Der neue Trainer ist endlich da, die Länderspielpause vorbei und am Sonntag wartet ein richtiger Gradmesser auf die Löwen. Es kommt die einzige noch ungeschlagenen Mannschaft nach Giesing, deren aktuellen Höhenflug man nicht wirklich voraussehen konnte. Ich für meinen Teil hatte dieses Jahr mit keinem Aufstiegsüberflieger gerechnet, doch die Zebras aus Duisburg belehren mich aktuell eines Besseren. Aber irgendwann hat alles mal ein Ende und dieses Ende kann sich gerne beim Debüt unseres neuen Cheftrainers ereignen. Mal sehen, was der Sonntag bringt, wenn die Löwen den Meidericher Spielverein 02 e.V. Duisburg empfangen!
Aktuelles – Die Ausgangssituation
Die Lage in Duisburg könnte nicht besser sein, zumindest wenn man auf den sportlichen Erfolg des örtlichen Profiverein blickt. Völlig überraschend steht der Aufsteiger nach zehn Spieltagen ungeschlagen an der Spitze der Tabelle. Die bisherige Bilanz liest sich eindrucksvoll: 24 Punkte, 7 Siege und 3 Remis und eine Tordifferenz von 22:9 stehen zu Buche. Im Schnitt schießt man also über zwei Tore, während man nur knapp eins kassiert.
Seit Anfang der neuen Spielzeit lesen sich die Ergebnisse der Zebras wie ein schöner Traum. Seit Juni musste man sich nur in Testspielen gegen Münster und Bochum geschlagen geben, in Pflichtspielen ist man noch ungeschlagen. Zuletzt besiegte man den KFC Uerdingen mit 3:1 in Länderpokal. In der Liga ist der Schwung aber etwas verloren gegangen. Aus den letzten fünf Partien holte man “nur” 9 Punkte, die beiden Partien vor der Pause gegen Rostock und Saarbrücken konnte man nur unentschieden gestalten. Auch gegen den TSV Havelse gab es nur ein Remis, gesiegt hat man gegen die schwächeren Gegner aus Ingolstadt und Schweinfurt.
Trotzdem hält der Höhenflug der Mannschaft von Dietmar Hirsch – Trainer, Fan und Ex-Spieler-Identifikationsfigur in Personalunion – weiterhin an und die Löwen sollten sich auf einen weiter wirbelnden, spielfreudigen Aufsteiger gefasst machen gegen, den man ganz schnell alt aussehen kann.
Kader & Transfers
Die Duisburger vertrauen auf ihre Aufstiegshelden, das hat das Transferfenster gezeigt. Ein Wechselperiode mit 9 Abgängen und 11 Neuzugängen von denen einer aus der eigenen U19 kommt ist insbesondere für einen Aufsteiger sehr zurückhaltend.
Leistungsträger wurde keiner abgegeben: vier Spieler wechselten in die Regionalliga, Thomas Pledl (31, ZM) und Kilian Pagliuca (28, OM) wurden in die Vereinslosigkeit entlassen und drei weitere in die vierte Leistungsstufe verliehen.
Auf der anderen Seite wurde sich intelligent und ablösefrei verstärkt. Interessanterweise ist keiner der Neuzugänge für das Feld älter als 26 Jahre. Aus Regensburg, also mit Erfahrung aus Liga 2, kamen Christian Viet (26, OM) und Rasim Bulic (24, DM). Von Blau-Weiß Linz wechselte Conor Noß (24, LA) and die Wedau während Dennis Borkowski (23, RA) und Tim Heike (25, MS) von der Donau (Ingolstadt) ins Ruhrgebiet wechselten. Im Sturmzentrum wurde man im westlichen Ausland fündig. Von Vitesse Anheim aus der zweiten niederländischen Liga holte man Andy Visier (20) und von Beerschot VA aus dem belgischen Unterhaus wechselte Florian Krüger (26) nach Duisburg. Der neue Ersatztorwart ist Omer Hanni, der von Hapoel Haifa aus dem israelischen Oberhaus kam.
Vom Bestandskader sind insbesondere Kapitän Alexander Hahn (32, IV), der hinten den Laden zusammenhält, und Patrick Sussek (25) zu nennen. Letzterer ist gebürtiger Ingolstädter und hat sich über die Regionalliga Nordost den Weg in den Profifußball gebahnt. Nun steht er, oft auch als Einwechselspieler eingesetzt, bei 10 Scorerpunkten in 7 Spielen und einem fantastischen Kicker-Notenschnitt von 2,29!
