
Stand: 18.10.2025 10:38 Uhr
Wer an Bernstein denkt, hat meist die Ostsee im Kopf. Doch auch an Schleswig-Holsteins Westküste liegt das goldgelbe Harz im Spülsaum – die Nordsee ist eine echte Schatzkiste.
„Gold der Ostsee“ wird Bernstein oft genannt. Doch laut Bernsteinexperte Boy Jöns aus St. Peter-Ording (Kreis Nordfriesland) trifft das nicht ganz zu. An der Nordsee, sagt er, gebe es besonders gute Orte, um Bernstein zu finden – vor allem auf der Halbinsel Eiderstedt, die aus aufgespültem Land besteht, das kaum Steine enthält. „Was hier aussieht wie Bernstein, ist meist auch einer“, so Jöns.
Nordsee weist Bernsteinvorkommen auf

Boy Jörns, Bernsteinexperte aus St. Peter-Ording.
Auch aus wissenschaftlicher Sicht ist die Westküste Schleswig-Holsteins ein guter Fundort. Benjamin Serbe vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Uni Kiel bestätigt, dass die Nordsee ein hohes Bernsteinvorkommen aus eiszeitlichen Umlagerungen aufweist. Zwar sei die Gesamtmenge schwer zu beziffern, doch die Nordsee habe durch ihre Strömung und den hohen Salzgehalt ideale Bedingungen, um Bernstein an die Oberfläche zu transportieren.
Durch häufigere Stürme und stärkere Sedimentbewegungen könnten künftig noch mehr Steine an die Küste gespült werden. Allerdings: Sollte das Meer infolge schmelzender Gletscher an Salzgehalt verlieren, könnte Bernstein schwerer transportiert werden – ein gegensätzlicher Effekt, dessen Auswirkungen noch unklar sind.
Bernstein ist ein Naturprodukt mit Geschichte
Der Bernstein, den Sammler heute an Nord- und Ostsee finden, ist rund 44 Millionen Jahre alt. Er entstand aus dem Harz urzeitlicher Bäume, wurde später von Gletschern nach Norden verschoben und schließlich durch Flüsse und das Meer verteilt.
In St. Peter-Ording verarbeiten Boy Jöns und seine Familie die fossilen Harzstücke seit fünf Generationen in ihrer Werkstatt zu Schmuck. Viele Besucherinnen und Besucher nehmen an seinen Workshops teil, um aus einem Fund ein Andenken zu machen. Für Jöns liegt der Wert dabei nicht im Geld: „Der ideelle Wert ist viel höher – das ist etwas sehr Natürliches, das man tragen kann.“

Aus einem normalen Strandspaziergang wurde ein besonderer: Britta Krause entdeckte einen 190 Gramm schweren Bernstein.
Die Preise bleiben stabil – Sammeln lohnt sich eher ideell
Von einem „Goldrausch“ kann aber keine Rede sein. Der Bernsteinpreis liegt nach Angaben von Händlern und Experten seit Jahren stabil bei etwa 1,50 Euro pro Gramm. Für ein Stück in Größe einer Zwei-Euro-Münze gibt es demnach rund vier bis fünf Euro. Viel Geld lässt sich damit also nicht verdienen, für viele Sammlerinnen und Sammler ist es eher die Freude am Fund.

Finderglück: Bernstein am Strand von St. Peter-Ording.
Angelika Maas aus Tellingstedt (Kreis Dithmarschen) nimmt an einem Workshop zum Bernsteinschleifen in St. Peter-Ording teil, den Boy Jöns wöchentlich anbietet. Sie sucht regelmäßig an der Westküste nach besonderen Steinen und sagt, die Suche lohne sich schon wegen des Naturerlebnisses: Wer nichts finde, habe immerhin einen tollen Spaziergang gehabt – und vielleicht eine Robbe gesehen.
Tipps für die Bernsteinsuche
Wer selbst Bernstein finden möchte, sollte vor allem auf die richtige Zeit und den richtigen Ort achten, sagt Bernsteinexperte Boy Jöns. Am erfolgversprechendsten ist die Suche ein bis drei Stunden nach Hochwasser, wenn das Wasser abläuft. Dann sammele sich der „schwarze Krümelkram“, eine Mischung aus Holz, Seegras und Muscheln, am Strand. In diesem Bereich bleibt auch Bernstein liegen, weil er ein ähnliches Gewicht hat wie das angeschwemmte Holz.
Nach Stürmen mit auflandigem Wind. Je rauer das Wetter, desto größer die Chance auf Funde.
Phosphor kann Bernstein ähneln. Doch in St. Peter-Ording gilt das Risiko, auf Phosphor zu stoßen, als gering. Gefährlich kann es dagegen in Regionen sein, in denen im Zweiten Weltkrieg Munition im Meer lag – etwa bei Wilhelmshaven oder im Hamburger Hafen. Phosphorstücke können wie Bernstein aussehen, entzünden sich aber schon bei rund 20 Grad und Trockenheit. Wer sich unsicher ist, sollte Funde nicht in der Hosentasche tragen, sondern in einer Tüte aufbewahren.
Echter Bernstein ist leicht, fühlt sich warm an und riecht beim Reiben harzig. Kunstharz oder Glas dagegen sind schwerer und bleiben kühl.
Mehr Aufmerksamkeit für das Gold der Westküste

Der beste Fundort für Bernstein: an der Hochwasserlinie bei Niedrigwasser.
Bernstein ist ein Naturprodukt mit Geschichte. Häufigere Stürme und wandernde Sedimente könnten das „Gold der Westküste“ noch sichtbarer machen. Wer also in den kommenden Herbstwochen an der Nordsee spazieren geht, sollte genau hinsehen: Vielleicht liegt der nächste kleine Schatz schon im Sand.

An vielen Orten gibt es geführte Nachtwanderungen – etwa in St. Peter-Ording, auf Sylt oder in Lübeck. Die Angebote im Überblick.

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