„Tiefe Sorge“

CO2-Preis wackelt: Neuer Brief macht Druck auf die EU

20.10.2025 – 16:21 UhrLesedauer: 4 Min.

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Rauchschwaden treten aus einem Schornstein: Der Druck auf eine Reform des Emissionshandels wächst. (Quelle: IMAGO/Jason Whitman/imago)

Ab 2027 soll eigentlich ein EU-weiter CO2-Preis fossile Energien schrittweise verteuern. Doch der Widerstand dagegen wächst.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 setzt die EU auf ein zentrales, marktwirtschaftliches Instrument: den Emissionshandel. Verkürzt gesagt, wird dadurch der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 mit einem Preis belegt, den Verbraucher zahlen müssen, wenn sie zum Beispiel mit Öl, Gas oder Kohle heizen. Schon seit 20 Jahren gibt es den Emissionshandel in der EU, bisher war er auf die größten Emittenten in der Industrie beschränkt. Zum 1. Januar 2027 soll er auf normale Haushalte ausgeweitet werden.

Das führt jedoch seit einigen Monaten zu Unbehagen in den Mitgliedsländern. Vor allem in ost- und südeuropäischen Ländern der EU wächst die Sorge vor hohen Energiepreisen, denen große Teile ihrer Bevölkerungen wenig entgegensetzen könnten – zum Beispiel, indem sie auf E-Autos statt Verbrenner umsteigen.

Wie t-online nun erfahren hat, haben einige dieser Länder, darunter Zypern, Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn, einen neuen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt. Darin fordern sie die Verschiebung des Emissionshandels-Starts auf 2030, um „unvorhergesehene soziale, wirtschaftliche und politische Disruptionen“ zu vermeiden. Der Brief liegt der Redaktion vor.

Die Autoren des Briefes weisen auf die hohen prognostizierten CO2-Preise hin, die ihre Länder besonders hart treffen würden. So hat eine unabhängige Analyse von BloombergNEF ergeben, dass die Preise für CO2-Zertifikate zwischen 2027 und 2030 im Schnitt bei 99 Euro pro Tonne liegen könnten. Zum Vergleich: In Deutschland, wo schon seit 2021 eine nationale CO2-Bepreisung existiert, steigt der CO2-Preis 2026 auf 55 bis 65 Euro pro Tonne. In den kommenden Jahren könnten sich die CO2-Preise für deutsche Haushalte also nahezu verdoppeln.

Andere europäische Länder haben aber keinen nationalen Emissionshandel, sie steigen also direkt mit den Preisen ein, die der Markt ab 2027 festsetzt. Es ist eigentlich kein politisches Eingreifen in diese Preise vorgesehen, die EU kann aber einige Maßnahmen ergreifen, um die Preise zu dämpfen. In der BloombergNEF-Analyse gehen die Autoren davon aus, dass die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen den Preis auf 78 Euro pro Tonne senken könnten.

Würde die EU noch weiter gehen und zum Beispiel deutlich mehr Geld in den Umstieg auf klimafreundliche Technologien investieren (etwa Stromsteuern senken oder Elektroautos fördern), könnte das den CO2-Preis auf 45 Euro pro Tonne drücken.

Diese Vorschläge gehen den ost- und südeuropäischen Ländern aber offenkundig nicht weit genug. Statt am bisherigen Starttermin im Jahr 2027 festzuhalten, fordern sie eine Verschiebung auf „mindestens 2030“, um einige Reformen am System vorzunehmen. So solle es im Voraus mehr Transparenz über die Höhe der CO2-Preise geben, damit sich Verbraucher einstellen könnten. Außerdem sollen die Mitgliedsländer mehr Zeit bekommen, um ihre Klimasozialpläne zu implementieren. Mit diesen Plänen sollen die EU-Länder aufzeigen, wie sie bis 2050 zur Klimaneutralität kommen wollen und wie Verbraucher beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien unterstützt werden.