Löwenpower: –
Vereinsgeschichte
Die Zebras wurden am 2. Juni 1902 als “Meidericher Spiel=Verein” in der Stadt Meiderich gegründet die nur drei Jahre später mit Duisburg vereinigt wurde. 1905 fusionierte man mit dem “Sportklub Viktoria Meiderich” und trat kurzzeitig unter dem Namen “Meidericher Sportverein” an. Von 1919 bis 1923 war man mit dem “Turnverein von 1880” zum Großverein “Meiderichter TuS 1880” zusammengeschlossen. Den endgültigen Namen, den der Verein bis heute trägt, gab er sich dann im Jahre 1967.
Die Anfangsjahre
Zwischen 1902 und 1925 entwickelte sich der Meidericher SV von einem einfachen Fußballverein der untersten Spielklasse (C-Klasse) zu einem etablierten Club mit Erfolgen in höheren Ligen. Nach dem Krieg strebte der MSV den Aufstieg in die Gauliga an, blieb jedoch zunächst erfolglos. Durch eine Liga-Neueinteilung spielte der MSV dann aber ab 1922/23 in der Gauliga Niederrhein.
Zwischen 1925 und 1933 spielte der Meidericher SV erfolgreich in der Bezirksklasse Niederrhein und gewann mehrfach die Niederrheinmeisterschaft. Höhepunkt war die Teilnahme an der westdeutschen und sogar an der deutschen Meisterschaft, auch wenn man dort jeweils früh ausschied. Ab 1933, nach einer Ligareform, wurde der MSV nicht in die neue Gauliga aufgenommen, obwohl er zuvor fast durchgehend erstklassig war. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Spielbetrieb zunehmend unregelmäßig. Bis 1944 trat der MSV noch an, teilweise in einer Kriegsspielgemeinschaft. Mit der Aussetzung der Meisterschaft im November 1944 endete der Fußballbetrieb vorerst vollständig.
Ab 1949 stieg der Verein in die neu eingeführte 2. Liga West auf und träumte vom Aufstieg in die Oberliga. 1950 gelang der Aufstieg in die Oberliga West. Der Verein erlebte sportliche Höhen und Tiefen, stieg zwischenzeitlich ab, schaffte aber den schnellen Wiederaufstieg. In den späten 1950er und frühen 1960er Jahren setzte der MSV verstärkt auf Nachwuchsspieler, was zu wechselhaften Ergebnissen führte. Unter Trainer Willi Multhaup stabilisierte sich das Team und erreichte 1963 mit dem dritten Platz in der Oberliga die Qualifikation für die neugegründete Bundesliga. Der Aufstieg in die Bundesliga wurde groß gefeiert und markierte einen bedeutenden Meilenstein in der Vereinsgeschichte.
Ab der Gründung der Bundesliga
In der ersten Bundesliga-Saison wurde Duisburg überraschend Vizemeister hinter dem 1. FC Köln. In den folgenden Jahren schwankten die Leistungen, 1966/67 stand der MSV zur Winterpause auf dem letzten Platz, konnte sich aber nach der Umbenennung in „MSV Duisburg“ durch eine starke Rückrunde retten.
Ab der Saison 1970/71 setzte der MSV verstärkt auf Nachwuchsspieler, darunter Bernard „Ennatz“ Dietz, der zum prägenden Spieler der Mannschaft wurde. Trotz eines holprigen Starts erreichte der Verein regelmäßig Plätze im Mittelfeld, konnte aber nicht an frühere Spitzenzeiten anknüpfen. Höhepunkte waren Siege gegen Top-Teams wie den FC Bayern München. Mitte der 1970er Jahre erreichte der MSV mehrere Male das DFB-Pokalfinale und qualifizierte sich für den UEFA-Cup, wo man in der Saison 1978/79 sogar bis ins Halbfinale kam. Das legendärste Spiel dieser Zeit war der 6:3-Sieg gegen Bayern München 1977, bei dem Bernard Dietz als Verteidiger vier Tore erzielte. Trotz dieser Erfolge war der Ligaalltag oft von finanziellen Sorgen und Abstiegskampf geprägt. Nach anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten kam es schließlich dazu, dass der MSV nach 19 Jahren Erstklassigkeit in der Saison 1981/82 mit nur 19 Punkten und als Tabellenletzter in die 2. Bundesliga abstieg.
