Der Tod des achtjährigen Fabian aus Güstrow bleibt weiterhin ungeklärt. Am 10. Oktober meldete seine Mutter, Dorina L., den Jungen als vermisst. Vier Tage später dann die schreckliche Nachricht: Fabians Leiche wurde entdeckt. Aus dem Vermissten- wurde ein Mordfall. Trotz intensiver Ermittlungen fehlt bislang jede Spur zum Täter. Am Montag kam es zu einem Großeinsatz der Polizei in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Reimershagen, doch die Umstände des tragischen Falls bleiben bisher ungeklärt.
„Familiäre Gewalt spielt große Rolle“
Um Licht ins Dunkel zu bringen, sprach die „Bild“ mit dem bekannten Profiler Axel Petermann (73), der jahrzehntelang als Mordermittler tätig war. „Wenn Kinder getötet werden, beginnt die Spurensuche meist im nächsten Umfeld des Kindes“, erklärt Petermann. „Statistisch gesehen geschehen solche Taten oft im familiären oder nahen sozialen Umfeld. Traurigerweise spielt familiäre Gewalt dabei eine große Rolle.“
Die Eltern des Jungen lebten getrennt, was laut Petermann eine zusätzliche Dynamik in den Fall bringen kann: „In Trennungsfällen kommt es oft zu emotionalen Eskalationen, insbesondere wenn einer der Partner die Trennung initiiert hat.“ In seltenen Fällen, so der Profiler weiter, könnten Männer sogar ihre Kinder töten, um die Mutter zu bestrafen – ein Phänomen, das als Medea-Syndrom bekannt ist. Doch auch Täter aus dem Bekanntenkreis oder Fremde könnten für solche Verbrechen verantwortlich sein. „Manchmal wird ein Mord an einem Kind sogar begangen, um einen Missbrauch zu vertuschen“, fügt Petermann hinzu.
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Frauen als Täter sind die Ausnahme
Auf die Frage, ob auch Frauen für eine solche Tat infrage kommen könnten, sagt Petermann: „Frauen sind in der Gewaltstatistik deutlich unterrepräsentiert. In neun von zehn Fällen sind Männer die Täter. Dass Frauen fremde Kinder töten, ist extrem selten.“ Einige Beobachter wundern sich, warum die Polizei erst Tage nach Fabians Verschwinden von einem Gewaltverbrechen ausging. „Wenn ein Kind verschwindet, muss man immer davon ausgehen, dass etwas passiert ist“, erklärt Petermann. Doch möglicherweise habe die Polizei die von der Mutter geschilderte Situation – Fabian sei krank gewesen und habe nicht zur Schule gewollt – zunächst als plausibel angesehen. „Das könnte erklären, warum man anfangs kein Verbrechen vermutete.“ Nach Nordkurier-Informationen sollte der Junge zu Hause bleiben, bis die Mutter von der Arbeit kommt. Die ersten Stunden nach dem Verschwinden seien entscheidend, betont der erfahrene Profiler. „Man untersucht das Zuhause, sucht nach möglichen Verstecken, nach Spuren von Gewalt und spricht mit Familie, Freunden und Lehrern. Das sind die grundlegenden Schritte jeder Vermisstensuche.“
Rätsel um den Fundort
Fabians Leiche wurde schließlich an einem Tümpel gefunden – ein abgeschiedener Ort, der dem Täter möglicherweise bekannt war. „Täter meiden Risiken und wählen Orte, die ihnen vertraut sind“, erläutert Petermann. Dass die Leiche nicht vergraben wurde, sondern lediglich versteckt lag, deutet darauf hin, dass der Täter in Eile handelte. Am Fundort wurden zudem Brandspuren entdeckt, die auf den Versuch hinweisen könnten, Spuren zu vernichten. Ob der Tümpel jedoch auch der Tatort war, bleibt unklar.
Besondere Aufmerksamkeit erregt in diesem Fall die Person, die Fabians Leiche fand: Nordkurier-Recherchen deckten auf, dass es sich um die 29-jährige Ex-Freundin von Fabians Vater handelt. Warum sie sich zum Zeitpunkt des Fundes an diesem abgelegenen Ort aufhielt, wird von den Ermittlern genau geprüft. „Die Person, die die Leiche findet, ist immer von Interesse. Man muss klären, warum sie dort war und ob ihre Erklärungen plausibel sind“, so Petermann.
Die Psyche des Täters
Wie verhält sich ein Täter nach einer solchen Tat? „Das hängt vom Motiv und der Persönlichkeit ab“, sagt Petermann. „Manche verdrängen die Tat, andere werden von Schuldgefühlen geplagt. Wenn der Täter aus dem Umfeld des Opfers stammt, wird er sich fragen: Kommen sie jetzt zu mir? Haben sie Spuren von mir gefunden?“ Bislang gab es keine Festnahmen in dem Fall, wie die Staatsanwalt am Montag dem Nordkurier mitteilte.
Experte hat sich einen Namen gemacht
Axel Petermann, einer der renommiertesten deutschen Profiler, arbeitete fast 40 Jahre bei der Kriminalpolizei, davon über 35 Jahre als Mordermittler. Heute unterstützt er Angehörige und Anwälte bei der Aufklärung ungeklärter Todesfälle. Als Autor von Sachbüchern und True-Crime-Thrillern hat er sich international einen Namen gemacht.