Hitzeschutz in Stuttgart: Stadt verkauft teure Schirme als Einsparung – Stuttgarter schaltet OB Nopper ein Kleine Schirme, große versiegelte Fläche – am Marga-von-Etzdorf-Platz in Stuttgart erschließt sich der Sinn des Sonnenschutzes nicht auf Anhieb. Foto: Archiv Lichtgut/Max Kovalenko

Ein Stuttgarter will wissen, warum die Stadt für eine halbe Million Euro Sonnenschirme geliehen und so viel Geld verschleudert habe. Die Antwort? „An Dreistigkeit nicht zu überbieten.“

Trotz der herbstlichen Temperaturen kann Gerhard Goller die Sache mit den sinnlosen Sonnenschirmen in Stuttgart nicht abhaken. Er nennt die Angelegenheit eine „Realsatire“. Goller meint die rund zwei Dutzend Sonnenschirme, die sich die Stadt Stuttgart in den Sommern 2024 und 2025 geliehen hatte, um mehrere Plätze in der Hitzeperiode zu beschatten – für insgesamt circa eine halbe Million Euro.

Gelbe Karte an Stadt Stuttgart und Mail an OB Nopper

In einer Gelben Karte an die Stadt – ein Feedback-Kanal für Bürger – bat er Mitte September „um eine nachvollziehbare Erklärung, was das zuständige Amt bewogen hat, eine derartige Summe in den Sand zu setzen“.

Er ist nicht allein über seine Verwunderung über das Vorgehen. Zum einen wirkten die Standorte teils willkürlich gewählt: In Botnang befand sich ein Schirm im Baumschatten, am Marga-von-Etzdorf-Platz am Rande einer steinernen Wüste. Zum anderen ist vom Sonnenschutz nichts Dauerhaftes für Stuttgart geblieben, weil er ja nur geborgt war.

Das Sonnensegel am Südheimer Platz in Stuttgart war nur geliehen – für 110 000 Euro. Foto: Archiv Lichtgut/Leif Piechowski

Die Antwort bekam Gerhard Goller knappe zwei Wochen später. Der Gemeinderat habe im Rahmen eine Hitzeschutzsofortprogramms für 2024 und 2025 insgesamt zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Grund: Stuttgarter Plätze gegen die zunehmende Hitze aufgrund des Klimawandels mit Sonnenschutz auszustatten.

Eine Markterkundung habe ergeben, „dass eine Anmietung für die Sommermonate 2024 und 2025 deutlich niedrigere Kosten ergibt als ein Kauf“, ist darin zu lesen. „Nach Genehmigung des Nachtragshaushaltsplans für das Jahr 2025 sind somit restliche Mittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro eingespart worden“.

Das Einzige, was Goller dazu einfällt: „Das ist eine sehr abenteuerliche Mathematik.“ Ihn hat diese Logik so sehr geärgert, dass er jüngst dem Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper gemailt hat. In Anbetracht der „angekündigten drastischen Sparmaßnahmen zur Sanierung des maroden städtischen Haushalts“ sei es für ihn als Bürger schwer nachvollziehbar, dass die Stadt allein 2025 mit 350 000 Euro rein rechnerisch je Leihschirm mehr als 12 000 Euro bezahlt habe. Ganz stimmt diese Kalkulation nicht, denn 110 000 Euro davon entfielen auf ein spektakuläres – geliehenes – Sonnensegel am Südheimer Platz.

Hat die Stadt Stuttgart dadurch 1,4 Millionen eingespart?

Goller berichtet Nopper von seiner Gelben Karte und der Reaktion. „Das Schreiben gipfelte mit der Behauptung, durch das Sonnenschirm-Projekt seien sogar 1,4 Millionen eingespart worden“, schreibt er an Nopper. „Die wohl unbestreitbare beispiellose Vernichtung öffentlicher Gelder für eine weitgehend sinnlose Investition jetzt als Millioneneinsparung zugunsten des städtischen Haushalts zu verkaufen, ist meines Erachtens an Dreistigkeit kaum zu überbieten!“

Kritik am Vorgehen bei den Sonnenschirmen gab es auch aus dem Gemeinderat. Das Mietmodell nannte Björn Peterhoff (Grüne) gegenüber unserer Redaktion „vergeudetes Geld“. Und auch Lucia Schanbacher (SPD), treibende Kraft hinter dem Hitzeschutzsofortprogramm, sprach von „vielen klitzekleinen Schirme zu irren Kosten“.

Für den Stuttgarter Gerhard Goller ist das „ein indifferenziertes Ausgabeverhalten der Stadt“, wie er sagt. Er wartet nun darauf, was der Oberbürgermeister ihm antwortet.