Danach hatte der MSV Duisburg weiter mit finanziellen Problemen zu kämpfen. 1986 stiegen die Zebras in die Oberliga ab und spielte mehrere Jahre gegen Amateurteams, bevor man 1988/89 in den Profifußball zurückkehrte. In den frühen 1990er Jahren schaffte der MSV mehrfach den Aufstieg in die Bundesliga, konnte sich aber meist nicht lange halten und stieg wieder ab. Zwischen 1997 und 1999 waren die Jahre sportlich am erfolgreichsten mit mehreren einstelligen Tabellenplätzen und einem Pokalfinale 1998.
Nach der Jahrtausendwende
Die 2000er Jahre waren von weiteren Auf- und Abstiegen geprägt. Der MSV hielt sich in der 2. Bundesliga meist im Mittelfeld, verfehlte aber den Aufstieg. Ab 2010 begann ein Neuanfang mit Fokus auf langfristige Stabilität und Nachwuchsförderung. Als Höhepunkt erreichte man 2011 das DFB-Pokalfinale gegen Schalke 04. Trotz Bemühungen spitzte sich 2012 die finanzielle Krise zu, eine Insolvenz konnte jedoch durch Unterstützung abgewendet werden.
2013 verweigerte der Lizenzierungsausschuss dem MSV Duisburg aber wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Lizenz für die 2. Bundesliga. Nach der Lizenzierung für die 3. Liga verfehlte man jedoch den direkten Wiederaufstieg. Im März 2014 stimmten Gläubiger einem Schuldenschnitt von rund 12 Millionen Euro zu. 2015 stieg der MSV in die 2. Bundesliga auf, trotz starker Rückrunde folgte 2016 wieder der Abstieg in die 3. Liga nach einer Relegation gegen Würzburger Kickers. Mit einem starken Saisonendspurt stieg der MSV sofort wieder in die 2. Bundesliga auf und beendete die Saison 2016/17 als Tabellenführer. Zwei Jahre später fand man sich abermals in Liga 3 wieder, wo man sich diesmal im hinteren Mittelfeld eingruppieren musste.
Nach dem Abstieg im letzten Jahr trat der MSV das erste Mal seit Gründung der Bundesliga in der vierten Leistungsstufe an. Nun ist man also zurück in Liga 3 zu deren Stammbesetzung man aber auch erst seit Anfang der 2010er Jahre gehört.
Der Verein
Der MSV Duisburg vereint rund 11 250 Mitglieder unter den blau-weißen Farben. Neben Fußball wird im Dachverein auch noch Handball, Hockey, Judo, Leichtathletik und Turnen angeboten. Die Zebras unterhalten auch ein NLZ nach DFB-3-Sterne-Standards, welches am Traditionsstandort in Duisburg-Meiderich liegt. An der Westenderstraße liegt auch das Vereinsheim, das in den letzten Jahren vor dem Verfall gerettet wurde und nun wieder einen Ort des Zusammentreffens am Trainingsgelände darstellt.
Fanszene
Die aktive Fanszene der Meidericher steht in der Nordkurve des Wedaustadions. Zwei Ultragruppen geben den Ton an, allen voran die “Kohorte Ultras” und dazu die “Proud Generation Duisburg”. Zu ersteren gehört noch die Jugendgruppe “Jungspunde”, welche bei der Gründung 2007 von den vorher aufgelösten “Ultras Duisburg 98” übernommen wurde. Diese Gruppe waren die Pioniere in Sachen Ultra in Duisburg und haben von 1998 bis 2007, mit einer zweijährigen Unterbrechung Anfang der 2000er die Stimmung in der Nordkurve verantwortet. Die “Proud Generation” besteht ebenfalls seit 2007, näherte sich in ihrer Ausrichtung immer mehr der Ultrabewegung an und ist spätestens seit 2012 richtig in dieser Welt angekommen.
Die Kohorte unterhält einen Infostand direkt am Fanprojekt Container vor dem Wedaustadion und pflegt eine Freundschaft zu den “Ultras Mainz”, welche auch gesellschaftspolitisch progressiver einzustufen wären. Die Proud Generation unterhält als Umfeldorganisation den Freundeskreis PG, durch welchen man die Gruppe unterstützen und durch mehrere Stufen Teil der Hauptgruppe werden kann. Eine Freundschaft gibt/gab es zur (früheren) “Brigata Tifosi” aus De Graafschap, welche sich aber erst kürzlich nach über 20 Jahren ihre Auflösung bekannt gaben.
