„Mannschaft ist gnadenlos“ 

Schalke mausert sich zum Aufstiegskandidaten – Freie Tage als Ansporn

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Das Wort Aufstieg nimmt beim FC Schalke 04 freilich noch niemand in den Mund, die rund 10.000 mitgereisten Fans stimmten beim 3:0-Erfolg in Hannover jedoch schon die „Spitzenreiter“-Rufe an. Für mindestens zwei Tage stehen die Königsblauen auf Platz eins der 2. Bundesliga und die Bilanz nach gut einem Viertel der Saison zeigt: Erstmals seit dem Abstieg 2023 sind die Knappen ein ernsthafter Aufstiegskandidat.

21 Punkte aus den ersten neun Spielen stehen für Schalke zu Buche. In der Historie der eingleisigen 2. Liga hatten nur elf Mannschaften zu diesem Zeitpunkt mehr Zähler auf dem Konto. Ein noch viel wichtigerer Indiz: Von den 24 Teams, die im ersten Saisonviertel 21 Punkte oder mehr holten, schaffte es am Ende nur ein Trio nicht unter die ersten Drei: Mainz 05 wurde 2001/02 Vierter, Greuther Fürth 2004/05 Fünfter und der MSV Duisburg 2010/11 nur Achter.

Mindestens 60 Punkte gelten als magische Grenze, um am Saisonende in den Top-3 zu stehen. Die Schalker haben ein Drittel davon schon gesammelt. Besonders defensiv überzeugen die Königsblauen. Mit nur fünf Gegentoren stellt S04 nicht nur die beste Verteidigung der 2. Liga, in der Historie kassierten nur neun Teams bis zum 9. Spieltag weniger Treffer. Schalke gelang das letztmals in der Saison 1971/72, damals wurden die Knappen Vizemeister in der Bundesliga. Vor allem auswärts wachsen die Schalker über sich hinaus – auch aus Eigennutz.

17 Punkte holten die Königsblauen in der Vorsaison in der Fremde, nun sind es nach fünf Partien bereits zwölf Zähler. Drei der vier Siege feierten die S04-Profis sogar zu null, was ihnen jeweils einen freien Tag einbrachte. Das hatte ihnen Neu-Trainer Miron Muslic in der Vorbereitung versprochen. „Das haben wir vor der Saison so ausgemacht. Die Mannschaft ist gnadenlos, die nutzt mich komplett aus. Aber gegebenes Wort ist gegebenes Wort“, sagte Muslic nach dem Abpfiff in Hannover.

Schalke-Profis ergattern neben freiem Tag weitere Belohnung

Ein wichtiger Rückhalt ist Torwart Loris Karius (32), der vor dem Duell mit den 96ern zudem eine weitere Belohnung aussprach. „Wenn wir gegen Hannover gewinnen, halten wir auf der Rückfahrt mit dem Bus mal kurz an einem Restaurant an und dann geht die Rechnung auf mich“, gab Karius im Gespräch mit der „Bild“ preis. Das wurde bei einem McDonald’s vor den Toren Hannovers auch eingelöst.

„Das habe ich schon vor der Partie gegen 96 angekündigt, weil wir uns nicht verstecken müssen“, erklärte Karius. „Wir sind einige Spiele ungeschlagen, waren vor dem Spiel Tabellenzweiter. Ich glaube an die Mannschaft, ich glaube an alle im Verein. Deshalb wusste ich von Minute eins, dass wir gewinnen werden. Wir sind selbstbewusst, aber nicht abgehoben. Wir haben erst den neunten Spieltag und die Liga ist unglaublich ausgeglichen, es geht sehr eng zu. Aktuell müssen wir noch kein Ziel ausgeben, dafür ist die Saison noch zu lang – schauen wir mal, wo wir Weihnachten stehen werden.“

Es ist das Bild, was Schalke mittlerweile prägt. Die Spieler und Verantwortlichen sind weit entfernt von Protzereien und großen Sprüchen wie einst in der Vergangenheit. Was zählt, ist das Hier und Jetzt. „Wir sind eine Einheit geworden, in der jeder seinen Job kennt und ihn auch gnadenlos durchzieht. Jeder geht ans Limit“, sagte Karius nach dem Schlusspfiff. „Es ist schön, dass wir hinten so stabil stehen und oft die Null halten, dazu trage ich gerne meinen Teil bei. Gegen eine so starke Mannschaft wie Hannover kann man nicht alles wegverteidigen, dafür ist die Liga zu ausgeglichen, aber am Ende haben wir trotzdem verdient gewonnen. Das Selbstvertrauen wollen wir wieder in die nächsten Aufgaben mitnehmen.“

Kopf des Erfolgs ist natürlich auch Trainer Muslic, der die Schalker Profis mit einer klaren Linie und auch mal harten Entscheidungen wie der Aussortierung von Amin Younes (32) schnell zu einer Einheit geformt hat. „Das, was die Mannschaft heute geleistet hat, ist aller Ehren wert“, sagte Muslic über den Statement-Sieg am „Sky“-Mikrofon. Die Tabelle sei ihm aber eben noch „komplett egal. Wir sind eine Mannschaft, die sich in allen Phasen reinhaut. Defend until the end, das haben wir irgendwie im Blut.“

Wir sind mutig im Auftreten, nicht mutig in Sprüchen.

Der gute Start sei „nur eine Bestätigung, dass wir den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen“, führte Muslic aus, der die Momentaufnahme aber auch in vollen Zügen genoss. Zusammen mit den Schalke-Profis ließ sich der Trainer vor den mitgereisten Fans feiern. „Ein unglaublich besonderer Moment“, sagte Muslic. „Leistungssport hat sehr viel zu tun mit Aufopferung. Wir investieren sehr, sehr viel Woche für Woche – und diese Momente geben mir so viel zurück. Es kommt tief aus dem Herzen.“ Mit dem Sieg in Hannover habe man „wieder einen kleinen Schritt nach vorne gemacht. In diesem Prozess wollen wir weiterhin bleiben, wir sind mutig im Auftreten, nicht mutig in Sprüchen.“