Awie Apfelwein

Auch wenn eine Diskussion über die Zukunft der Autonomen in den Neunzigern „Heinz-Schenk-Debatte“ genannt wurde, um mit dem angestaubten Namen die Rückständigkeit der deutschen Linken zu kritisieren, sollte die Bedeutung von Ebbelwoi in Bembeln (Apfelwein in traditionellen Krügen) für die Frankfurter Linke nicht unterschätzt werden. Egal ob sauer oder süß gespritzt, war das hessische Nationalgetränk stets auch bei antinationalen Linken hoch im Kurs. An Orten wie dem Künstlerkeller unter dem Karmeliterkloster traf man seit den Sechzigern auf Peter Weiss, Joschka Fischer (→ Taxi) oder auch mal Dustin Hoffman mit einem Bembel. Im Klabunt gab sich später die Titanic-Redaktion die Klinke in die Hand, und Harry Rowohlt forderte: „Alles stehen und liegen lassen, hin!“ Zum Ebbelwoi-Trinken selbstverständlich. Nach dem Ende des Klabunt ging es im Henscheid weiter, benannt nach dem Gründungsmitglied der Neuen Frankfurter Schule, denn ohne linkes Ebbelwoiprojekt keine Linke in Frankfurt.

Bwie Blockupy

Das 2012 erstmals in Erscheinung getretene Bündnis aus Gewerkschaften, linken Parteien und globalisierungskritischen Strukturen wollte „den Widerstand gegen ein Krisenregime, das Millionen Menschen in vielen Ländern Europas in Not und Elend stürzt, an einen seiner Ausgangspunkte tragen: mitten ins Frankfurter Bankenviertel“, wie es auf seiner Webseite festhielt. Im selben Jahr begann die Überwachung durch den hessischen Verfassungsschutz, nachdem im Mai mehrere Großdemos – mit vielen Festnahmen – und Aktionen vor der EZB stattgefunden hatten. Im Mai 2013 und 2014 folgten Blockupy-Aktionstage, verbunden mit Auseinandersetzungen mit der Polizei. Zuletzt machte die Bewegung (→ Hausbesetzung) 2015 von sich reden, als etwa 20.000 Menschen gegen die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank demonstrierten.

Fwie Fassbinder

Mitte der Siebziger schrieb Rainer Werner Fassbinder das Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod, in dessen Figur des Immobilienspekulanten, darin als der „reiche Jude“ bezeichnet, sich Ignatz Bubis wiedererkannte, der als Investor an den Auseinandersetzungen um die Sanierung des Frankfurter Westends beteiligt war, die zum Ausgangspunkt für die Hausbesetzungen wurde. Die geplante Uraufführung des Stücks in Frankfurt am 31. Oktober 1985 im Schauspiel unter Regie von Dietrich Hilsdorf wurde von einer scharfen Feuilletondebatte begleitet, die FAZ schrieb vom „Antisemitismus ohne Antisemiten“ im links-liberalen Spektrum der Stadt. Die Uraufführung scheiterte, da die Bühne von Vertretern der Jüdischen Gemeinde besetzt wurde, während gleichzeitig vor dem Theater über 1.000 Menschen gegen das Stück protestierten. Die politischen Verwerfungen und Spaltungen, ausgelöst durch den von jüdischer Seite kritisierten Antisemitismus von links, sind bis heute in der Stadt zu finden.

Hwie Hausbesetzung

„Im Besetzen der Häuser und in Mietstreiks liegt der Angelpunkt für den Kampf gegen das Kapital“, hieß es 1973 in der Sponti-Zeitschrift Proletarische Front. Zu diesem Zeitpunkt war der Häuserkampf (→ Fassbinder) im Frankfurter Westend schon in vollem Gange, im Herbst 1970 hatten dort die ersten Besetzungen in der Geschichte der BRD stattgefunden, als drei leer stehende Häuser von Studierenden sowie Gastarbeiter:innen und ihren Familien bezogen wurden. Vorausgegangen war 1969 die Gründung der Bürgerinitiative Aktionsgemeinschaft Westend, die sich gegen Bauspekulation, Mietervertreibung und Abriss formiert hatte. Menschen aus Studentenbewegung, Kirchen und Gewerkschaften hatten sich mit den Anwohnern zusammengetan. Ab 1971 ließ die Stadt die Gebäude räumen und es kam zu Straßenschlachten.

Iwie Institut

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, linker Demospruch, Erstsemester-Hausarbeitstitel und Toilettenkritzelei im Frankfurter Café Koz: Keine linke Frankfurter Geschichte wäre vollständig ohne Adorno und Horkheimer und das 1923 durch eine Stiftung von Hermann und Felix Weil gegründete Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Unter Leitung von Max Horkheimer Geburtsort der Kritischen Theorie, von den Nazis in die Emigration gezwungen und in den USA gemeinsam mit Leo Löwenthal, Herbert Marcuse, Franz Neumann, Erich Fromm und anderen weitergeführt, 1951 in Frankfurt wiedereröffnet. Zentraler Ort kritischen Denkens in der BRD mit marxistischer Grundausbildung, jüdischem Traditionsbewusstsein und wenig Sinn für den Aktivismus der Studentengeneration. Adorno-Schüler Hans-Jürgen Krahl schrieb, nachdem Adorno einen Hörsaal hatte räumen lassen, dieser habe sich vom „aufrührerischen Revolutionsrot“ zum „spießigen Polizeigrün“ gewandelt.

