Gefragt nach möglicherweise kriegsentscheidenden Waffenlieferungen, wiegelt der amerikanische Präsident ab. Ob die Ukraine die weitreichenden Marschflugkörper bekommt, bleibt unklar.
Selenski sehe «wunderbar aus in seinem Blazer, sehr stylisch», lobte Trump den ukrainischen Präsidenten.
Jonathan Ernst / Reuters
Mit dem Deal für Gaza ist ihm ein Husarenstück gelungen. Jetzt will Donald Trump endlich auch den Ukraine-Krieg beenden. Einen Tag nachdem sich der amerikanische Präsident laut eigener Aussage mit Wladimir Putin auf einen Gipfel in Budapest «in zwei Wochen oder so» verständigt hatte, empfing er am Freitag Wolodimir Selenski im Weissen Haus.
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Selenski, der wie schon bei seinem Besuch im August eine schwarze Feldjacke und ein schwarzes Hemd trug, machte einen selbstgewissen Eindruck. Zum ersten Mal war er im offiziellen Gästehaus des amerikanischen Präsidenten, im Blair House schräg vis-à-vis dem Weissen Haus, einquartiert worden. Man kommt sich näher.
Selenskis mittlerweile drittes Treffen mit Trump in Washington brachte jedoch keine sichtbaren Fortschritte zur Beilegung des seit bald vier Jahren andauernden Krieges. Selenski trat nach dem Mittagessen mit Trump alleine vor die Reporter und sprach von einem «produktiven» Austausch. «Wir vertrauen darauf, dass Trump diesen Krieg beenden will», sagte Selenski.
Vor ihrem Treffen hatten sich die Staatschefs im Cabinet Room bereits den Fragen der Medien gestellt, wobei Selenski Trump zunächst zu seinem Erfolg im Mittleren Osten gratulierte, während der amerikanische Präsident den Ukrainer zu seinem Anzug beglückwünschte: «Er sieht wunderbar aus in seinem Blazer, sehr stylisch.»
Vor dem gemeinsamen Essen beantworteten Trump und Selenski Fragen.Ein mögliches Tauschgeschäft
Die Nettigkeiten konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dem zentralen Punkt, der auf der Tagesordnung stand, offenbar keine Fortschritte erzielt werden konnten: Selenskis dringlichem Anliegen nach amerikanischen Tomahawk-Raketen hat Trump zwar keine direkte Absage erteilt. Doch er hat dem Gesuch auch nicht stattgegeben.
Später sagte Selenski zu den Reportern, dass Trump und er beschlossen hätten, nicht über die Entscheidung zu sprechen, «weil niemand eine Eskalation will». Er hoffe, dass die Ukraine die Waffen nicht brauchen werde, hatte der amerikanische Präsident zuvor ebenso uneindeutig an der Pressekonferenz gesagt. Denn er wolle den Krieg vorher beenden. Zudem würden die USA ihre Bestände nur sehr ungern leeren, fügte Trump hinzu. Man könne ja nie wissen.
Der ukrainische Präsident schien auf den Einwand gewartet zu haben und erklärte, dass man in einem Krieg nicht nur Tomahawks brauche, sondern auch Tausende Drohnen – «die haben wir». Selenski schien sagen zu wollen, dass man miteinander ins Geschäft kommen könne: Tomahawks gegen Drohnen. «Wir wären an ukrainischen Drohnen interessiert», erklärte Trump. «Sie machen sehr gute Drohnen.» Doch ob er sich tatsächlich für eine Art Tauschgeschäft erwärmen könnte, scheint fraglich.
Der reichweitenstarke Marschflugkörper wird als möglicher Game-Changer gesehen, mit der es der Ukraine möglich wäre, den Kriegsverlauf entscheidend zu ihren Gunsten zu wenden. Die Tomahawks würden die ukrainische Schlagkraft steigern. Mit einer Reichweite von etwa 1600 Kilometern könnte Kiew Ziele in Moskau und auch weit im russischen Hinterland ins Visier nehmen. Doch nicht nur die exorbitanten Stückkosten von zwischen einer halben und mehreren Millionen Dollar stehen einer entsprechenden Aufrüstung der Ukraine im Weg.
