DruckenTeilen
Massenphänomen Marathon: Kurz nach dem Start in Frankfurt drängeln sich die Menschen über die Straße. © IMAGO/Peter Henrich / HEN-FOTO
Renndirektor Jo Schindler über den neuen Teilnehmerrekord beim Frankfurt Marathon, den weltweiten Laufboom, astronomische Gagen in China und das vergebliche Buhlen um Vizeweltmeister Amanal Petros.
Der Frankfurt Marathon erlebt besonderen Zuspruch. Die Bestmarke von 16 034 Meldungen aus dem Jahr 2012 ist bereits vor dem Startschuss am 26. Oktober übertroffen. Wie ist der Stand?
Jo Schindler: Wir haben bereits jetzt einen neuen Rekord und einen Vorsprung von etwa 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr bei den Anmeldungen im Marathon. Das ist sehr erfreulich. Wir erleben fast überall auf der Welt einen Laufboom, wovon auch wir als attraktive Veranstaltung profitieren.
Was ist der Grund?
Laufen ist ein Sport, den jeder ausüben kann. Es ist keine hohe Grundinvestition nötig. Klar, man braucht ein Paar ordentliche Laufschuhe und sollte sich auch vernünftige Sportbekleidung zulegen, aber dann geht Laufen immer und überall, zu jeder Tag- und Nachtzeit. Der Einstieg ist also sehr leicht. Und jetzt landen die Leute, die während der Corona-Pandemie mit dem Laufen angefangen haben, auch bei uns. Wer die ersten Jahre allein vor sich hinläuft und ein gewisses Niveau erreicht hat, kommt dann zwangsläufig irgendwann bei der Königsdisziplin an.
Von vielen Finishern träumt der Veranstalter im Ziel? Nicht jeder der gemeldet hat, läuft dann ja wirklich die 42,195 Kilometer.
Wir haben jedes Jahr eine No-Show-Rate von rund 20 Prozent. Es sind leider viele, die sich kurz vor dem Rennen eine Erkältung einfangen oder im Training eine kleine Verletzung. Mein Wunsch wären 17.000 Meldungen. Wir haben für 13.500 Finisher kalkuliert, die in der Festhalle ins Ziel kommen. Das wären 3000 mehr im Ziel als im vergangenen Jahr. Dann hätten wir auch Hamburg wieder überflügelt und wären hinter Berlin der zweitgrößte deutsche Marathon.
Was wäre denn die Höchstgrenze?
Wenn es in Zukunft noch mehr Marathonläufer würden, müssten wir Anpassungen im Zeitplan vornehmen. Heute sind der Staffelmarathon und der Mini-Marathon in den Marathon verschachtelt, aber das ist ja nicht zwingend so. Diese Konstruktion müsste man eben anpassen. Schon in diesem Jahr werden wir beim Marathon nicht mehr in zwei, sondern in vier Wellen von rund sieben, acht Minuten Abstand starten, damit es sich auf der Strecke besser verteilt. Mein Traum ist, dass wir mal 20.000 Marathonläufer haben.
Wie wichtig sind die Startgebühren für den Etat?
Sie sind der größte Posten im Gesamtbudget. Der Anteil liegt bei rund 55 Prozent. Die Startgebühren decken aber bei weitem nicht die Kosten, weil die Organisation eines Marathon ein erheblicher finanzieller Aufwand ist.
Sind 150 Euro Teilnahmegebühr nicht zu teuer, die nach den ersten 6000 Anmeldungen zu entrichten war?
Nein. Wir organisieren ja auch keinen Lauf durch Wald und Wiesen mit ein paar Verpflegungsstellen, sondern ein Megaevent in einer Großstadt, was ganz andere Kosten verursacht. Wir bieten den schönsten Zieleinlauf in der Festhalle, haben ein buntes Musikprogramm mit 42 Aktionspunken und finanzieren die TV-Produktion. Überdies sind die Kosten vieler Dienstleister nach der Corona-Pandemie teils extrem gestiegen. Wer all das nicht möchte, der ist bei einem Dorfmarathon, der 70 Euro kostet, gut aufgehoben, wer aber ein Mega-Laufevent erleben will, der muss hierfür eben auch bezahlen. Die großen Musikfestivals mit den bekannten Stars sind auch innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft.
Hilft es vielleicht auch, dass durch den Klimawandel sich die milden Temperaturen oft bis Ende Oktober halten?
Wir hatten vor drei Jahren beim Frankfurt Marathon einen Sommertag im Herbst, den es bis dahin noch nie gab. Ich glaube schon, dass es langfristig eine stabile Wetterlage Ende Oktober gibt. Bisher hatten wir Durchschnittstemperaturen von elf Grad. Das ist ideales Laufwetter.
Und an dem Termin wird auf absehbare Zeit auch nicht gerüttelt?
Wir besetzen seit Jahrzehnten unseren Platz im internationalen Laufkalender. Zwei Wochen vorher ist Chicago, dann Amsterdam, eine Woche nach Frankfurt ist New York. Wir sind außerdem auf die Messe Frankfurt angewiesen, auch der Messekalender gibt keinen anderen Termin her.
Amanal Petros holte bei der Leichtathletik-WM Silber im Marathonlauf. Sie und der Sportliche Leiter Philipp Kopp pflegen einen engen Austausch mit ihm. Wird er noch mal nach Frankfurt kommen?
Wir haben das natürlich auch dieses Jahr wieder versucht, wir sprechen seit Jahren miteinander. Wir kennen uns auch persönlich gut, aber er hat auch Auflagen vom Ausrüster und vom Verband. Das sind vertragliche Verpflichtungen. Ich bedauere sehr, dass es bisher noch nicht geklappt hat. Zudem haben wir mit dem Valencia Marathon, der erhebliche Mittel zur Verfügung hat, einen neuen Konkurrenten im Herbst neben Berlin bekommen. Auch neue chinesische Marathons bieten fast astronomische Summen an Antrittsgagen. Das macht es in der Gesamtheit für uns nicht einfacher. Ich kann versichern, dass Philipp mit allen relevanten deutschen Athleten gesprochen hat. Filimom Abraham will persönliche Bestzeit bei uns laufen, dann wäre er der schnellste deutsche Läufer in der Geschichte des Frankfurt Marathon. Dahinter haben wir mit Tom Turley und Jan Lukas Becker zwei Deutsche aus der zweiten Reihe, die sich einiges vorgenommen haben.
Jo Schindler (links) ist Renndirektor und Veranstalter des Frankfurt Marathon. © IMAGO/Peter Hartenfelser