Nwie NFS

„Ich hab die Zeit bei ‚Pardon‘ deshalb so genossen, weil ich davor in der Schule brav und angepasst war“, erinnert sich F.K. Waechter an die Gründung der linken Satirezeitschrift im September 1962, „und nun für das, wofür ich in der Schule noch Ohrfeigen bezog, geliebt und getätschelt wurde.“ Neben Waechter waren Robert Gernhardt, F.W. Bernstein beteiligt, auch Wilhelm Genazino war zeitweise Redaktionsmitglied. Der eigenwillige Humor des erst seit den frühen Achtzigern „Neue Frankfurter Schule“ genannten losen Zusammenhangs von Zeichnern und Autoren war neu in Deutschland und hat sich in der ebenfalls in Frankfurt ansässigen Titanic weitergetragen. „Der Untergang des Abendlandes? Grad war’s noch da – und dann verschwand es“, so hat Bernstein, der Lyriker des Grotesken, einmal den eigenen Kulturauftrag zusammengefasst.

Pwie Paulskirche

Die Frankfurter Paulskirche, in der 1848 bis 1849 die Delegierten der Frankfurter Nationalversammlung und damit der ersten Volksvertretung für ganz Deutschland tagten, ist eines zentralen Symbole der demokratischen Bewegung. Die Kirche bot den größten und modernsten Saal Frankfurts und die Kirchenvertreter waren sich einig, die Demokratiebewegung unterstützen zu wollen. Auch während des Nationalsozialismus blieb die Kirche stabil, Pfarrer Veidt wurde durch die Gestapo überwacht, mit Redeverbot belegt und mehrfach in Haft genommen. Seit 1950 wird in der Kirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vergeben. 1998 sorgte der Preisträger Martin Walser für einen Skandal, als er von der „Moralkeule Auschwitz“ sprach und der „unvergänglichen Schande“, die er nicht mehr ertragen wolle. In einem späteren Gespräch mit Ignatz Bubis, der neben Friedrich Schorlemmer und seiner Frau Ida als Einziger nicht applaudiert hatte, sprach Walser von der „Dauerpräsentation unserer Schande“. Heute sind durch die AfD solche geschichtsrevisionistischen Gedanken normalisiert.

Swie Strassenjungs

„Bankfurt, Bankfort, ich wollt, es wär’ hier jede Bank fort, es geh’n so viele von dir krank fort, bald fegt den ganzen Mist der Punk fort“, haben die Strassenjungs, 1976 gegründet und damit eine der ersten Punkbands der BRD, in ihrem Song Bankfurt gesungen. Diese Ankündigung hat sich nicht bewahrheitet, ohnehin konnte Punk in Frankfurt nie richtig Fuß fassen. Außer den Strassenjungs und den Middle Class Fantasies gab es keine überregional bedeutende Punkband aus der Stadt, während Punk anderswo Häuserkämpfe (→ Hausbesetzung) organisierte und ein linkes politisches Selbstverständnis aktivierte. Am anderen Ende des politischen Spektrums in Frankfurt standen die Böhsen Onkelz, die zunächst aber noch als Weggefährten starteten und auf dem Punk-Sampler Soundtracks zum Untergang von 1982 gegen „Hippies“ wettern durften.

Twie Taxi

„Ich habe das Leben kennengelernt, wie es wirklich ist.“ Seine Zeit als Taxifahrer in Frankfurt habe ihn zu einem anderen Menschen gemacht, da ist sich Joschka Fischer sicher. „Im Taxi habe ich erkannt, dass der Mensch von extremer Ambivalenz ist: großmütig und hundsgemein in einem. Und dass sich das nie ändern wird.“ Zuvor war er Mitglied der militanten Gruppe Revolutionärer Kampf gewesen, hatte Vorlesungen am → Institut für Sozialforschung besucht und bei Opel in Rüsselsheim Arbeiter agitiert. Aber erst im Taxi, das er bis 1982 fuhr, „wurde ich definitiv zum Realo“. Frühere Taxi-Kollegen – ein beliebter Job unter den (Post)68ern – erinnern sich oft an den unkollegialen rüden Umgang des späteren Außenministers, ein echter Realo eben (→ Zankfurt). Dass sich der ehemalige Linksradikale Fischer inzwischen gegen Tempo 30 in der Stadt ausspricht, begründet er auch mit seiner Frankfurter Taxifahrerzeit: „Ich schaute, dass ich vorankam und Umsatz machte“, hat er der FAZ gesagt. „Ich bin ja auch für Lärmschutz, aber das Leben ist nun mal, wie es ist.“

Zwie Zankfurt

Wohl kaum ein Publikationsorgan steht so sehr für die Frankfurter Linke wie der Pflasterstrand, die 1976 ins Leben gerufene „Zeitschrift der Linksradikalen in Frankfurt“. „Zeitung für Zankfurt“ lautete ein anderer Untertitel, und diese Streitlust ist der rote Faden der als Sprachrohr der Sponti-Szene (→ Taxi) von Daniel Cohn-Benditherausgegebenen Zeitschrift (→ NFS), die in ihrer ersten Ausgabe den Anspruch formulierte, „eine Darstellung und Auseinandersetzung eines Spektrums zu werden, das von den Makrobioten bis zur Revolutionären Zelle reicht“. Schaut man sich die Autoren an, die über die Jahre für die „Zeitung für Stadtindianer“ geschrieben haben, so erscheint dieser Querfront-Anspruch erfüllt: Da findet sich zwischen Claus Leggewie oder dem Revolutionäre-Zellen-Terroristen Hans-Joachim Klein auch der Name Alexander Gauland.