Heute erscheint ein Buch über die Missbrauchsvorwürfe gegen Prinz Andrew. Es sind die Memoiren der verstorbenen Virginia Giuffre. Ihre Familie fordert Konsequenzen von König Charles. Auch Abgeordnete wollen handeln.
Ende vergangener Woche erklärte Prinz Andrew, dass er sich künftig nicht mehr „Herzog von York“ nennen werde. Ein reiner Verzicht auf das Führen des Titels. Entzogen wurde ihm das Herzogtum York nicht. Trotzdem war es eine gehörige Schmach für den statusbewussten Bruder des Königs und seine Widerspenstigkeit klang in der Verlautbarung durch.
Doch vielen Kritikerinnen und Kritikern ist das nicht genug. Der Bruder der verstorbenen Virginia Giuffre, die Andrew vorwirft mit ihr, vermittelt durch den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, als Minderjährige Sex gehabt zu haben, forderte König Charles auf, Andrew auch den Prinzentitel zu entziehen.
Prinz ist Andrew, weil er als Sohn einer Königin geboren wurde. Um Andrew den Titel zu nehmen, wäre eine Gesetzesänderung nötig. Auch um ihm den Titel „Herzog von York“ abzuerkennen.
Abgeordnete will Andrew Titel entziehen
Als Vertreterin der aktuellen Labour-Regierung zeigte sich Bildungsministerin Bridget Phillipson im BBC-Interview in dieser Angelegenheit zurückhaltend. Einmischung in die Angelegenheiten des Königshauses sind in der konstitutionellen Monarchie ziemlich tabu. Man unterstütze den Schritt der Königsfamilie, dass Andrew seine Titel ruhen lasse, aber weitergehende Entscheidungen werde die Regierung nicht treffen, so Phillipson.
Die unabhängige Parlamentarierin Rachael Maskell, die den nordenglischen Wahlkreis York vertritt, machte dagegen Nägel mit Köpfen und reichte einen Gesetzesvorschlag ein, der es dem König oder dem Parlament erlauben würde, dem Prinzen den Titel als Herzog zu entziehen.
Unterstützung bekommt sie etwa von Stephen Flynn, Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei SNP im Unterhaus. Er erklärte, er empfinde die Haltung der Regierung als Bevormundung für die Bevölkerung, die einen Titelentzug vermutlich unterstütze.
Giuffre-Buch erscheint – Andrew unter Druck
Und so steht also nicht nur der Buckingham Palast unter Druck, sondern auch die Regierung, an dem Tag, an dem die Memoiren „Nobody’s Girls“ von Virginia Giuffre erscheinen. Sie beschreibt drei angebliche sexuelle Begegnungen mit Andrew, bei denen sie zum Teil noch minderjährig war. In einem vorab veröffentlichten Auszug sagt Giuffre, der Prinz habe sich verhalten, als glaube er, „Sex mit mir zu haben, sei sein Geburtsrecht“. Giuffre nahm sich im April im Alter von 41 Jahren das Leben.
Der 65-jährige Andrew weist ihre Behauptungen weiterhin zurück und sagte 2019 in einem BBC-Interview, er könne sich nicht erinnern, sie je getroffen zu haben. Andere Passagen des BBC-Interviews haben sich unlängst als Lügen erwiesen: Andrew hatte angegeben, 2010 zuletzt Kontakt zu seinem Freund, dem damals schon als Sexualstraftäter verurteilten Jeffrey Epstein, gehabt zu haben. Neu veröffentlichte E-Mails zeigen nun, dass er 2011 noch an Epstein schrieb: „Bald spielen wir wieder miteinander“.
Abstoßend findet das die Journalistin Emily Maitlis, die das Interview seinerzeit führte. Der Ton der Mail lege nahe, dass Andrew nie mit Epstein gebrochen habe. Offenbar im Gegenteil: Denn Epstein soll Andrew das Geburtsdatum und Sozialversicherungsnummer von Giuffres gegeben haben, damit dieser Nachforschungen über sie anstellen konnte. Die Londoner Metropolitan Police prüft gerade, ob Andrew seine damaligen Leibwächter dazu anstiftete, belastendes Material gegen Giuffre zusammenzutragen. Das wäre eine weitere Grenzüberschreitung. Und mutmaßlich nicht die letzte, die ans Licht kommt.
Eine Belastung für das Königshaus
König Charles dürfte sich derweil nichts sehnlicher wünschen, als dass er selbst in den britischen Medien wieder positive Schlagzeilen macht. Am Mittwoch steht ein historischer Staatsbesuch im Vatikan an, bei dem er mit dem Papst gemeinsam beten will. Das wird seit 500 Jahren das erste Mal sein, dass das katholische und anglikanische Kirchenoberhaupt zusammen ein Gebet sprechen.