Berlin – Wie senken wir endlich unsere uferlosen Sozialausgaben und die Stütze-Bürokratie?
Die neue Grundsicherung, die das Bürgergeld ersetzt, soll im kommenden Jahr nur 86 Millionen Euro einsparen – statt der angedachten Milliarden (BILD berichtete exklusiv). Wegen des höheren Aufwandes der Arbeitsagentur kommt es 2028 sogar zu Mehrausgaben von 10 Millionen Euro.
Die Spar-Reform beim Bürgergeld schlägt fehl, während es weiterhin über 500 verschiedene Sozialleistungen in Deutschland gibt. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Forschungsbericht des Münchener ifo-Instituts, der alle Sozialleistungen auf Bundesebene dokumentiert.
Hier finden Sie einen Überblick über ALLE 500 Stütze-Leistungen!
ifo-Chef: Sozialleistungen schlecht abgestimmt
Ökonom Prof. Clemens Fuest (57), Präsident des ifo-Instituts, plädiert deshalb für eine Reform, die Sozialleistungen zusammenlegt und die Regeln für anrechenbares Einkommen ändert.
Fuest zu BILD: „Nach dem ifo Konzept würden Bürgergeld und Wohngeld zusammengelegt, und die Anrechnung selbst erzielten Einkommens würde verändert. Das würde das öffentliche Budget um 4,5 Milliarden Euro entlasten und das Arbeitsangebot um 150.000 Vollzeitstellen erhöhen.“
Clemens Fuest kritisiert die Bürgergeld-Reform der Regierung
Foto: picture alliance/dpa
Die angedachte Reform greife zu kurz, weil nichts an der Anrechnung selbst erzielter Einkommen auf das Bürgergeld geändert werde und „die verschiedenen bestehenden Sozialleistungen schlecht aufeinander abgestimmt sind“.
500 Sozialleistungen auf 3246 Paragrafen
Allein die Sozialgesetzbücher umfassen derzeit 3246 Paragrafen, die sowohl die Sozialleistungen selbst als auch Regeln enthalten, die für ihre Umsetzung erforderlich sind.
„Ursprünglich wollten wir Ausmaß und Wirkung aller Sozialleistungen berechnen. Die Vielzahl an Vorschriften und Leistungen ließ diese Aufgabe beinahe unlösbar erscheinen. Statt der Quantifizierung entstand deswegen zunächst nur eine Inventarliste aller Sozialleistungen auf Bundesebene“, sagt Prof. Andreas Peichl (46), Studienautor im ifo-Zentrum für Makroökonomik und Befragungen.
„Deutsche Einzelfallgerechtigkeitssuche“
Dem Magazin „Focus“ sagte Peichl, es gebe
- etliche Leistungen allein für Bergleute, unterschieden nach Alter und Berufsjahren,
- viele verschiedene Leistungen allein für die Witwenrente,
- für Kinder mit psychischen Erkrankungen gebe es für jede Altersstufe eine eigene Leistung,
- beim Pflegegeld werde jeder Pflegegrad unterschieden,
- für eine Haushaltshilfe, für Hygienemittel, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege – und sogar „für Umbaumaßnahmen am Haus“ könne man Hilfe beantragen.
„Man müsste das alles pauschalieren und zentralisieren, die Leistungen zusammenfassen“, sagt Peichl. Er attestiert „deutsche Einzelfallgerechtigkeitssuche“.
Das vernichtende Fazit des Ökonomen: „Für jeden Fall hat man versucht, eine Leistung zu finden. Wenn wir so weitermachen, haben wir am Ende bei 83 Millionen Bürgern 83 Millionen Leistungen.“