Natürlich stehen auch andere Fangruppierungen in der Duisburger Nordkurve, deren Zaunfahnenbild von vielen kleineren Fetzen geprägt ist. Die Zuordnung dieser zu gewissen Gruppen ist mir leider (noch) nicht möglich. Der MSV listet auf seiner Website übrigens 108 offizielle Fanclubs, von denen 75 Duisburg als Hauptsitz angegeben haben.
Vor gut 10 Jahren kam es innerhalb der Fanszene zu gewalttätigen Übergriffen von rechts stehenden Personen auf die eher progressiv ausgerichteten Ultras der Kohorte. Hier sollen neben Personen der PG und der mittlerweile aufgelösten Hooligangruppe “Division Duisburg” auch Mitglieder rechtsextremer Gruppen aus Duisburg und Umgebung beteiligt gewesen sein. “Proud Generation” und “Kohorte” existieren aber bis heute nebeneinander und seitdem sind keine weiteren gröberen Vorfälle bekannt geworden.
Soziales Engagement
Auch das Verhältnis zum Verein ist anscheinend sehr gut, sodass man dieses Jahr gemeinsam eine T-Shirt-Aktion mit dem Titel “Wahnsinn von der Wedau” startete mit deren Erlös benachteiligte Kinder aus der Stadt ins Stadion eingeladen werden. Außerdem werden immer wieder Bechersammlungen zu zu karitativen Zwecken durchgeführt. Aktuell unterstützt die Kurve, die an Knochenkrebs erkrankte, 12-jährige Lea:
“Gerne möchten wir euch an dieser Stelle darüber informieren, dass die Bechertonnen der aktiven Fanszene ab dem Heimspiel gegen Rostock nicht mehr für die Ruhrorter Hafenkids, sondern für Lea befüllt werden. […] Bei Lea handelt es sich um ein zwölfjähriges Mädchen, das ein leidenschaftlicher MSV-Fan ist und Anfang dieses Jahres aus einer unbeschwerten Kindheit herausgerissen wurde – Diagnose: Knochenkrebs. Seitdem kämpft Lea mit zahlreichen Behandlungen gegen die Krankheit. Neben mehreren Chemotherapien wurde ihr vor Kurzem operativ ein Stück des Oberschenkelknochens entfernt und durch eine Prothese ersetzt. Weitere Chemotherapien sind geplant bzw. unumgänglich, um den Krebs endgültig in seine Schranken zu weisen.
Trotz dieser schweren Situation zeigt Lea eine beeindruckende Energie und Lebensfreude. Wann immer es möglich war, hat sie trotz der Krankheit die Spiele des MSV besucht und dort auch in anderen Kurven – wie zuletzt am Dienstag in Saarbrücken – aufmunternde Spruchbänder sehen dürfen. Leas Familie konnte im Rahmen einer GoFundMe-Kampagne bereits einige Spenden sammeln, um ausfallende Gehälter sowie anfallende Kosten zu decken und besondere Momente oder Erlebnisse für Lea zu ermöglichen. […] Solltet ihr darüber hinaus ebenfalls etwas für Lea spenden wollen und können, findet ihr den Link zur GoFundMe-Seite über den eingefügten QR-Code oder direkt unter: https://www.gofundme.com/f/lea-kampft-gegen-ewing-sarkom-knochenkrebs
Lea, unsere Gedanken sind bei dir und deiner Familie! Kämpf(t) weiter!”
Trivia – Unnützes Wissen
- Die Rolle des Kult-Tatortkommissars Horst Schimanski ist Fan des MSV Duisburg.
- Der “Zebratwist” wird seit 1964 im Duisburger Stadion gespielt und gilt deshalb als eine der ältesten offiziellen Vereinshymnen Deutschlands. Heute wird er als Torhymne verwendet.
- Ein großer Teil der ausgelagerten Fußballfirma gehört in Duisburg dem US-Trikot-Ausstatter “Capelli”. Mehr dazu gibts in der Rückrunde.
Der 11. Spieltag im Überblick
19:00 Uhr
FC Erzgebirge Aue – SV Waldhof Mannheim
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