Manchmal muss man sich etwas Zeit lassen, mit Kommentaren zu Aussagen von Friedrich Merz. Es könnte ja sein, dass man ihn missverstanden hat und er Aussagen zurücknimmt und bedauert. Das macht er meist nicht, er sitzt in bester Kohl’scher Manier den Shitstorm aus. Also heute doch ein Kommentar zum „Stadtbild“.
Ist er nicht ein richtiger Sonnenschein, unser Bundeskanzler? Sprüht er nicht gute Laune und Optimismus aus? Ja, ist er nicht und tut er nicht, fast seine gesamte Regierungs-Crew ebenfalls nicht. Wo sind die Zeiten von Aussagen wie „blühende Landschaften“, „Wir schaffen das!“, und selbst nach „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.“ sehnt man sich geradezu zurück. Gerade der Herzog’sche „Ruck“ wird oft geradezu pervertiert.
Es geht nämlich wieder ein Ruck durch Deutschland, seit Friedrich Merz Bundeskanzler ist. Manche, ihm nicht wohlwollende, Menschen sprechen sogar von einem Rechts-Ruck. Besonders weil Friedrich Merz jetzt, bei seinem Antrittsbesuch in Brandenburg von Migration und dem Stadtbild in einem Atemzug gesprochen hat.
Ja, er hat vorher gesagt „Jetzt muss ich kurz etwas Parteipolitisches sagen.“, allerdings spricht er dann ja als Vorsitzender einer Regierungspartei. Macht es das wirklich besser?
Was hat er eigentlich genau zum „Stadtbild“ gesagt? Wörtlich, hier bei Phoenix zu sehen, war die Aussage:
„Damals wäre es nach meiner festen Überzeugung, mit der Migrationspolitik auch schneller lösbar geworden. Das ist nicht gemacht worden. Wir korrigieren es jetzt. Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24, August 25 im Vergleich um 60 % nach unten gebracht. Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem. Und deswegen ist der Bundesinnenminister auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Das „damals“ bezieht sich auf die Zeit vor sieben bis acht Jahren, also auf die Regierung unter Merkel. Zu dem Teil „in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24, August 25“ erübrigt sich ein Kommentar, bedenkt man, dass diese Bundesregierung erst seit Mai 2025 im Amt ist.
Bemerkenswert ist allerdings, dass der CDU-Parteivorsitzende nicht von sogenannter „illegaler Migration“, sondern von „Migration“ spricht. Diese bezeichnet er als „Problem im Stadtbild“.
Es geht also um alle eindeutig als „Fremde“ erkennbaren Menschen. Gerade in einer (noch) weltoffenen Stadt wie Leipzig kann man das nur kritisch sehen. In dieser Stadt gibt es Menschen mit Migrationshintergrund in zweiter oder dritter Generation, die hier leben, arbeiten und ihre Kinder erziehen.
Ausländische Studierende und Touristen prägen das Stadtbild und Arbeitende, besonders in der Baubranche, die aus anderen Ländern kommen, bauen Häuser und Straßen. Stören diese Menschen jetzt alle das Stadtbild?
Denkt man in Leipzig an die Eisenbahnstraße, dann fühlen sich einige Menschen ja auch gestört von der Vielzahl an „ausländischen Geschäften“. Wäre das Stadtbild schöner mit leerstehenden Ladenlokalen?
Wäre unser Stadtbild schöner, wenn, wie aktuell in den USA geschehend, „als nicht zugehörig erkannte Menschen“ von Einsatzkräften zu Boden geworfen und abtransportiert würden?
Erinnern wir uns an den 5-Punkte-Plan der CDU, dort hieß es: „Inhaftierung von Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch in leerstehende Kasernen und Containerbauten.“ Wird das jetzt ersetzt durch „Personen, die das Stadtbild stören“?
Wer stört künftig, also wenn „die Ausländer“ weg sind, das Stadtbild? Wahrscheinlich sind das dann Obdachlose, vielleicht auch „bunte Vögel“ wie die beim CSD oder die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des WGT. Stören alle, die nicht dem Stadtbild des sauertöpfischen sauerländischen Bundeskanzlers entsprechen?
Worum geht es Friedrich Merz eigentlich?
Es geht scheinbar darum, einerseits die Angst vor der „irregulären Migration“ zu schüren, gleichzeitig auch die Angst von Menschen mit Migrationshintergrund vor Repressionen. Das gehört schon länger zum Instrumentenkasten der CDU. Der Bundeskanzler hat mit seiner Rede beim Antrittsbesuch in Brandenburg nur nochmal nachgelegt.
Natürlich kann ich mit meiner Einschätzung auch ganz falsch liegen. So meinte ja der Regierungssprecher Stefan Kornelius: „Ich glaube, da interpretieren Sie zu viel hinein. Der Bundeskanzler hat sich zu dem geänderten Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung geäußert ‑ übrigens in seiner Funktion als Parteivorsitzender, was er auch explizit so kenntlich gemacht hat.“
Ist es wirklich besser, wenn ein Vorsitzender einer Regierungspartei so etwas äußert?
Fazit: Ich halte Friedrich Merz für intellektuell fähig genug, die Wirkung seiner Worte einzuschätzen. Somit bleibt nur übrig, dass er die Aussage genau so gemeint hat. Das halte ich für mehr als bedenklich.