
Die Armee in Madagaskar verkündete vor wenigen Tagen ihre Machtübernahme, der langjährige Präsident floh. Sein Amt übernimmt nun ein Oberst. Schnelle Neuwahlen, die das Verfassungsgericht fordert, lehnt er ab.
Nach dem Militärputsch in Madagaskar ist Oberst Michael Randrianirina neuer Staatschef des Landes. Der 51-Jährige wurde vom Verfassungsgericht zum Präsidenten für die Neugründung der Republik vereidigt. Seine Spezialeinheit Capsat hatte am Dienstag mitgeteilt, die Macht in dem Inselstaat übernommen zu haben. Randrianirina versprach Wahlen binnen anderthalb bis zwei Jahren. Eine Forderung des Gerichts nach Wahlen binnen 60 Tagen lehnte er ab und verwies auf nötige Reformen.
Nach wochenlangen Protesten, bei denen der Rücktritt des Präsidenten Andry Rajoelina gefordert worden war, hatte dieser am vergangenen Sonntag das Land verlassen. Rajoelina war vom Parlament des Amtes enthoben worden. Medienberichten zufolge soll er sich in Dubai aufhalten. Seine Vertreter beharren darauf, dass er weiterhin im Amt ist. Rajoelina hatte sich selbst 2009 an die Macht geputscht und Madagaskar zuletzt seit 2019 als Präsident regiert.
Internationale Vertreter zu Gast
„Ich werde die hohen Pflichten meines Amtes als Präsident der Republik Madagaskar voll und ganz und gerecht erfüllen“, sagte der neu vereidigte Randrianirina bei der Zeremonie vor dem Hohen Verfassungsgericht. „Ich schwöre, dass ich die mir anvertraute Macht ausüben und all meine Kraft dem Schutz und der Stärkung der nationalen Einheit und der Menschenrechte widmen werde.“ Der Tag sei ein Wendepunkt in der Geschichte des Landes, er wolle mit der Vergangenheit brechen und dem Land einen Neustart ermöglichen.
Randrianirina, der in einem zivilen Anzug auftrat, sprach von einem historischen Wendepunkt und versprach Rückhalt für die Forderungen der Jugend nach einer Lösung der wirtschaftlichen Probleme. Der Vereidigung wohnten ranghohe Militärs, Politiker, Vertreter der Jugendbewegung sowie Diplomaten unter anderem aus Deutschland, Frankreich, den USA, China und Russland bei.
Oberst Randrianirina hatte zuvor angegeben, das Militär habe alle staatlichen Institutionen – mit Ausnahme des Parlamentsunterhauses, der Nationalversammlung – aufgelöst. Ein vom Militär geführter Ausschuss werde zusammen mit einer Übergangsregierung regieren, bevor Neuwahlen organisiert würden.
UN-Generalsekretär Guterres verurteilt Schritt des Militärs
UN-Generalsekretär António Guterres hatte die Machtübernahme durch das Militär verurteilt. Die Afrikanische Union (AU) setzte die Mitgliedschaft von Madagaskar vorläufig aus. Die Suspendierung werde so lange dauern, „bis die verfassungsmäßige Ordnung wiederhergestellt ist“, hieß es in der Entscheidung der Union. Außerdem schickte die AU eine Delegation auf die Insel.
Seit Ende September hatten vor allem junge Menschen mit teils gewalttätigen Demonstrationen den Rücktritt des Präsidenten Rajoelina gefordert. Auslöser der Aufstände waren Strom- und Wasserausfälle, Missstände im Bildungssystem sowie hohe Arbeitslosigkeit und weit verbreitete Armut. Am Wochenende hatte die Spezialeinheit Capsat dazu aufgerufen, sich dem Befehl, auf die Protestierenden zu schießen, zu widersetzen und sich den Protesten anzuschließen.
Dieses Foto vom Dienstag zeigt Menschen in der Hauptstadt Antananarivo bei der Ankunft von Soldaten.
Laut Weltbank 80 Prozent der Bevölkerung unter Armutsgrenze
In der Hoffnung, den gewaltsamen Protesten ein Ende zu setzen, hatte Rajoelina die Regierung aufgelöst. Sie stand wegen des Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten in der Kritik. Eingesetzt wurden Wasserwerfer, Gummigeschosse und scharfe Munition. Dabei wurden laut den Vereinten Nationen alleine in den ersten Protesttagen Ende September mindestens 22 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt.
Der Inselstaat Madagaskar vor der Südostküste Afrikas ist doppelt so groß wie Italien, zählt aber mit rund 30 Millionen Menschen nur etwa die Hälfte der Einwohner. Das Land ist weltweiter Hauptexporteur von Vanille. 80 Prozent der Einwohner leben der Weltbank zufolge unter der Armutsgrenze.