Nach den umstrittenen „Stadtbild“-Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg entsetzt gezeigt. Der Vorsitzende Stephan Doll sagte, er sei „fassungslos und zutiefst besorgt“. Die Wortwahl des Bundeskanzlers sei nicht nur unangebracht, sondern eine gefährliche Einladung an jene, die Rassismus verbreiteten und ausgrenzten.
Doll: Angela Merkel hatte Recht
„Gerade jetzt, wo Teile der Gesellschaft nach Rechtsaußen gerückt sind, erwarten wir von der Union eine klare und unmissverständliche Brandmauer gegen Rechtsextremismus – nicht aber eine Sprache, die Menschen ausschließt und stigmatisiert“, so Doll, dessen Allianz gegen Rechtsextremismus sich auf ihrer Website (externer Link) als ein unabhängiges Netzwerk aus Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen beschreibt, das sich gemeinsam gegen alle Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stellt.
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe recht gehabt, als sie gesagt habe, sie könne auf der Straße nicht unterscheiden, wer die deutsche Staatsbürgerschaft habe und wer nicht, erklärte Doll weiter. Diese Haltung der Offenheit und Menschlichkeit scheine der heutige CDU-Kanzler verloren zu haben.
„Stadtbild“-Aussage: Spahn verteidigt Merz
Unionsfraktionschef Jens Spahn verteidigte dagegen Merz. „Der Bundeskanzler hat doch eigentlich etwas ausgesprochen, was jeder sieht, wenn er durch Duisburg geht, aber übrigens auch, wenn er durch manche mittelgroße deutsche Stadt geht. Irreguläre Migration hat etwas verändert“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“-Zeitung.
Neben Duisburg nannte Spahn auch etwa Hamburg oder Frankfurt, insbesondere die Hauptbahnhöfe dort. „Verwahrlosung, Drogendealer, junge Männer, meistens mit Migrationshintergrund, meistens Osteuropa oder arabisch-muslimischer Kulturraum“, beschrieb Spahn die Zustände. Diese hätten auch etwas mit „irregulärer Migration“ zu tun.
Merz (CDU) war in die Kritik geraten, nachdem er am Dienstag bei einem Termin in Potsdam gesagt hatte, dass man nun frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und Fortschritte mache. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“, sagte er.
Kritik von den Grünen und vom Koalitionspartner
In einem offenen Brief warfen mehrere Dutzend Grünen-Politikerinnen und -Politiker Merz vor, seine Aussage sei „rassistisch, diskriminierend, verletzend und unanständig“. Kritik kam aber auch vom Koalitionspartner SPD. Empört reagierte auch der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp. Merz stärke „mit ressentimentgeladenen Sprüchen“ die Rechtsextremen. „Als Kanzler eines Einwanderungslandes ist das unentschuldbar. Merz Welt- oder ‚Straßenbild‘ scheint gedanklich irgendwo in den 70er Jahren im Sauerland stehen geblieben zu sein – die sichtbare Flucht – und Einwanderungsgesellschaft im ‚Stadtbild‘ ist für ihn offenbar ein Problem.“
Dobrindt: Kritik geradezu lächerlich
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) nannte die Rassismus-Vorwürfe gegen Merz dagegen „totalen Unsinn“. „Da wird was versucht, wieder von bestimmter Seite hineinzuinterpretieren, was überhaupt nicht da ist“, sagte der CSU-Politiker im „Interview der Woche“ der ARD. Es sei geradezu lächerlich, wenn man nicht mehr sagen dürfe, dass sich ein Stadtbild durch illegale Migration verändern könne. „Ich finde, man sollte schon noch so sprechen können, wie es die Menschen auch empfinden“, sagte Dobrindt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich Ende September im „Münchner Merkur“ für mehr Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien starkgemacht. „Das Stadtbild muss sich wieder verändern. Es braucht einfach mehr Rückführungen“, hatte Söder gesagt. „Wer sich hier eine Existenz aufbaut und eine Arbeit hat, ist herzlich willkommen. Wer aber kein Duldungsrecht hat, keine Beschäftigung hat oder gar Straftaten begeht, muss in seine Heimat zurück.“
Brandmauer zur AfD: Diskussion in der Union
Indes läuft innerhalb der Union eine Diskussion über die sogenannte Brandmauer zur AfD. Ehemalige Unions-Politiker hatten in dieser Woche den Unvereinbarkeitsbeschluss aus dem Jahr 2018 infrage gestellt und für eine Öffnung zur AfD plädiert. Merz widersprach bereits am Freitag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) und sagte, dass er Unterschiede seiner Partei zur AfD künftig „noch viel deutlicher herausstellen“ wolle. Auch am Samstag bekräftigte er seine Aussage.
Mit Informationen von dpa und AFP