Bei einer Demonstration gegen die umstrittene „Stadtbild“-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) haben sich am frühen Nachmittag etwa 200 Menschen auf dem Münchner Marienplatz versammelt. Zu der Kundgebung hatte der Verein „Frau-Kunst-Politik“ aufgerufen, der sich unter anderem für Frauenrechte und Integration engagiert.

„Worte haben das Potenzial, gewalttätig zu sein“

Rednerinnen auf dem Podium verurteilten Bundeskanzler Merz‘ „Stadtbild“-Aussage und betonten, dass Worte das Potenzial hätten, gewalttätig zu sein.

Naciye Özsu, die SPD-Ortsvorsitzende in Taufkirchen, sagte: „Es kann nicht sein, dass wir im Jahr 2025 immer noch übereinander statt miteinander reden.“ Es sei falsch, von „den“ Immigranten zu sprechen; jeder müsse für sich als Mensch mit bestimmten Eigenschaften betrachtet werden.

Julia Schmitt-Thiel, Stadträtin in München (SPD), erklärte in ihrer Rede, Trennendes in den Vordergrund zu stellen, sei eine Sprache, die nicht zu München gehöre.

Scharfe Kritik an Merz nach Aussage zur Migrationspolitik

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung übten teils scharfe Kritik („Merz, du bist so ein Rassist“) an den Aussagen des Bundeskanzlers. Sie riefen dazu auf, Gesicht zu zeigen oder hielten Tafeln mit dem Slogan „Kein Mensch ist illegal“ hoch.

Auslöser der Proteste war eine Aussage von Merz bei einem Termin in Potsdam am Dienstag, als er von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen wurde. Er sagte unter anderem, dass man nun frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und Fortschritte mache. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Demonstration und Lichtermeer in Berlin

Auch in Berlin gab es eine Kundgebung: Hunderte Menschen demonstrierten am Abend mit einem Lichtermeer vor dem Brandenburger Tor für Vielfalt und gegen Rassismus. Redner auf einer Bühne direkt vor dem Berliner Wahrzeichen warfen Merz eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vor. Mit Feuerzeugen und Handy-Taschenlampen bildeten die Teilnehmer ein Lichtermeer. Auf Plakaten war zu lesen „AfD-Verbot jetzt!“ oder „Friedrich Merz – ist das ein Scherz?“

„Ich stehe hier als jemand, dessen Vater Kurde ist“, sagte ein Redner. „Ist mein Vater ein Problem im Stadtbild – oder bin ich es?“ Die Organisatoren gaben die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit etwa 5.000 an. Die Polizei schätzte sie Zahl auf rund 800.

Spahn und Kretschmer verteidigen Merz

Auch Linke und Grüne hatten Merz für seine Aussage scharf kritisiert und eine Entschuldigung gefordert. Entsetzt zeigte sich ebenfalls die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg. Deren Vorsitzender Doll warf Merz vor, Vorurteile zu reproduzieren und Menschen zu verletzen, die in Deutschland leben, arbeiten und die Gesellschaft bereichern würden.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer stellte sich dagegen hinter seinen Parteifreund. Im „Spitzengespräch“ des „Spiegel“ sagte Kretschmer, es gehe nicht um Zuwanderung an sich, sondern um die Einhaltung gemeinsamer Werte. Auch Unionsfraktionschef Spahn versteht die Aufregung nicht. Der Kanzler habe ausgesprochen, was jeder sehe, wenn man etwa durch Hamburg, Frankfurt oder Duisburg geht, so Spahn im „Bild“-Interview. Insbesondere rund um Hauptbahnhöfe. Dort gebe es Verwahrlosung, die laut dem CDU-Politiker mit der irregulären Migration zu tun hat.

Mit Informationen von dpa