Stuttgart – Sie nahmen alle Kraft und Willen zusammen. So gelang ihnen ein kleines Wunder.
Am Donnerstag schiebt Yvonne L. (34) in Stuttgart ihren zweijährigen Sohn im Kinderwagen über die Straße, als sie plötzlich einen Knall wahrnimmt. Reflexartig schubst die Kinderkrankenschwester noch den Buggy mit ihrem Kind weg, ehe es um sie herum schwarz wird. Erst einige Sekunden später versteht sie, was passiert ist: Sie wurde überfahren, liegt unter dem Auto eingequetscht auf dem Asphalt.
Bashaar Maho (53. r.) und Mehmet Akpinar (27) lupften mit neun weiteren Helfern das Auto
Foto: Hagen Stegmüller
Nebenan arbeiten Bashaar Maho (53) und Mehmet Akpinar (27) im Döner-Imbiss, als eine Passantin in den Laden stürzt, mit den Armen wedelt und um Hilfe ruft. Akpinar zu BILD: „Wir sind zu dem Unfall gerannt und hörten die Frau unter dem Auto, wie sie vor Schmerzen schreit und nach ihrem Kind ruft. Da wussten wir, dass wir sofort handeln müssen.“
Elf Passanten mühen sich an Mini-Van ab
Gemeinsam mit neun weiteren Passanten versuchten die beiden, den fast zwei Tonnen schweren Seat Alhambra zu heben. Imbiss-Angestellter Akpinar: „Wir haben fünf Minuten lang gekämpft, das Auto immer wieder ein Stückchen gelupft. Die Frau war zwischen Radkasten und Lenkstange eingeklemmt. Als wir mit unserer Kraft schon am Ende waren, klappte es.“
Beim Linksabbiegen erfasste die Seatfahrerin die 34-jährige Yvonne L. mit ihrem Kinderwagen
Foto: Hagen Stegmüller
Auch Yvonne L. erinnert sich an diesen Moment: „Es war furchtbar, diese tonnenschwere Last auf mir zu spüren. Dann streckte jemand seine Hand nach mir aus, zog mich am Arm. Gleichzeitig konnte ich mit den Füßen nachhelfen. Als ich wieder frei war, kamen mir die Tränen.“
Während ihr Sohn fast unversehrt blieb, wurde Yvonne L. ins Krankenhaus gebracht. Diagnose: Leberriss, zwei angebrochene Rippen und mehrere Schürfwunden (Gesicht, Arm, Bein). Operiert werden musste sie nicht: „Ich hatte Glück und wunderbare Helfer. Ich bin ihnen unendlich dankbar.“
Mehr zum ThemaImmer wieder Unfälle an Stuttgarter Kreuzung
Warum die Seat-Fahrerin (23) die Passantin übersah, ist unklar. Gegen die Unfallfahrerin wird wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. Unterdessen hoffen die heldenhaften Imbiss-Mitarbeiter, dass nun die Stadt Stuttgart tätig wird. Akpinar: „Innerhalb eines Jahres gab es an dieser Kreuzung vier Unfälle. Es wird höchste Zeit, dass hier ein Zebrastreifen hinkommt.“