Regional, digital, jederzeit zugänglich: In Herrenberg haben Schüler der Fachschule für Landwirtschaft eine Hofladenbox entwickelt, die ohne Personal, aber mit App funktioniert.
Das Smartphone liegt bereit in der Hand, ein kurzer Blick auf den Bildschirm. Der Finger wischt über die App, richtet die Kamera auf den kleinen QR-Code neben der Tür. Kurz darauf ein leises Klicken, die Tür öffnet sich. Der erste Schritt ins Innere der grünen Box überrascht. Ganz schön geräumig. Regale, Kühl- und Gefrierschränke reihen sich aneinander, gefüllt mit frischen Produkten aus der Region. Fleisch und Wurst, Eier, Marmeladen, Gewürze, Tee, Konserven – bis zu 300 Artikel finden hier Platz, alle direkt aus einem Umkreis von 50 Kilometern.
Die Rede ist von der neuen Dorfladenbox auf dem Schulhof der Fachschule für Landwirtschaft (FSL) in Herrenberg, die jüngst feierlich eröffnet wurde. Das Besondere: Die Idee für die Dorfladenbox entstand im Unterricht. Die Studierenden selbst haben das Projekt seit November 2024 von der Konzeption bis zur Umsetzung eigenständig erarbeitet und werden künftig auch den laufenden Betrieb betreuen.
Erzeuger liefern Waren selbst an
Schon von weitem war an diesem Tag die kleine Menschentraube vor der grünen Box zu sehen. Aufgeregte Schüler in passenden grünen T-Shirts standen in Gruppen beisammen, als auf der eigens aufgebauten Bühne Silas Bischoff, Schüler der FSL und Moderator der Veranstaltung, die Gäste begrüßte. Darunter auch prominente Vertreter aus Politik und Landwirtschaft wie Landrat Roland Bernhard, Ministerialdirektorin Isabel Kling und Regionaldirektor Alexander Lahl vom Verband Region Stuttgart.
In seiner Dankesrede richtete Bischoff besondere Worte an die zahlreichen Lieferanten: „Ohne sie könnte das hier alles nicht funktionieren.“ Diese sind durchaus entscheidend für den Betrieb der Box. Damit der Hofladen im Schulbetrieb stemmbar ist, liefern die Erzeuger nämlich ihre Waren selbst an und räumen sie auch ein. Sie bleiben also die Eigentümer ihrer Waren; zu den Aufgaben der Schüler gehört es, den reibungslosen Ablauf des Betriebs sicherzustellen, die Waren ansprechend zu präsentieren und vorausschauend zu platzieren.
Landrat lobt regionale Vermarktung
Landrat Roland Bernhard zeigte sich am Eröffnungstag beeindruckt von dem Schüler-Projekt und der Herrenberger Fachschule („klein, aber fein – die ragt einfach heraus“), und betonte die Bedeutung regionaler Vermarktung. Das Projekt sei ein idealer Weg, um Verbraucher für „schmackhafte und qualitätsvolle regionale Produkte“ zu begeistern und Landwirten gleichzeitig neue Perspektiven zu eröffnen.
Das Warenangebot ist groß. Foto: Stefanie Schlecht
Auch der Verband Region Stuttgart stehe voll hinter dem Vorhaben. Regionaldirektor Alexander Lahl lobte die Eigenverantwortung der Schüler: „Innovation kann auch an außergewöhnlichen Orten entstehen.“ Von der Idee über die Preiskalkulation bis zu den Lieferantenverträgen – alles sei in Eigenregie der angehenden Fach- und Führungskräfte der Agrarwirtschaft entstanden. Der Verband unterstützte das Projekt mit 98 000 Euro, die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 196 000 Euro. Lahl äußerte die Hoffnung, dass die Dorfladenbox nicht nur in Herrenberg bleibt, sondern als Modell auch an weiteren Standorten Schule machen könnte.
Mehr Dankbarkeit für Landwirte
Isabel Kling, Ministerialdirektorin im Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg, fand klare Worte: Landwirten, „die uns jeden Tag satt machen“, müsse mehr Dankbarkeit entgegengebracht werden. Das Projekt sei „gut investiertes Geld“. Und, so Kling mit einem Augenzwinkern, die Box stehe zudem genau am richtigen Ort: in direkter Nähe zur Zulassungsstelle, wo es bekanntlich manchmal etwas länger dauert. Eine perfekte Gelegenheit also, sich beim Warten mit regionalen Köstlichkeiten zu versorgen.
Sie unterstrich: „Auch Bauern sind Unternehmer. Sie müssen Geld verdienen, und da ist es wichtig, dass ihre verschiedenen Produkte dementsprechend ausreichend präsentiert werden.“ Die Dorfladenbox erfülle genau diesen Zweck. Sie selbst habe sich die dazugehörige App direkt heruntergeladen: „Ein tolles Projekt“, so ihr Fazit.
Anfangs werden Mitarbeiter da sein
Auch Gerhard Fassnacht, Kreisvorsitzender des Bauernverbandes Nordschwarzwald-Gäu-Enz, zeigte sich begeistert vom Engagement der Schüler, „die mit ihrem Einsatz die Landwirtschaft voran treiben.“
Kurz vor der offiziellen Eröffnung ergriff auch noch der Herrenberger Oberbürgermeister Nico Reith das Wort mit einem Appell an die Verbraucher: „Den größten Hebel haben wir selbst in der Hand – beim Einkaufen. Statt Zwetschgen aus Serbien sollte man lieber regionale Produkte wählen.“
Die leuchtend grüne Box steht auf dem Schulhof der Fachschule für Landwirtschaft Herrenberg. Foto: Stefanie Schlecht
Die Schlüsselübergabe – in Form eines großen, gebastelten Pappschnitts – markierte den offiziellen Start. Die Tür der Box öffnete sich mithilfe der App und sofort strömten die Gäste hinein.
Der reguläre Betrieb beginnt am Samstag. Von 9 bis 13 Uhr werden Schüler und Mitarbeiter vor Ort sein, um die Kundinnen und Kunden zu unterstützen. Auch an den folgenden Samstagen bis Weihnachten, jeweils von 10 bis 12 Uhr, wird ein Ansprechpartner vor Ort sein.
Die Hofladenbox
Finanzierung
Der Verband Region Stuttgart unterstützt das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren und übernimmt dabei 50 Prozent der Investitionskosten; die restlichen Kosten werden vom Landkreis getragen. Die laufenden Ausgaben sollen durch die erzielten Einnahmen gedeckt werden.
Funktionsweise
Die Kunden können alle Erzeugnisse der umliegenden Höfe kompakt in der videoüberwachten Dorfladenbox erwerben und müssen nicht viele Kilometer von Hof zu Hof fahren. Dabei wird auf smarte technische Lösungen und einen hohen Automatisierungsgrad gesetzt. Neben der modernen Zutrittskontrolle und Diebstahlsicherung, erleichtert die Software die Verwaltung. Selbst die Nachbestückung erfolgt intelligent und automatisch. Durch den Zutritt per App hat die Dorfladenbox 24 Stunden täglich für einen bargeldlosen Einkauf geöffnet.
Betriebsform
Für den laufenden Betrieb wurde an der Schule ein gemeinnütziger Verein gegründet.