Nicht nur der Kanzler hat ein „Problem mit dem Stadtbild“. Stuttgart hat es auch! Unser Stadtbild ist penetrant weiß-rot – was erst mal nichts mit Fußball zu tun hat. Rote Streifen auf weißem Untergrund begegnen uns vielmehr auf Verkehrsbaken und Abschrankungen. An jeder zweiten Ecke. Und das jeweils geballt – man nennt diese Ensembles auch Baustellen. Begleitet von gelben Umleitungsschildern und orangefarbene Warnleuchten. Stolz können wir sagen: Stuttgart leuchtet! Oder besser: Stuttgart blinkt!

An dem weiß-roten Farbenspiel mit den orangefarbenen Tupfen dürfen wir uns in diesem Herbst nachhaltig erfreuen. Das zeigt ein Blick in den Baustellenkalender der Stadt Stuttgart. Er listet aktuell 50 (!) Baustellen auf. Eine schöner als die andere! Neun weitere – wir können es kaum erwarten! – werden in Kürze eingerichtet.

Vollsperrung 19 Strecken – ein Traum!

Mit viel Liebe zum Detail fasst das Tiefbauamt diese Farbenpracht in Worte: „Sperrung einzelner Fahrbeziehungen und Fahrbahnverschwenkung“, heißt es da. Oder: „Entfall einer Fahrspur in beiden Fahrtrichtungen nachts, jeweils zwischen 22 Uhr und 6 Uhr am Morgen des Folgetags.“ Oder: „Fahrbahneinengung.“ Oder schlicht: „Vollsperrung!“ Derzeit auf 19 Strecken. Herrlich, das geht runter wie Motoröl!

Die weiß-roten Installationen wären unvollständig, würden sie nicht hier und da um markant blaue Dixi-Häuschen ergänzt, die dem Grau der Straße weitere eintönige Meter abringen. Dazu kommen dann noch Verkehrsteilnehmer, die ihr Fahrzeug blinkend in zweiter Reihe platzieren – und dadurch anderen die Chance geben, ebenfalls länger im Straßenraum zu verweilen.

Am besten, man bleibt, wo man ist

Man sieht, das Ganze hat auch etwas Spielerisches: Wer in Stuttgart mit dem Auto versucht – ohne zu hupen –, einigermaßen geradewegs von A nach B zu gelangen, muss alle möglichen Asphaltabenteuer bestehen. Biegen wir nach links, stehen wir vor einer Bakenreihe. Biegen wir nach rechts, gleiten wir vorbei an einem Fahrbahnteiler in den nächsten Schrankenzaun. Wenden zwecklos. Am besten, man bleibt, wo man ist. Aber so kommt man ja auch nicht weiter . . .

Wer keine Lust hat auf diese Spielchen, ist gut beraten, in die Öffentlichen einzusteigen. Auch dort steht man an manchen Tagen vor einer weiß-roten Wand – dann nämlich, wenn die VfB-Fans auf dem Weg zum Wasen sind. Wir treten der Stadt jedoch hoffentlich nicht zu nahe, wenn wir sagen: Im roten Brustring sieht Stuttgart noch besser aus, als in roten Baustellen-Streifen.