Fotografin Jules Villbrandt lässt Alltagsmomente wie Kunst wirken und nutzt ihre Berliner Wohnung als Raum für Inszenierungen. Und drum herum tobt das Familienleben.
Kaum zu fassen, dass diese 3,5-Zimmer-Wohnung 2008 niemand haben wollte! Julia-Ruth Villbrandt, genannt Jules, erinnert sich lebhaft an den Fund dieses Wohnmythos im Berliner Wedding: Knapp 100 Quadratmeter für 500 Euro warm – und dennoch musste die heute 39-Jährige überlegen. „Ich war ja noch Studentin an der Universität der Künste und unser Sohn Justus gerade mal zwei Jahre alt.“ Aber sie dachte: „Lass uns das wagen!“ und konnte auch Partner Alhadj Diallo überzeugen.
Jules Villbrandt (@herzundblut) bekommt viel unter ein Dach. Das Werk von Kim Bartelt rahmt sie und die Familie ein: Sohn Justus, Tochter Jolanta und ihren Partner Alhadj Diallo.
© Claudia Böttcher
Aus dem Wagnis ist das langjährige Familienquartier gewachsen, durch das seit 2021 auch Tochter Jolanta flitzt. Von den Eskapaden rund um die Renovierung des nun offenen Wohn-Ess-Bereichs, von frechen Waschbären auf Baugerüsten und einem Fahrstuhl, „der nach sechs Jahren Planungszeit heute zum ersten Mal gefahren ist“, erzählt Villbrandt mit viel Liebe für ihre Heimatstadt: „Das ist typisch Berlin!“
So eine Nicht-meckern-sondern-machen-Frau wie sie hat sich kurzerhand den Job selbst erfunden: Aus einem der erfolgreichsten Interior- und Lifestyleblogs Herz & Blut, gegründet 2010, ist inzwischen der Klub Maison mit eigenem Newsletter plus großem Fotostudio für fortlaufend sprudelnde Ideen entstanden, dessen Küche bei Events von Jules’ älterer Schwester Maria-Silva bespielt wird: mit Buffets als sinnlichem Happening, komponiert wie ein Gemälde.
Schon Jules’ Mutter sammelte Kunstbände, an die sich jetzt auch ihre eigene Tochter Jolanta langsam herantastet.
© Jules Villbrandt
„Ich kann zu allem eine Geschichte erzählen, nichts ist mir unwichtig“
Jules Villbrandt
Auf kreativer Ebene war das Geschwisterduo schon von Kindesbeinen an eingespielt. Kaum waren die Eltern verreist, „haben wir auf kleinstem Raum Dinnerpartys gegeben. Es ist alles nach und nach gewachsen. Für mich sind wir das chaotischste-organisierteste Konstrukt der Welt. Nichts hat einen richtigen Vorlauf, aber wir bekommen alles trotzdem immer wieder hin.“
„Das Zimmer meines Sohnes ist mein Traumraum“, schwärmt Jules stolz. Seine Hobbys bekommen Ehrenplätze: Lego (o. r.) und Tennis (auf der Bank).
© Jules Villbrandt
Dahinter stand immer der Wunsch, Menschen zusammenzubringen, damit Unerwartetes entstehen kann, und mit ihnen den Moment zu zelebrieren und in Bildern festzuhalten – wie all die Alltagsszenen in den Kunstwerken in der Wohnung, deren Magie Sammlerherz Jules für die Ewigkeit bewahren möchte.
Das Bett für die Kleinste wächst mit und ist vom dänischen Hersteller Sebra. Ein eigenes Zimmer ist im Entstehen, bis dahin schläft sie neben dem Boxspringmodell der Eltern (von Fennobed).
© Jules Villbrandt
„Ein Umzug könnte sicher helfen, sich mal neu zu sortieren. Je älter ich werde, desto mehr Ordnung brauche ich“, stellt Jules fest. Im Schlafzimmer schenken solange Einbauten Struktur.
© Jules Villbrandt
Überm Bett hängt ein Werk der Wienerin Rini Spiel. „Die meiste Kunst finde ich auf Instagram. Und bin selbst erstaunt, wie schnell sich die Werte der Bilder später steigern. Das ist meine persönliche Version von Lotto.“
© Jules Villbrandt
Als Jules begann, Fotos ihrer Wohnung zu posten, war sie eine der ersten Wohnbloggerinnen. Der Erfolg wuchs so stetig wie ihr kreativer Kosmos.
© Jules Villbrandt
Einfach mal nachgefragt
Ist Ihr Blick für Ästhetik mit der Zeit gewachsen, Jules?
Ich hatte schon beim Malen als Kind ein Gefühl für Formensprache und habe mich in Kunstbänden verloren. Während meiner ersten Schwangerschaft habe ich mit dem Fotografieren angefangen und dabei mein ursprüngliches Interesse mit neuem Leben gefüllt.
Sie selbst haben das zunächst gar nicht als Gabe wahrgenommen, oder?
Von meiner Familie wurde das total liebevoll begleitet, wir sind ständig in Ausstellungen gegangen. Das wurde aber nicht als etwas Besonderes an-gesehen, sondern war ganz selbstverständlich Teil unserer Erziehung.
Sie sind bis heute von Kunst umgeben.
Ich kann mich nur schwer trennen und habe sogar unterm Bett in Folie eingepackte Leinwände. Kunstwerke stehen für verschiedene Phasen meines Lebens und sind mir sogar näher als meine teuersten Möbel. Die Bilder würde ich immer zuerst retten, sie machen unser Zuhause unverwechselbar.
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