Es ist ein Zufallsmoment im Jahr 2000, auf den die Gründung von Mountain Wilderness Deutschland (externer Link) zurückgeht. Alpinjournalist und Geograf Michael Pröttel führte damals ein Interview mit Mountain Wilderness Schweiz zum Thema naturverträgliches Bergsteigen: „Ich fragte den Vorsitzenden, warum es in Deutschland kein Mountain Wilderness gibt. Da meinte er: ‚Weil du noch keinen Verein für Deutschland gegründet hast.'“
Das muss nachgewirkt haben. Denn Pröttel liegt der Schutz der Bergwelt und nachhaltiges Bergsteigen tatsächlich derart am Herzen, dass er zum Aktivisten wird – und tatsächlich einen deutschen Ableger von Mountain Wilderness gründet.
Hauptziel: Der aktive Schutz der Berge
„Wir sehen uns als Aktivsten, ein bisschen wie Greenpeace“, sagt Pröttel. Das Rezept der Aktionen wird immer wieder angewendet: Mit großen Bannern stellt ein kleiner Kreis an exponierten Stellen in den Bergen laute Forderungen. Die Bilder haben oft große mediale Reichweite, und die Botschaften sprechen für sich.
Erste Aktion des Vereins ist im Jahr 2001 die Kampagne für eine autofreie Eng. Die 15 kilometerlange Mautstraße zum Großen Ahornboden im Naturpark Karwendel sollte nach Ansicht von Mountain Wilderness für Privatautos gesperrt sein. An schönen Tagen zieht sich eine Autokolonne zum riesigen Parkplatz am Talende – bis heute. Mountain Wilderness konnte sein Anliegen nicht durchsetzen.
Doch der Verein hat auch Erfolge zu verbuchen: Im Jahr 2015 und 2016 tobte ein heftiger Streit um einen geplanten Skigebietsausbau am Riedberger Horn im Allgäu. Mittendrin: Mountain Wilderness Deutschland mit mehreren Demonstrationen. Am Ende ist das Skigebietsprojekt nicht durchsetzbar, die Pläne sind vom Tisch. Auch am Hohen Ifen, ebenfalls im Allgäu, wurde keine Seilbahn über dem Schwarzwassertal gebaut. Mountain Wilderness ist auch dort Teil der Protestbewegung.
Proteste am Berg mit Bannern
Vorbild für Mountain Wilderness Deutschland ist die 1987 gegründete internationale Naturschutzorganisation Mountain Wilderness. Sie geht zurück auf damalige Top-Alpinisten wie Chris Bonington oder Edmund Hillary, dem Erstbesteiger des Mount Everest. Aktiver Schutz ursprünglicher Natur in den Bergen ist das Hauptziel. Drei Jahre nach Gründung im Jahr 1990 sorgte eine große Aufräumaktion im Karakorum für Aufsehen: Erstmals in der Alpingeschichte wurde damals am K2, dem zweithöchsten Berg der Welt, Expeditionsmüll entfernt.
Bei ihren Demonstrationen will Mountain Wilderness nicht nur protestieren, sondern auch mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. Pröttel und seine Mitstreiter setzen auf Dialog. Und Pröttel erlebt, dass Naturschutz die Menschen grundsätzlich beschäftigt. Und dass die lokale Bevölkerung in den Tälern oftmals geteilter Meinung ist. Ganz aktuell beim Streit um den Neubau der Kampenwand-Bahn im Chiemgau: „Die eine Hälfte der Bevölkerung sagt, wir ersticken doch eh schon im Stau. Und die anderen sagen, wir wollen davon profitieren. Dieses Spannungsfeld, das begegnet uns immer wieder.“
Auch nach 25 Jahren sind Michael Pröttel und seine rund 20 Mitstreiter bei Mountain Wilderness Deutschland nicht müde, sich immer wieder neu zu engagieren.
Oft erfolgloser Kampf gegen Speicherteiche und Schneekanonen
Themen wie der Bau von Speicherteichen und das Aufstellen von Schneekanonen beschäftigen die Ehrenamtlichen seit ihren Anfangsjahren: „Seit der Ski-Weltmeisterschaft 2010 in Garmisch-Partenkirchen wurden sehr viele neue Speicherteiche, Pisten und Schneekanonen angelegt. Da haben wir auch ganz oft dagegen gekämpft. Leider haben wir bisher keinen Speicherteich verhindert.“
Nach einem Vierteljahrhundert voller Engagement und Aktivismus schwingt bei Pröttel eine gewisse Portion Stolz mit, nach wie vor ein unabhängiger Verein zu sein. „Wir sind absolut frei in unserer Entscheidungsfähigkeit und nicht korrumpierbar.“ Die nächsten Protestbanner auf einem bayerischen Gipfel dürften nicht lange auf sich warten lassen.