein Haus, „das zu seinem Bauherren passte“, sagt er, und Wassung ergänzt, dass das ein wesentlicher Teil der Arbeit sei: „Spüren, was die Bauherren für Typen sind, was zu ihnen passt.“

Die KI und die Architektur

Dieses feine Gespür ist wiederum etwas, was der Architekt einer künstlichen Intelligenz voraus hat: „Die KI wird durchaus in der Lage sein, Grundrisse zu entwickeln, aber sie wird nicht die Empathie haben, sich auf die Persönlichkeit einen Bauherren einzustellen oder die Komplexität einer Industrieanlage komplett zu erfassen“, ist Harald Bader überzeugt. „Die KI ist ein Werkzeug, das uns an die Hand gegeben wird“, sagt Jonas Bader. „Es wird unseren Job formen und prägen, aber nicht ersetzen.“

Nie haben sich die Architekten in den vergangenen Jahren gescheut, neue „Werkzeuge“ zu nutzen. Die 50 Jahre seien, wie eine „Zeitreise von der analogen in die digitale Welt“, sagt Harald Bader. Früh haben sie sich mit Digitalisierung auseinandergesetzt, nutzen seit Mitte der 90er Jahre CAD-Programme und seit rund 20 Jahren BIM-fähige Software-Tools, die eine virtuelle eng vernetzte Planung mit allen Projektbeteiligten ermöglichen. „Wir sind technisch auf dem aktuellen Stand der Dinge und vorne mit dabei“, bilanziert Harald Bader.

Von Krisenzeiten und Anforderungen

Sie sind stolz auf das Erreichte, auf die Geschichte des Unternehmens, wobei auch das Architekturbüro „Tiefs“ hatte: Die Baukrise ging in ganz Deutschland nicht spurlos an Planungsbüros vorüber. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich in den vergangenen Jahren vor allem für Büros, die auf den Wohnungsbau fokussiert waren. „Wir hatten Dellen“, bilanziert Wassung, „aber die starken Einschnitte sind zum Glück an uns vorübergegangen“.

Auch, weil das Tettnanger Büro nicht einseitig aufgestellt ist: Das Portfolio reicht von Wohngebäuden bis zu Industrie- und Gewerbebauten, von Kirchensanierungen, innovativen Micro-Appartements, über funktionelle Feuerwehrhäuser bis hin zu komplexen Großprojekten.

Der Blick auf die Homepage zeigt das vielfältige Schaffen des Architekturbüros: Die Sanierung der Hopfenburg oder die Erweiterung der damaligen Grundschule und des heutigen Kindergartens in Hiltensweiler in den 90ern, die Mehrzweckhalle Obereisenbach, die Renovierung der Kirche St. Maria um 2004 sowie die Kirchplatzgestaltung 2008 in Meckenbeuren, das um 2019 eröffnete „Haus der Pflege“ in Tettnang sind Projekte der „wassung bader architekten“.

Wie viel des persönlichen Geschmacks in ein Gebäude einfließen darf, hänge von der Art des Projekts ab, so Harald Bader. „Was uns umtreibt, sind natürlich Normierungen, DIN-Normen, die aufgestellt werden, spezielle Arbeitsstättenrichtlinien, Energieeinspargesetze oder strenge Bebauungspläne“, so Jonas Bader. „Das sind Sachen, die uns teilweise ein sehr enges Korsett anlegen.“

Die Vielfalt des Schaffens

Dennoch gelingt dem Architekturbüro immer wieder ein weiterer Schritt – auch auf überregionaler Ebene: Derzeit planen und realisieren sie neue Feuerwehrwachen für die Werksfeuerwehren der Unternehmen Everllence, vormals MAN, in Augsburg und Airbus in Immenstaad. Das Büro hat sich einen Namen in Sachen Feuerwachen gemacht, gewann 2006 mit der Feuerwache in Wangen einen europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb.

Das Feuerwehrhaus in Wangen gilt bis heute als Vorzeigeprojekt.Bild vergrößern

Das Feuerwehrhaus in Wangen gilt bis heute als Vorzeigeprojekt. (Foto: Christoph Morlok)

Zudem steht das Architektenbüro in enger Verbindung mit einem anderen großen Namen der Region: „Vetter Pharma“. Seit rund 20 Jahren plant das Architektenbüro die Gebäude des Pharmakonzerns und ist derzeit mit der Planung des neuen Vetter-Standorts auf dem Ford-Gelände im saarländischen Saarlouis betraut, wo ab 2030 tausende Mitarbeiter arbeiten sollen.

„Im Gegensatz zu so einem Großprojekt steht dann natürlich die Gestaltung eines Altarraums“, so Sylke Wassung. „Aber es ist gerade diese Vielfalt, die unsere Arbeit seit Jahrzehnten bereichert.“

Zahlreiche Gebäude des Pharmaunternehmens Vetter wurden von dem Tettnanger Architekturbüro geolant und realisiert.Bild vergrößern

Zahlreiche Gebäude des Pharmaunternehmens Vetter wurden von dem Tettnanger Architekturbüro geolant und realisiert. (Foto: wassung bader architekten)