Es ist ein ungewöhnlicher Anblick: Direkt neben dem Verwaltungsgebäude steht im Plochinger Hafen eine riesige Stahlbrücke. Doch diese führt nicht etwa über den Neckar, vielmehr steht sie im Schatten von Meter hohen Schrottbergen direkt neben dem Wasser. Was zunächst skurril anmutet, hat einen bedeutenden Hintergrund. Schließlich handelt es sich um den Ersatzbau für die Rosensteinbrücke in Bad Cannstatt. In gut einer Woche soll diese per Schiff nach Stuttgart verfrachtet und mit einem riesigen Kran eingehoben werden.
„Es ist auch für uns Neuland“, erklärt Wolfgang Philipp, der Projektleiter der Firma Max Wild. Es ist die erste Brücke, welche die sonst auf Abbruch und Schwertransporte spezialisierte Firma selbst fertigt. Seit rund einem Monat wurden die einzelnen Teile per Lastwagen vom Allgäu auf das Gelände der Firma Kaatsch angeliefert und vor Ort zusammengesetzt. „Die Brückenportale wurden in vier größeren Teilen bereits vormontiert“, erklärt Philipp. Ansonsten wurden die 15 Meter langen Abschnitte der Konstruktion vor Ort stückweise aneinandergereiht. „Derzeit wird noch der rutschfeste Asphalt eingesetzt“.
Fanrbahnbreite von 4,5 Metern
Die gigantischen Ausmaße sind aber bereits deutlich erkennbar. Die Rad- und Fußgängerbrücke ist 70 Meter lang und wiegt 125 Tonnen. Schließlich soll diese einmal den Neckar zwischen dem Cannstatter Seilerwasen und der Wilhelma überspannen. Die Konstruktion aus verzinktem Stahl halten weit mehr als 1000 Schrauben zusammen. Die Fahrbahnbreite beträgt 4,5 Meter, in den knapp fünf Meter hohen Fachwerkseiten wird als Geländer noch ein Maschendrahtgitter eingezogen. Im Boden befinden sich insgesamt mehr als ein Kilometer lange Leerrohre für die Stromversorgung sowie für die Verlegung von Telekommunikationsleitungen. Bis Ende kommender Woche muss auch noch die notwendige Beleuchtung angebracht werden.
Der Montageplatz im Plochinger Hafen ist dabei bewusst gewählt. Schließlich „war von Anfang an geplant, die Brücke als fertiges Bauwerk in einem Stück am Wilhelma-Theater einzusetzen“, sagt Bernd Schröder, der zuständige Abteilungsleiter beim Tiefbauamt Stuttgart. Die Anlieferung erfolgt dabei per Schiff. Der Zeitplan sieht vor, dass die Brücke am Freitag, 24. Oktober, mit Hilfe von zwei mobilen Autokranen auf einen Frachter gehoben wird. Am Samstag wird die Stahlkonstruktion dann nach Bad Cannstatt „geschippert“. Und mit Hilfe eines gigantischen Raupenkrans dann in der Nacht von Sonntag auf Montag, 27. Oktober, eingehoben. „Die Sperrzeit ist von 20 bis 8 Uhr“, erklärt Schröder, um die Schifffahrt auf der wichtigen Wasserstraße so gering wie möglich einzuschränken.
Ausweichstrecke für Abriss der Wilhelmsbrücke
Die Gegebenheiten vor Ort kennen die Spezialisten der Firma Wild genau, schließlich zeichneten sie bereits für den Abriss der 70 Jahren alten Rosensteinbrücke im Juli 2014 verantwortlich. Mit dem Ersatzbau schafft die Stadt wieder die wichtige Verbindung über den Neckar zwischen Bad Cannstatt, der Wilhelma, dem Rosensteinpark und dem Bereich um die Pragstraße. Die 70 Meter lange Brücke dient dabei allerdings lediglich als Übergangslösung. Ab Mitte November soll diese ausschließlich für den Fuß- und Radverkehr geöffnet werden. Ein kompletter Neubau der Rosensteinbrücke, welcher auch – wie diese auch immer aussehen wird, darüber wird im Stuttgarter Gemeinderat derzeit noch heftig diskutiert – wieder für den Auto- und Stadtbahnverkehr der Linie U 13 genutzt werden kann, ist noch vor 2030 vorgesehen.
So soll die neue Wilhelmsbrücke aussehen
Denn bis dahin steht der Neubau der benachbarten Wilhelmsbrücke an, welche ebenfalls erhebliche Schäden aufweist. Wann genau die Verbindung zwischen der Cannstatter Marktstraße und der Neckarvorstadt abgerissen wird, hänge vom baulichen Zustand ab. Das soll aber spätestens Ende 2026 der Fall sein. Mit einem Baubeschluss für die knapp zehn Millionen Euro teure Brücke ist laut Stadtverwaltung 2027, mit der Fertigstellung 2029 zu rechnen. Bis dahin können Radfahrer und Fußgänger auf den Ersatzbau der Rosensteinbrücke ausweichen.