Ein Hit von Herbie Hancock, Meister des Funk-Jazz, heißt „Chameleon“. Ein Titel, der das Wesen des Jazz genau trifft: Dient doch der Farbwechsel des Chamäleons nicht nur der Tarnung, sondern vor allem der Kommunikation mit den Artgenossen. Nicht anders der Jazz. Auch er kann jederzeit eine andere Farbe annehmen. Er ist die Kunst der Fusion, er kann jeden Stil integrieren. So vereint er sich gerne auch mit der völlig entgegengesetzten Welt der Klassik.

Ein schönes Beispiel dafür ist das Saxofonkonzert „Stravaganza“ (Exzentrik) des walisischen Altmeisters des Klassik-Crossovers, Karl Jenkins. Die Stuttgarter Philharmoniker spielten diesen Viersätzer (von 2020) jetzt in ihrer „Großen Reihe“ im Beethovensaal – mit dem deutschen Saxofonisten Christian Segmehl am Start.

Christian Segmehl spielt das wunderbar

Jenkins hat das zentrale Merkmal des Jazz, das Improvisieren, im Solopart des Sopransaxofons trefflich in fixe Noten übersetzt: das ständige klangliche Changieren, das variative Fließen von Motiven, Themen und Skalen, die weichen harmonischen Farbwechsel, das rhythmisch geschmeidige Swingen und Synkopieren. Segmehl spielte das wunderbar. Auch den Satz „Dreams and Drones“, in dem sich über dem flüsternd-sanften Klangteppich des Orchesters eine ständiger Verwandlung unterworfene Melodie frei entfaltet. Schon der Beginn war unmittelbar packend: Erst nach groovender Schlagwerkeinleitung betrat Segmehl mit einer swingenden Melodie die Bühne, die die Bläserfraktion zum „Gespräch“ auffordern soll, was spielfreudig angenommen wurde. Auch wenn das rhythmische Fußklopfen, mit dem alle Musizierenden den Anfang grundieren sollen, noch etwas vorsichtig wirkte: Im Verlauf dieses auch sinfonisch gedachten Werks zeigten sich die Philharmoniker immer lässiger, bis die Perkussionisten im südamerikanisch inspirierten Finale geradezu aus dem Häuschen gerieten vor rhythmischer Befreiung.

Schlapper Spannungsbogen

Der südkoreanische Nachwuchsdirigent Samuel Lee, der den Abend leitete, schlug sich derweil wacker. In Mozarts „Zauberflöten“-Ouvertüre wirkte sein Dirigat noch hölzern, später, in Dukas’ „Zauberlehrling“ lief’s runder. Und dass der Spannungsbogen in Strawinskys final gespielter „Feuervogel“-Suite schlapp blieb, war keine Überraschung – das Stück hört man selten gut dirigiert. Die meisten Dirigenten, so auch Lee, suchen nach emotionalen Zuständen. Das Wesen der Musik Strawinskys ist aber immer tänzerisch-choreografisch. Einzelne Klangereignisse minutiös zu zelebrieren schläfert am Ende ein.