Offenbar hat Putin dem amerikanischen Präsidenten bei dem zweieinhalbstündigen Telefongespräch – dem achten in den vergangenen neun Monaten – sehr deutlich gemacht, dass er eine Lieferung von Tomahawks als schwerwiegende Eskalation des Konflikts betrachten würde, die auch das Vertrauen in die amerikanische Vermittlertätigkeit unterminieren würde. Trump, der einer Lieferung der Marschflugkörper zu Beginn der Woche nicht abgeneigt war, schien sich bei der Pressekonferenz mit Selenski von der Idee eher wieder zu distanzieren.
Selenski in Budapest?
Dagegen erwähnte der amerikanische Präsident verschiedentlich den «tausendjährigen Konflikt», den er im Nahen Osten gelöst habe und der deutlich komplizierter gewesen sei als jener in der Ukraine. Den russischen Angriff führt Trump offenbar vor allem auf persönliche Animositäten zwischen den zwei Staatschefs zurück. «Viel böses Blut» sei vorhanden, sagte er. Doch er sei zuversichtlich, den Hass abbauen und die Konfliktparteien an einen Tisch bringen zu können. «Putin will den Krieg beenden», gab er sich überzeugt.
Gefragt, ob er Selenski auch zu dem Gipfel in Budapest erwarte, blieb Trump vage. Er sprach von einem möglichen «Doppeltreffen», ohne allerdings auszuführen, was er damit meinte. Selenski wiederum wich der Frage aus: «Bilateral, trilateral . . . – das ist nicht wichtig, Frieden ist wichtig.»
Es blieb bei den wohlklingenden Phrasen, Substanzielles wurde zumindest vor dem Gespräch der beiden Staatschefs nicht kommuniziert. Damit scheint sich ein vertrautes Muster zu wiederholen: Der amerikanische Präsident baut zunächst Druck auf Russland auf, dann krebst er zurück.
Trump laviert in seiner Russlandpolitik auf beispiellose Weise. Beim ersten Treffen mit Wolodimir Selenski im Februar, das in einem gehässigen Wortgefecht geendet hatte, setzte er den ukrainischen Präsidenten vor die Tür. Am Rande der Trauerfeier für Papst Franziskus im Petersdom in Rom kam es dann im April 2025 jedoch zu einer Annäherung der beiden Präsidenten. Trumps Beziehung zu Putin hingegen schien erkaltet. «Er führt mich vielleicht nur an der Nase herum», sagte Trump.
Der nächste Husarenstreich
Dann kam der Nato-Gipfel im Juni, als Trump vom Nato-Skeptiker zum Befürworter wurde, nachdem das Bündnis eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben in Aussicht gestellt hatte. Jüngst hatte es nun den Anschein gemacht, als würde Trump endgültig Partei für die Ukraine ergreifen. Denn obwohl er noch einmal auf Putin zugegangen war und ihm beim Gipfel Mitte August in Alaska den roten Teppich ausgerollt hatte, führte dieser den Krieg mit unverminderter Brutalität weiter. Trumps Charmeoffensive war verpufft.
Danach stellte die Trump-Regierung den Ukrainern laut neuen Informationen von CNN Geheimdienstinformationen zur Verfügung, die ihnen zunehmend Angriffe auf die Öl-, Gas- und Energieinfrastruktur Russlands ermöglichten. Seither beklagen immer mehr russische Regionen Benzinknappheit und steigende Preise. Die Ukraine könne diesen Krieg gewinnen und verloren geglaubtes Territorium zurückgewinnen, hatte Trump Ende September gesagt. Russland sei «ein Papiertiger».
Ob der anvisierte Gipfel in Budapest nun als erneute Kehrtwende und ein Zugehen auf Putin gewertet werden muss, wird sich zeigen. Aber vielleicht gelingt Trump ja tatsächlich in Ungarn, wo sich einst die waghalsigen Husarenregimenter bewiesen, der nächste Husarenstreich.