Konzert | Morcheeba in der Uber Eats Music Hall

Musik für Tagträume

Morcheeba in der Uber Eats Music Hall

Kai Salander/rbb

Audio: rbb24 Inforadio | 20.10.2025 | Kai Salander | Bild: Kai Salander/rbb

Bereits seit den 90er-Jahren ist die Band Morcheeba unterwegs. Mit ihrer Mischung aus Dub, Blues und Hip-Hop-Beats, auch bekannt als Trip-Hop, kamen sie jetzt auch wieder nach Berlin. Und verwandelten die riesige Konzerthalle in eine Listening Bar. Von Kai Salander

Morcheeba, eine der Ur-Bands des Trip-Hop, spielen am Sonntagabend mitten in einer Grünanlage – zumindest wirkt es so. Überall stehen Pflanzen, dazwischen Blumen, verstreut hinter dem Drumset, neben Keyboard und Bass. Davor ein wabernder Farbklecks: das Kleid von Sängerin und Gründungsmitglied Skye Edwards.

Ein blau glänzender Kaftan, durchzogen von violetten, blauen und goldenen Strudeln. Das psychedelische Muster erinnert an Planetenbahnen. Dazu trägt sie kniehohe, glänzende Lederstiefel mit Plateausohle. Nach den ersten Songs muss die Frontfrau schmunzelnd zugeben: Die Schuhe machen das Gehen schwierig. Das Kleid habe sie übrigens selbst gemacht – das Publikum feiert ihre Modekreation. Auf ihrem Kopf trägt sie einen hohen schwarzen Zylinder – so wirkt sie halb wie eine Zirkusdirektorin, halb wie eine Magierin. Neben ihr steht, ganz gelassen in Hemd und Jeans, ein weiteres Gründungsmitglied: Ross Godfrey. Der Gitarrist grinst und kündigt beiläufig an: Jetzt komme „Call for Love“ – vom neuen Album, von dem ständig ja die Rede sei. Der elfte Longplayer ist dieses Jahr im Mai erschienen.

Morcheeba in der Uber Eats Music Hall

Skye Edwards schaut beim Singen weit ins Publikum hinaus. Nicht nur ihr Blick, auch die langsamen Zeitlupen-Beats wirken hypnotisch. Gesang und Gitarre verschmelzen in einem riesigen Hallraum, lassen das Publikum in Klang baden. Edwards steht im wallenden Kleid vor dem Ventilator, geht dann mit sanften Hüftschwüngen über die Bühne, zwei Schritte nach links, zwei Schritte nach rechts. Dabei singt sie „The Sea“ vom legendären Big Calm-Album aus dem Jahr 1998.


Publikum zwischen Nostalgie und Lofi-Trend

Im Publikum stehen Menschen, die Morcheeba schon aus den Neunzigern kennen – und dazwischen viele junge Gesichter, die den Sound erst über angesagte Lofi-Playlists im Netz entdeckt haben: Von „entspannten Beats zum Lernen und Konzentrieren“ ist dort oft die Rede. Schon nach den ersten Akkorden lassen sich die Fans in den Soundstrudel fallen, den Edwards’ Gesang ziert – mal kräftig und bestimmt, mal hauchzart.

Als die Band kurz aussetzt und helles Licht den Zuschauerraum beleuchtet, fordert Edwards das Publikum auf, mitzusingen. Erst als sie den Chor aus Hunderten Stimmen hört, zeigt sie sich zufrieden. Etwa 2.500 Menschen sind gekommen. Das Konzert ist nicht ausverkauft.


Rome wasn’t built in a day – und ein Gewitter aus Licht und Klang

Die große Party beginnt erst nach 22 Uhr – da läuft das Konzert bereits eine Stunde. Zeit für den Lieblingssong vieler Fans: „Rome Wasn’t Built in a Day“. Ein vergleichsweise schneller Track, der weder auf Funk noch auf Reggae, sondern auf Country-Chords fußt.

Vor der Zugabe verschwindet die Band für mehrere Minuten – fast schon zu lange. Das Publikum klatscht, trampelt mit den Füßen, will mehr. Der Toningenieur, er stand während des Konzerts barfuß am Mischpult, zieht schon die Schuhe an: will er etwa schon gehen, Feierabend machen? Doch schon kommen Morcheeba wieder ganz gelassen auf die Bühne. Alle im Publikum sollen aufstehen, tanzen, einfach mal loslassen. Skye Edwards rappt kurz „The Real Slim Shady“ von Eminem: „Please stand up, please stand up“. Danach tauchen helle Strahler die Bühne komplett in Rot und die Band David Bowies „Let’s Dance“ – eine frische Funk Version.

Zum Abschluss steht die Morcheeba-Nummer „Bleeding Out“ – in der langen Version. Eine weitere Nummer vom neuen Album, die live nach Psychedelic Rock klingt: Godfrey lässt die Gitarre aufheulen, das Schlagzeug prescht, Becken zischen durch die Luft, das Stroboskop flackert – als ob die Show in einem Gewitter aus Klang und Licht zu Ende ginge. Es war ein Konzert ohne eigene Ohrwürmer, dafür mit viel Gefühl und Wohlklang. In Erinnerung bleibt die entspannte, warme Stimmung. Morcheeba haben die Konzerthalle in eine riesige Listening Bar verwandelt – Musik für Tagträume.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.10.2025, 6:55 Uhr