Yangon (Myanmar) – Es klang nach einem Traumjob: ein Model-Vertrag in Thailand, Sonne, Ruhm, schöne Fotos. Doch für Vera Kravtsova (26) endete das Versprechen in einem Albtraum – mit Folter, Erpressung und Tod. Die Sängerin und Ex-Kandidatin von „The Voice of Belarus“ wurde in eine der brutalsten Cyber-Sklavenfabriken der Welt verschleppt.
Vera wuchs in Minsk (Belarus) auf. Musikalisch, schön, ehrgeizig. In Belarus nahm sie an Gesangswettbewerben teil, ließ sich tätowieren, posierte für Fotos. Im September 2025 folgt sie einer Online-Anzeige für einen Job als Model in Bangkok (Thailand). Aber dort finden keine Shootings statt – sondern lauert ein skrupelloses Menschenhändler-Netzwerk.
Ihr Ziel war ein besseres Leben, am Ende erfuhr sie unvorstellbares Leid.
Vera träumte von einer Karriere als Sängerin und Tattoo-Model
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Vera nach Myanmar verschleppt
Vera wird nach Myanmar verschleppt – in eine Scam-Fabrik. In Myanmar gibt es Dutzende dieser Betrugsmaschinerien. Es sind abgeriegelte Gelände, meistens in der Region bei Myawaddy an der Grenze zu Thailand, bewacht mit Wachtürmen, Mauern, Stacheldraht. Dort schuften Zehntausende Zwangsarbeiter. Es werden Milliardengeschäfte mit Krypto-Betrug, Liebesschwindel und Fake-Investments gemacht. Geschützt von bewaffneten Gangs, geduldet von korrupten Militärs.
Der KK Park in Myanmar an der Grenze zu Thailand ist eine der berüchtigsten Scam-Fabriken. Hier werden Zehntausende Zwangsarbeiter wie Gefangene gehalten
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Vera soll Männer online verführen – auf Dating-Apps, in Chats, auf Social Media. Ihr Auftrag: Gefühle vorspielen, Vertrauen aufbauen, Geld kassieren. Die Masche heißt zynisch „Pig Butchering“ – das Schwein mästen, bevor man es schlachtet.
„The Voice“-Star musste Zwangsarbeit verrichten
17 Stunden Arbeit täglich. Keine Pausen, wenig Schlaf. Die Pässe weg, das Handy einkassiert, der Wille gebrochen. In den Scam-Fabriken herrschen Sklavenregeln. Wer nicht genug Geld reinholt, wird mit Schlägen, Folter, Elektroschock, Essens- und Schlafentzug bestraft. Manche werden an andere Lager verkauft – oder verschwinden für immer.
Die Zwangsarbeiter in den Scam-Fabriken leben unter unmenschlichen Bedingungen, sie werden geschlagen und gefoltert, wenn sie nicht genügend Geld erschwindeln
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„We can kill you here, nobody will know.“ Wir können dich hier töten, niemand wird es erfahren. Das sagte ein Wärter zu einem Mann, dem aus dem Lager die Flucht nach Thailand gelang.
Auch Veras Organe verkauft?
Auch Vera bringt anscheinend nicht genug „Ertrag“. Denn plötzlich ist Funkstille. Ihre Familie hört nichts mehr von ihr. Anfang Oktober bekommt die Familie eine Nachricht: Ein Unbekannter schreibt, Vera sei tot. Für die Rückgabe ihrer Leiche werden 500.000 Dollar als Lösegeld gefordert. Als das Geld nicht überwiesen wird, teilt man ihnen mit, dass Vera bereits eingeäschert worden sei; ihre Organe habe man verkauft.
In ihrer Heimat Belarus wurde Vera durch die TV-Sendung „The Voice of Belarus“ bekannt
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Ob die Nachricht stimmt? Unklar. Die Behörden in Belarus und die Botschaft in Bangkok ermitteln, doch die Spuren verlieren sich zwischen Scam, Sklaverei und Mord.
Freunde beschreiben Vera als lebensfroh, kreativ, voller Hoffnung. „Sie glaubte an das Gute, an die Chance, etwas zu werden“, sagt eine Bekannte aus Minsk. „Sie wusste nicht, dass sie direkt in die Hölle geht.“